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scientia halensis 4/2001<br />

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Fachbereich Musik-, Sport und Sprechwissenschaft<br />

MOTORIK UND KOMMUNIKATION<br />

Jürgen Leirich, Ulrike Liebisch und Mariam Hartinger<br />

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Auch durch Bewegung gehen Menschen bewusst oder unbewusst kommunikative Bezie-<br />

28 hungen ein. In motorischen Lehr- und Lernprozessen spielt die verbale Information eine<br />

wichtige Rolle, um motorische Handlungsvollzüge zu verstehen, d. h. ausführen und bewerten<br />

zu können. Durch Bewegung findet aber auch nonverbale Kommunikation statt,<br />

wie das beispielsweise in der Gebärdensprache der Fall ist (Projekt von Ulrike Liebisch).<br />

Besonders interessant sind auch Arbeitsergebnisse, die auf einen Zusammenhang von<br />

sprachlicher und motorischer Entwicklung hinweisen (Mariam Hartinger).<br />

Motorisches Lernen und verbale Kommunikation<br />

Bewegung ist mehr als Ortsveränderung in<br />

der Zeit. Menschliche Bewegung hat gleichermaßen<br />

kommunikative und damit verbundene<br />

soziale Funktionen. Mit Hilfe von<br />

Bewegung kooperieren wir:<br />

• Durch Gestik und Mimik werden Emotionen<br />

und Sinnbedeutungen transportiert.<br />

Wir wenden uns jemandem zu oder ab,<br />

Kooperieren im Spiel oder Tanz, Hüpfen<br />

vor Freude und drücken Niedergeschlagenheit<br />

durch entsprechende Motorik aus.<br />

• Viele Berufe sind an die Bewältigung einer<br />

mehr oder weniger spezifischen Arbeitsmotorik<br />

gebunden.<br />

• Alltagsmotorik ist für die Bewältigung<br />

täglicher Lebenssituationen erforderlich.<br />

Diese nach Krankheit wieder herzustellen<br />

bzw. lange zu erhalten, ist eine besondere<br />

Aufgabe der Sporttherapie bzw. des Seniorensports.<br />

Zum gesunden Leben und<br />

Altern gehört die regelmäßige Bewegung,<br />

denn Bewegung ist Leben und Leben ist<br />

Bewegung. Die soziale und kommunikative<br />

Komponente sei hier nur erwähnt.<br />

Im Zusammenhang mit dem Lehren und<br />

Lernen von sportmotorischen Fertigkeiten<br />

ist auf die große Bedeutung der Sprache<br />

für die Informationsverarbeitung hinzuweisen.<br />

Die reafferenten Signale vermitteln<br />

Informationen, die an die entsprechende<br />

Sinnesmodalität gebunden sind. Wir<br />

spüren Bewegung durch visuelles Wahrnehmen<br />

der Ortsveränderung in der Zeit,<br />

durch kinästhetische Wahrnehmungen die<br />

Kontraktionen der Muskulatur auch in Bezug<br />

zur Wirkung äußerer Kräfte, die wir<br />

für die Bewegung nutzen oder denen wir<br />

entgegenwirken. Darüber hinaus verfügt<br />

der Mensch über ein verbales Zeichensystem,<br />

das eine besondere Qualität der Informationsverarbeitung<br />

ermöglicht. Dieses<br />

verbale Zeichensystem hat sich in der<br />

Menschwerdung auf Grund der Kooperationsanforderungen<br />

vor allem in Arbeitsund<br />

sozialen Prozessen herausgebildet. Im<br />

Verlaufe seiner Individualentwicklung<br />

muss das heranwachsende Kind auch lernen,<br />

Bewegungsprozesse zu verbalisieren<br />

und darüber Informationen auszutauschen.<br />

Dabei spielen die Bewegungsvorstellungen<br />

eine wichtige Rolle. Sie sind mehr<br />

oder weniger verallgemeinerte Widerspiegelungen<br />

von Bewegungen und haben<br />

sinnlich-expressive und verbal-logische<br />

Komponenten. Der ungeübte Sportler ist<br />

noch nicht in der Lage, eine sprachliche<br />

Darstellung seiner Bewegung zu geben,<br />

der geübte hingegen nimmt seine Bewe-<br />

gungen in Einzelheiten wahr und kann<br />

auch unabhängig vom unmittelbaren Bewegungsvollzug<br />

darüber sprechen.<br />

Bewegungsvorstellungen nehmen in bewegungsbezogenenKommunikationsprozessen<br />

eine zentrale Stellung ein und unterstützen<br />

zugleich als mental determinierte<br />

innere Modelle die Erstellung von Bewegungsprogrammen<br />

auf der Grundlage von<br />

Prozessen der Wahrnehmungs-, Entscheidungs-<br />

und Handlungsregulation. Durch<br />

Sprache werden Kooperationsprozesse im<br />

Sport qualifiziert, Selbstbefehle und bewegungslenkende<br />

sowie sanktionierende Reafferenzen<br />

(Anochin) werden verbalisiert,<br />

und für das Lehren und Lernen spielt neben<br />

der visuellen Information durch das<br />

Vormachen besonders auch die verbale Information<br />

durch das Beschreiben, Erklären<br />

und Korrigieren eine bedeutende Rolle.<br />

Räumliche, zeitliche und dynamische<br />

Sachverhalte werden verbal kodifiziert,<br />

vorausgesetzt es gibt ein entsprechendes<br />

terminologisches System, auf dessen<br />

Grundlage Lehrende und Lernende wechselseitig<br />

über einen gemeinsamen Zeichenvorrat<br />

verbunden sind. Die Abbildung 1<br />

verdeutlicht die Bedeutung der Terminologie<br />

im Sinne der Übereinstimmung des gemeinsamen<br />

Zeichenvorrates für das Funktionieren<br />

der Kommunikationsprozesse<br />

zwischen Lehrer/Trainer/Übungsleiter und<br />

Schüler/Sportler und die Gewährleistung<br />

einer sachentsprechenden Informationsverarbeitung.<br />

Die Effizienz von Lernprozessen<br />

ist somit vielfach an das Funktionieren<br />

wechselseitiger Rückkopplungsprozesse<br />

gebunden. Unabdingbare Voraussetzung<br />

dafür ist auch im Sport, dass Bezeichnungen<br />

für Bewegungen und Kooperationsan-<br />

Abb. 1: Kommunikationsbeziehungen im Lehr- und Lernprozess (ZL/ZS = Zeichenvorrat des Lehrers<br />

bzw. Schülers)<br />

forderungen, wie zum Beispiel taktische<br />

Aspekte, gelehrt werden. Darüber hinaus<br />

werden auch die Geräte selbst, die Umgebungsbedingungen,<br />

Erlebnisinhalte, Wertungen<br />

und Emotionen verbalisiert.<br />

Motorische Aspekte der Gebärdensprache<br />

Die Gebärdensprache dient als Kommunikationsform<br />

hauptsächlich gehörlosen und<br />

taubstummen Menschen und wird nicht<br />

ohne Grund die »Sprache der Hände« genannt.<br />

Im Gegensatz zu hörenden Menschen,<br />

deren wichtigstes Sprachinstrument<br />

die verbalen Zeichen sind, bedienen sich<br />

gebärdende Personen ihrer Hände, um zu<br />

kommunizieren. Jedem Wort wird eine eigene<br />

Gebärde zugeordnet. Um der großen<br />

Anzahl von Wörtern gerecht zu werden,<br />

setzt sich jede Gebärde aus den vier simultanen<br />

Parametern Handform, Ausfüh-

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