nullfuenfer_RBL_Ansicht
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Fanstory 51<br />
einen Thekenfußballclub. Da wir gerade mal mit<br />
Ach und Krach elf Spieler zusammenbrachten,<br />
musste ich gezwungenermaßen auf irgendeiner<br />
Position in die Stammelf. Ich war zwar ein recht<br />
kräftiger, schneller und ausdauernder Läufer, aber<br />
meine Füße und ein Ball passten irgendwie nicht<br />
zusammen. Schließlich landete ich als Allrounder<br />
im Mittelfeld. „Guck einfach wo der Ball ist, und<br />
wenn du ihn mal kriegst, lauf damit los und hau<br />
ihn rein“, lautete die klare Anweisung unseres<br />
„Trainers“ Charly.<br />
Bei unserem ersten Spiel im Kreuznacher<br />
Moebus-Stadion stellten wir schnell fest, dass wir<br />
es mit recht professionell kickenden Gegenspielern<br />
zu tun hatten. Trotzdem gab ich alles, zumal<br />
meine Freundin vom Spielfeldrand aus zuschaute.<br />
Doch auch dieser Support half nichts. Nicht,<br />
dass ich konditionell schwächelte oder es am<br />
körperlichen Einsatz fehlen ließ, aber Charlys<br />
Anweisungen kamen nicht in meinen Füßen an.<br />
Es überstieg das Vorstellungsvermögen meiner<br />
Gegenspieler, dass ich – weitab von einem möglichen<br />
Ballkontakt – rein durch pures koordinatives<br />
Unvermögen scheinbar äußerst zielsicher mit sehr<br />
gekonnten Schienbeinsicheln einen Gegenspieler<br />
nach dem anderen ummähte. Eine drohende<br />
Massenschlägerei konnte nur durch den einstimmigen<br />
Entschluss beider Teams vermieden werden,<br />
auf meinen weiteren Einsatz zu verzichten.<br />
Das nächste Spiel bestritt ich als<br />
Schlussmann, doch auch auf dieser Position<br />
brachte ich meiner Elf kein Glück. Aus Mitleid<br />
stellte sich schließlich sogar der gegnerische<br />
Keeper in unseren Kasten und verhinderte so<br />
unsere unterirdisch zweistellige Niederlage.<br />
Doch meine fußballerische Laufbahn war<br />
noch nicht zu Ende. Als Offizieranwärter der<br />
Bundeswehr war ich zur Teilnahme an dem<br />
Mannschaftsspiel verpflichtet. Das Ergebnis<br />
waren stets stinksaure Gegenspieler und schenkelklopfende<br />
Ausbilder am Spielfeldrand. Zum<br />
Glück gab es damals noch kein „youtube“. Mein<br />
Sportlehrer an der Offizierschule bestätigte mir in<br />
meinem Zeugnis einen „kraftvollen und willensstarken“<br />
Einsatz.<br />
Später musste ich als Kompaniechef bei<br />
Benefizturnieren mit Mannschaften befreundeter<br />
JUNGE,<br />
DAS IST NICHTS<br />
FÜR DICH,<br />
DAS MACHEN<br />
NUR DIE JUNGS<br />
AUS DEM<br />
DORF.<br />
GEH TURNEN.<br />
Klaus Schneiders Mutter zu den<br />
Fußball-Anfängen ihres Sohnes<br />
Streitkräfte meine Mannschaft als Kapitän auf<br />
den Platz führen. So verlangte es der Brauch.<br />
Doch nach dem ersten Turnier mit amerikanischen<br />
Kampftauchern und französischen Pionieren<br />
wurde der Bruch mit der dreißigjährigen Tradition<br />
meiner Einheit stillschweigend vollzogen. Fortan<br />
unterstützte ich meine Truppe nur noch vom<br />
Spielfeldrand aus.<br />
Erst zwanzig Jahre später erfasste auch<br />
mich die Welle, die unsere liebenswerte<br />
Landeshauptstadt Mainz ins Rampenlicht der<br />
Fußballwelt rückte. Eine Welle, die bis heute für<br />
Fairness, Mannschaftsgeist, Gastfreundschaft und<br />
Lebensfreude steht. Die Initialzündung für meine<br />
wundersame Wandlung lieferte mein alter Freund<br />
Michael, als er mich 2008 zum ersten Mal mit<br />
an den Bruchweg schleppte und ich mich stehend<br />
auf der Lotto Rheinland Pfalz-Tribüne wiederfand.<br />
Um mich herum zwanzigtausend Verrückte. Alte,<br />
Junge, Krawattenträger und Altrocker, Großmütter<br />
und Businessladies, Urenkel, Mandatsträger (ausgenommen<br />
Kurt Beck), Ökofreaks, Hausfrauen,<br />
Direktoren, Biertrinker, Schampussäufer und<br />
natürlich ein Kardinal johlten, kreischten, lachten,<br />
stöhnten, stritten, buhten, sangen, weinten,<br />
klatschten, mit einem Wort – alle hatten Spaß.<br />
Meine Töchter reagierten zunächst fassungslos,<br />
wenn ich mich in meinem „Fan Ornat“<br />
auf den Weg machte: „Mama, guck mal, was<br />
der schon wieder anhat.“ Ja, zwischenzeitlich<br />
verleihe ich nämlich längst nicht allein mit der<br />
Badeente meiner Begeisterung Ausdruck, sondern<br />
unter anderem auch mit Autoaufkleber, diversen<br />
Schals und Kappen, aktuellem Trikot, Jacken für<br />
jedes Stadionwetter, Kaffeehumpen, Eierbecher,<br />
Espressotassen, Eieruhr, Weizenbiergläser,<br />
05er Hintergrundlogo auf dem Handy, 05er<br />
Klingelton, CD mit 05er Fangesang, Buch über<br />
die Vereinsgeschichte, 05er Kulturbeutel, und<br />
was der Fanartikelkatalog sonst noch so her<br />
gibt…<br />
Diese Welle sorgte dafür, dass ich fieberte,<br />
ob der Noveski oder der Ivanschitz wieder fit<br />
waren. Durch sie erlebte ich Elkin Sotos Unfall<br />
und sein gefeiertes Comeback, interessierte mich<br />
dank „unseres Baumis“ für Spiele der österreichischen<br />
Nationalelf.<br />
Sie sorgte dafür, dass ich es genoss, bei<br />
einer Stadionführung in der neuen COFACE Arena<br />
einmal durch die „heiligen Hallen“ einzulaufen<br />
und auf Tuchels Stuhl Platz zu nehmen.<br />
Sie sorgt dafür, dass ich in unserer OPEL<br />
ARENA von meinem Dauerplatz im Bereich<br />
unseres Fanclubs „Mainzigartig“ das Spiel des<br />
„Kopfballwunders“ Pablo de Blasis begeistert<br />
verfolge.<br />
Sie sorgte sogar dafür, dass ich durch das „FC<br />
Bayern Stirnband“ einer Südtiroler Bergsteigerin<br />
die letzten Meter zum Gipfel des höchsten Bergs<br />
Südtirols doch noch schaffte.<br />
Die Welle sorgt auch dafür, dass ich nach<br />
einem Sieg meiner 05er ein entspannendes Bad<br />
genieße und sorgsam darauf achte, dass meine<br />
05er Ente nicht zu weit raus schwimmt, denn<br />
Mann weiß ja nie.<br />
Mein Freund, Geschäftspartner und<br />
Bayernfan Thomas hat auch nach meiner mittlerweile<br />
fast zehnjährigen „05er Begeisterung“<br />
Recht, wenn er sagt: „Du hast keine Ahnung<br />
vom Fußball.“ Ist mir aber auch so was von<br />
egal. Ich bin Meenzer, das langt. Die Faszination<br />
FSV Mainz 05 ist der Beweis, dass auch Mütter<br />
irren können.<br />
Danke, Michael.