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blu Juni 2017

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MUSIK<br />

Fünf Jahre ist das letzte<br />

Gossip-Album schon her.<br />

Frontfrau und Stil-Ikone Beth Ditto<br />

(36) verdingte sich zwischenzeitlich<br />

als Modedesignerin und hat in der<br />

Musikszene schmerzlich gefehlt,<br />

denn natürlich ist die wuchtige<br />

Sängerin mit der Mega-Stimme<br />

durch niemanden zu ersetzen! Bevor<br />

die Welt noch weiter aus den Fugen<br />

gerät, gibt sie uns mit „Fake Sugar“<br />

ihr erstes Soloalbum an die Hand.<br />

Und wie das bei Zucker so üblich ist,<br />

ist auch hier der Suchtfaktor groß.<br />

Willkommen zurück, Beth Ditto!<br />

Beth, wie fühlst du dich, nun als<br />

Solo-Künstlerin unterwegs zu sein?<br />

Erwachsener und echt gut. Aber so viel<br />

hat sich für mich gar nicht geändert. Ich<br />

habe auch bei Gossip die meiste Zeit in<br />

Interviews geredet. Was mir allerdings<br />

fehlt, sind die Insider-Witze, die ich mit<br />

den anderen seit Jahren hatte und die<br />

man nun mal nicht mit jedem teilen kann.<br />

Warum haben sich Gossip überhaupt<br />

aufgelöst?<br />

Unser Gitarrist Nathan zog zurück nach<br />

Arkansas. Das ist superweit weg von Portland,<br />

wo ich heute wohne, und es schien<br />

irgendwie unmöglich, Treffen zu arrangieren.<br />

Ich hatte auch keine Lust, wieder<br />

länger dort abzuhängen, wo ich aufgewachsen<br />

bin. Es hat ja Gründe, warum ich<br />

nicht mehr in Arkansas lebe. Irgendwie<br />

hat es nicht mehr funktioniert.<br />

Und dann hast du deine eigene<br />

Platte aufgenommen?<br />

Ich habe mich zwei Jahre wirklich<br />

bemüht, ein neues Gossip-Album zu<br />

machen. Da war auch viel Druck. Doch<br />

die Songs, die dabei rauskamen, waren so<br />

anders. Bei Nathan klang alles immer cool,<br />

darin war er echt gut. Ich heulte rum, dass<br />

ich keine guten Lieder mehr schreiben<br />

kann. Bis andere mir sagten: „Die Songs<br />

sind gut, es sind nur keine Gossip-Songs<br />

mehr.“ Ich fühlte mich lange Zeit schlecht<br />

deswegen, aber ich hatte so lange auf<br />

Nathan gewartet. Und Gossip waren so<br />

auch nicht länger tragbar.<br />

In dem Video zu „Fire“ siehst du in<br />

deinem Anzug aus wie die weibliche<br />

Version von Elvis Presley.<br />

Ja, wie der fette Elvis! Das ist die Elvis-<br />

Phase, die ich eh am interessantesten<br />

finde. Wobei die eigentliche Inspiration<br />

für das Video war, das Aussehen und die<br />

Attitüde von Dolly Parton mit den Anzügen<br />

von Gram Parsons und dem Make-up<br />

von PJ Harvey zu verbinden. Ich wollte es<br />

glamourös haben.<br />

Du bist in den Südstaaten der USA<br />

aufgewachsen. Lebst du diese Seite<br />

in deinen neuen Powerpop-Songs<br />

aus? Die Country- und Blues-Einflüsse<br />

sind ja unüberhörbar.<br />

Diese Seite an mir gab es schon immer.<br />

Aber es stimmt, das Album ist eine Reise<br />

zu meinen Wurzeln. Country und Hip-<br />

Hop ist die Musik, die ich schon früher am<br />

meisten geliebt habe. Wenn ich morgens<br />

aufstehe und mir einen Kaffee mache,<br />

höre ich auch heute noch am liebsten<br />

Patsy Klein. Das bringt mich gut drauf und<br />

lässt mich zu Hause fühlen.<br />

War als Kind schon viel Musik um<br />

dich rum?<br />

Oh ja. Meine Mum war für den Rock ’n’<br />

Roll in unserem Haushalt zuständig, mein<br />

Dad liebte Country und Disco. Er hat<br />

mich immer in die Honky-Tonks mitgeschleppt.<br />

Das sah dann so ähnlich aus<br />

wie im Clip zu „Fire“. Es war toll, aber der<br />

Süden der USA ist leider auch schrecklich<br />

konservativ geprägt. Ich bin lange Zeit vor<br />

all dem weggelaufen, in meinen Zwanzigern<br />

versuchte ich regelrecht, darüber<br />

hinwegzukommen. Aber diesmal wollte<br />

ich die Vergangenheit umarmen. Ich habe<br />

meinen Frieden damit gemacht.<br />

Du hast sechs Geschwister. Wie haben<br />

die eigentlich reagiert, als ihre<br />

feministische, lesbische Schwester<br />

in Spandex-Höschen den Durchbruch<br />

als Sängerin schaffte?<br />

Die waren nicht überrascht, dass es so<br />

gekommen ist. Dass ich lesbisch bin und<br />

mit meiner Meinung nicht hinterm Berg<br />

halte, wussten eh alle. Familien aus den<br />

Südstaaten halten zusammen und sind<br />

sehr herzlich miteinander.<br />

Im Sommer 2013 hast du deiner<br />

langjährigen Freundin Kristin Ogata<br />

auf Hawaii das Jawort gegeben.<br />

Hast du dir die Ehe so vorgestellt?<br />

Mittlerweile sind wir in der Normalität<br />

angekommen, aber die ersten zwei Jahre<br />

waren echt hart. Ich habe mich darüber<br />

erst kürzlich mit einem schwulen Mann<br />

ausgetauscht. Bei dem war es genauso.<br />

Das hat mich etwas beruhigt.<br />

Was war denn so hart?<br />

Kristin und ich mussten uns noch mal neu<br />

kennenlernen. Der große Unterschied ist,<br />

dass wir vorher nicht unter einem Dach<br />

gewohnt haben. Wir haben uns als Ehefrauen<br />

überhaupt nicht respektiert: ich<br />

sie nicht, sie mich nicht. Wir respektierten<br />

uns eher wie Freunde, die man als selbstverständlich<br />

betrachtet. Doch seinen<br />

Partner sollte man anders behandeln als<br />

einen Freund.<br />

Jetzt erklärt sich auch, warum auf<br />

der Platte so viel Herzschmerz ist.<br />

Ja, man könnte fast meinen, ich wäre<br />

schon wieder getrennt, oder? Die Arbeit<br />

an dem Album erstreckte sich über mehrere<br />

Jahre. Ich glaube, der Trennungsgedanke<br />

geisterte zeitweise durch meinen<br />

Kopf. Es gibt einen Song, der heißt „In And<br />

Out“. Darin geht es genau darum – sich<br />

in eine Beziehung zu begeben, aber von<br />

der Liebe auch immer wieder Abstand zu<br />

nehmen. So ist das in einer Ehe.<br />

Ihr habt dann sogar am 31. Dezember<br />

2014 ein zweites Mal geheiratet,<br />

kurz nachdem im US-Bundesstaat<br />

Oregon gleichgeschlechtliche<br />

Ehen legalisiert wurden. War dir das<br />

als Statement wichtig?<br />

Ich würde mir das Statement ja gerne auf<br />

die Fahne schreiben. Aber ehrlich gesagt,<br />

ging es mir nicht um ein Statement. Ich<br />

wollte einfach heiraten und es amtlich<br />

machen. Heiraten war immer schon ein<br />

großer Wunsch von mir. Vielleicht würde<br />

man das so nicht vermuten, weil es<br />

viele Seiten an mir gibt, die so gar nicht<br />

traditionell sind. Aber es gibt eben auch<br />

die andere Beth, die fast schon lächerlich<br />

traditionell ist.<br />

Und das äußert sich wie?<br />

Ach, es fängt schon mit der Art an, wie ich<br />

Weihnachten zelebriere. Ich glaube zwar<br />

nicht an Gott, aber an Weihnachtsbäume,<br />

Geschenke und jede Menge Schokolade.<br />

*Interview: Katja Schwemmers<br />

„Fake Sugar“-Tour:<br />

21.9. Berlin, Huxleys Neue Welt<br />

26.9. Köln, E-Werk<br />

27.9. München, Muffathalle<br />

5.10. Frankfurt, Batschkapp

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