Frankfurt - Strandgut
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Film<br />
25. exground filmfest<br />
16.–25. November 2012 in Wiesbaden<br />
Wie doch die Zeit vergeht! Jetzt<br />
kommt also die 25. Ausgabe des<br />
wichtigsten Publikumsfestivals in<br />
unserer Region und zugleich ältesten<br />
Filmfestivals in Wiesbaden.<br />
Auch mit den 30.000 (Kurz- und<br />
Lang-)Filmen aus 80 Ländern, die<br />
eingereicht wurden, (20 Prozent<br />
mehr als im vorigen Jahr) ist ein<br />
neuer Höchststand erreicht. 250<br />
unabhängige Produktionen wurden<br />
ausgewählt. Zum Jubiläum<br />
gibt es außerdem noch einmal die<br />
Highlights der vergangenen Festivalausgaben,<br />
worauf alle Freunde<br />
des Festivals und Filminteressierte<br />
schon jetzt gespannt sein dürfen.<br />
Zusätzlich erwartet die Zuschauer<br />
ein buntes Rahmenprogramm: Die<br />
Berliner Filmemacherin und ehemalige<br />
Preisträgerin des ON-VIDEO-<br />
Wettbewerbs Marion Pfaus lädt<br />
zu einer rasanten Bild- Lese-Performance,<br />
der einstige exground-Gast<br />
Karl Nussbaum präsentiert seine<br />
Videoperformance »Hilbert Space«<br />
erstmals bei einem internationalen<br />
Filmfestival, und eine Fotoausstellung<br />
zu Rudi Weissenstein – einem<br />
der bedeutendsten Chronisten<br />
Israels – knüpft thematisch an den<br />
Länderschwerpunkt des Vorjahres<br />
an. Der Länderschwerpunkt ist<br />
diesmal der Schweiz gewidmet<br />
So wird denn auch zur Eröffnung<br />
das mehrfach ausgezeichnete, in<br />
der Schweiz produzierte Drama<br />
»Summer Games« (Giochi d’estate)<br />
gezeigt.<br />
Tricks in Teheran<br />
»Argo« von Ben Affleck<br />
Im Jahr 1979 haben die Revolutionstruppen<br />
die Macht im Iran übernommen.<br />
Der gestürzte Schah ist<br />
in die USA geflohen, die eine Auslieferung<br />
verweigern. Daraufhin<br />
stürmt eine wütende Menge die<br />
amerikanische Botschaft in Teheran<br />
und nimmt 52 US-Diplomaten als<br />
Geiseln. Sechs Amerikanern gelingt<br />
es, durch eine Hintertür zu fliehen<br />
und in der kanadischen Botschaft<br />
unterzutauchen. Jetzt ist es nur<br />
eine Frage der Zeit, bis die Revolutionstruppen<br />
das Fehlen der sechs<br />
6 | <strong>Strandgut</strong> 11/2012<br />
Das weitere Programm von exground<br />
gliedert sich in die Sektionen<br />
American Independents mit<br />
den neuen Filmen von Francis Ford<br />
Coppola (»Twixt«) und William<br />
Friedkin (»Killer Joe«), International<br />
mit »Amok« von Lawrence Anthony<br />
Fajardo über einen Amoklauf in<br />
Manila, Neues aus Deutschland<br />
mit »Wenn man es versteht, ist es<br />
zu spät«, der Dokumentation von<br />
Hartmut Jahn über die vor 50 Jahren<br />
in Wiesbaden initiierte Fluxus-<br />
Bewegung (Welturaufführung) und<br />
die exground youth days mit »Fliegende<br />
Fische müssen ins Meer« von<br />
Güzin Kar und »Festung« von Kirsi<br />
Marie Liimatainen.<br />
Das Genre Kurzfilm genießt in<br />
Wiesbaden besondere Bedeutung:<br />
vor jedem Langfilm wird eine Kurzfilmproduktion<br />
gezeigt, und dem<br />
Kurzfilm sind eigene Wettbewerbe<br />
und Programmreihen gewidmet.<br />
Zur 15. Auflage von KIMUAK, die<br />
jährlich die besten Kurzfilme aus<br />
dem Baskenland präsentieren,<br />
zeigt exground filmfest ein »Best<br />
of KIMUAK«. Kurzfilme aus ganz<br />
Deutschland präsentiert der<br />
renommierte Deutsche Kurzfilm-<br />
Wettbewerb, der seit 1993 als einer<br />
der Höhepunkte des Programms<br />
gilt und mit Preisgeldern von insgesamt<br />
8.000 € lockt.<br />
Zentrum des Festivals ist erneut die<br />
Caligari Filmbühne am Wiesbadener<br />
Marktplatz.<br />
cw<br />
D A S K U L T U R M A G A Z I N<br />
P R E V I E W<br />
für <strong>Frankfurt</strong><br />
und Rhein-Main<br />
bemerken. Ben Affleck hat aus<br />
dieser Geschichte einen spannenden<br />
und hochgelobten Politthriller<br />
gemacht.<br />
Wir verlosen 10 × 2 Freikarten für<br />
die Preview am Mittwoch, dem<br />
7. November, um 20:30 Uhr im Cinema<br />
an der Hauptwache. Es läuft<br />
die Originalfassung mit dt. Untertiteln.<br />
Rufen Sie uns am Di., dem<br />
6.11., um 10 Uhr unter der Tel.-Nr.<br />
069/97 07 41 99 an. Wer bei dieser<br />
Aktion leer ausgeht, kann eine Karte<br />
an der Kasse erwerben.<br />
Es gibt Tage, da sollte man besser im Bett bleiben: die<br />
schwarzweiße Komödie »Oh Boy« schickt einen ziellosen Slacker<br />
auf eine witzige Odyssee durch Berlins Merkwürdigkeiten. So<br />
wird Niko die Karte eingezogen, als er Geld vom Automaten<br />
abheben will. Und es wird nicht die letzte Ohrfeige sein, die er<br />
an diesem Tag einstecken muß.<br />
Der ratlose Flaneur<br />
»Oh Boy« von Jan Ole Gersten<br />
Doch noch geht es Niko nicht<br />
schlecht genug, daß er sein Leben<br />
ändert. Der Endzwanziger und abgebrochene<br />
Jurastudent treibt weiter<br />
wie Falschgeld durch die Stadt,<br />
bis ihm eine nächtliche Begegnung,<br />
so deutet es diese dezente kleine<br />
Komödie jedenfalls an, den entscheidenden<br />
Schubs versetzt.<br />
Erbarmen! Noch‘n Film über einen<br />
narzisstischen Rumhänger im<br />
Berliner Kreativ-Prekariat? Man<br />
geht genervt rein – und ziemlich<br />
begeistert wieder raus. Das Regiedebüt<br />
von Jan Ole Gerster ist eine<br />
sich über 24 Stunden erstreckende,<br />
fast traumwandlerisch stilsichere<br />
Odyssee durch die kleinen Untiefen<br />
der Metropole. Nikos Begegnungen<br />
wirken wie frisch improvisiert – bis<br />
man merkt, daß hier nicht nur eine<br />
Riege von Charakterdarstellern<br />
die Gelegenheit für kleine Kabinettstückchen<br />
nutzt, sondern mit<br />
schöner Beiläufigkeit etwas Wesentliches<br />
übermittelt wird. Wenn<br />
es nicht so vermessen wäre, das<br />
disparate Berlin mit dem strahlenden<br />
Paris zu vergleichen, so könnte<br />
man fast eine nouvelle-vague-hafte<br />
Stimmung konstatieren.<br />
Tom Schilling gibt einen Flaneur,<br />
der nicht weiß, was er mit sich anfangen<br />
soll, und der auf andere wie<br />
eine weiße Wand wirkt, auf der sie<br />
ihren Abdruck hinterlassen müssen.<br />
Morgens steigt er still aus dem<br />
Bett der Ex-Freundin, um anschließend<br />
beim »Idiotentest« auf der<br />
Behörde von einem angriffslustigen<br />
Psychologen rundgemacht zu werden:<br />
den Führerschein, wegen Alkohol<br />
entzogen, bekommt er nicht zurück.<br />
Justus von Dohnányi gibt seinen<br />
schrägen Nachbar, der sich kurz<br />
bei ihm ausheult, Marc Hosemann<br />
seinen Kumpel, einen arbeitslosen<br />
TIP<br />
Schauspieler, Ulrich Noethen den<br />
gestreßten Managervater, der seinem<br />
mißratenen Balg noch einen<br />
Tausender ‚rüberschiebt, bevor er<br />
ihn aus seinem Leben kickt, Michael<br />
Gwisdek einen besoffenen Bargast,<br />
der kurz vor knapp eine Beichte<br />
ablegt. Zwei U-Bahnkontrolleure,<br />
der Besuch des Filmsets einer Nazi-<br />
Schmonzette, das Wiedersehen mit<br />
einer ehemaligen Mitschülerin, die<br />
jetzt »was mit Theater« macht: die<br />
Episoden sind von jenem trockendistanzierten<br />
Humor geprägt, der<br />
aus der genauen Beobachtung,<br />
dem genauen Hinhören, erwächst.<br />
Doch der Streifzug geht auch unter<br />
die Oberfläche, wenn Niko mit den<br />
Sünden seiner Vergangenheit und<br />
auch mit der Tragik konfrontiert<br />
wird, die wie ein Schatten über<br />
der Stadt liegt und ihre Identität<br />
mitprägt.<br />
Als roter Faden und Running Gag<br />
dient Nikos Suche nach einem »normalen«<br />
Kaffee. Doch in dem von<br />
tüchtigen Schwaben gentrifizierten<br />
Mitte-Biotop mit den chromglänzenden<br />
Cappuccino-Tempeln kriegt<br />
ein Loser wie er keinen Fuß mehr<br />
auf den Boden. So stellt diese Komödie<br />
auch einen Abgesang auf<br />
das Berlin der »Herr Lehmanns«<br />
und seiner Nachfolger dar, deren<br />
Lack als beneidenswerte Lebenskünstler<br />
in jenem Maße abblättert,<br />
in dem die ranzigen Idyllen von<br />
anno ‚89 aufgemöbelt werden.<br />
Birgit Roschy<br />
OH BOY<br />
von Jan Ole Gerster, D 2012, 85 Min.<br />
mit Tom Schilling, Marc Hosemann, Friederike<br />
Kempter, Inga Birkenfeld, Mayra<br />
Wallraff<br />
Drama / Start: 01.11.2012<br />
★★★★✩