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Vom Verbot zur Gleichberechtigung - Hirschfeld-Eddy-Stiftung

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Zum Glück erwies sich das BVerfG wiederum (wie noch oft in der Folgezeit) als „Helferin“<br />

der Betroffenen. Die Verfassungsbeschwerde einer 21 Jahre alten geschlechtsanpassend<br />

operierten Mann-<strong>zur</strong>-Frau-Transsexuellen hatte Erfolg. Mit Beschluss<br />

vom 16. März 1982 (Az 1 BvR 938/81) entschied das Gericht, dass die<br />

Altersgrenze von 25 Jahren bei der großen Lösung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar<br />

und daher nichtig ist. Es galt auch keine ersatzweise niedrigere Altersgrenze, sodass<br />

im Extremfall auch Minderjährige (mit Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter) die<br />

rechtliche Anerkennung ihrer neuen Geschlechtszugehörigkeit erreichen konnten.<br />

Zur Begründung führte das BVerfG aus, wenn der Gesetzgeber die geschlechtsanpassende<br />

Operation nicht an ein Mindestalter binde, habe er bei der Folgeregelung,<br />

der rechtlichen Anerkennung der neuen Geschlechtszugehörigkeit, keinen Gestaltungsspielraum<br />

mehr für die Festlegung einer Altersgrenze.<br />

Mit Beschluss vom 26. Januar 1993 (Az 1 BvL 38/92, 40/92 und 43/92) erklärte das<br />

BVerfG dann auch die Altersgrenze von 25 Jahren bei der kleinen Lösung für mit Art.<br />

3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig. Auch in diesem Bereich galt keine ersatzweise<br />

niedrigere Altersgrenze.<br />

Diese Entscheidung enthält grundlegende Ausführungen zum Verständnis des<br />

Gleichheitssatzes. Der Gesetzgeber unterliege einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse,<br />

wenn es sich um die Ungleichbehandlung von Personengruppen<br />

handele, wenn die Betroffenen nicht in der Lage seien, durch ihr Verhalten<br />

die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden<br />

werde, oder wenn sich die Ungleichbehandlung nachteilig auf die Ausübung grundrechtlich<br />

geschützter Freiheiten auswirken könne (BVerfG NJW 1993, S. 1517).<br />

4. Recht auf die dem Zugehörigkeitsempfinden entsprechende Anrede schon<br />

mit der bloßen Vornamensänderung<br />

Mit Beschluss vom 15. August 1996 (Az 2 BvR 1833/95) entschied das BVerfG, dass<br />

Transsexuelle bereits nach einer Vornamensänderung aufgrund von Art. 2 Abs. 1 GG<br />

in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG Anspruch darauf haben, entsprechend ihrem<br />

Zugehörigkeitsempfinden angeredet und angeschrieben zu werden. Eine sehr<br />

wichtige Entscheidung im Zeitalter der Computerisierung, in der viele Behördenschreiben,<br />

wie zum Beispiel Wahlbenachrichtigungen, im zentral gesteuerten Massenversand<br />

erfolgen und die Anrede „Herr“ oder „Frau“ automatisch nach der im<br />

Melderegister gespeicherten, also der personenstandsrechtlichen Geschlechtszugehörigkeit<br />

erfolgt, die ja durch die Vornamensänderung nicht geändert wird. Briefe

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