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Vom Verbot zur Gleichberechtigung - Hirschfeld-Eddy-Stiftung

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09 | Gibt es eine richtige Rechtsprechung in der falschen? Ein Versuch<br />

141<br />

Das Gericht benötigt hier nur einen Zwischensatz, um die nicht ganz so eindeutig<br />

schicksalhaft zufallenden Merkmale „Religion“ und „Politische Überzeugung“ unter<br />

den Tisch fallen und damit die Argumentation, die asylrechtlich geschützte Homosexualität<br />

sei nur die unentrinnbare, schicksalhafte, schlüssig scheinen zu lassen.<br />

Unter dieser Ungenauigkeit leidet nicht nur die Überzeugungskraft des Urteils. Hätte<br />

das Gericht die Vergleichsmerkmale „Religion“ und „Politische Überzeugung“<br />

nicht ausgeblendet, hätte sich – wie bei diesen Merkmalen auch – die Frage aufgedrängt,<br />

ob und inwiefern es zumutbar ist, sich politischer Verfolgung durch diskretes<br />

Verhalten zu entziehen. Die Frage, ob es zumutbar ist, sich so zu verhalten, dass<br />

die Homosexualität nicht offenbar wird, wird vom BVerwG nicht erörtert. Das Gericht<br />

begnügt sich vielmehr mit der Feststellung, die „mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit<br />

zu erwartende homosexuelle Betätigung des Klägers werde den iranischen<br />

Strafverfolgungsbehörden aller Voraussicht nach auch bekannt werden“. 14 Gleichwohl<br />

folgern Verwaltungsgerichte bis heute daraus, dass das BVerwG die Unentrinnbarkeit<br />

der homosexuellen Veranlagung für erforderlich hält, dass auch die Verfolgung<br />

unentrinnbar sein muss, also nicht etwa durch diskretes Verhalten vermieden<br />

werden kann – mit zum Teil geradezu abenteuerlichen Anforderungen an die danach<br />

zu wahrende Diskretion. 15 Ob dies vom BVerwG so gewollt war, ist nicht sicher.<br />

Festzustellen ist jedoch, dass es mit der Forderung nach einer Unentrinnbarkeit der<br />

homosexuellen Veranlagung und der fragwürdigen Herleitung dieser Forderung die<br />

Rechtsprechung, wonach Homosexualität in größtmöglicher Diskretion zu leben<br />

sei, begünstigt hat.<br />

Neben den in der Person des Klägers begründeten besonderen Umständen beruft<br />

sich das BVerwG <strong>zur</strong> Abgrenzung politischer Verfolgung von einer nur aus Gründen<br />

der öffentlichen Moral drohenden Bestrafung auf besondere Umstände, die sich<br />

„aus den gegenwärtigen politischen Verhältnissen im Iran ergeben“. 16 Diese sieht<br />

das Gericht zum einen darin, dass die im Iran drohende Todesstrafe „nicht bloß in<br />

einem von der Rechtsordnung der Bundesrepublik noch hinnehmbaren Maße besonders<br />

streng, sondern offensichtlich unerträglich hart [...] und unter jedem denk-<br />

.............................................................................................................................................................................................................................................................................<br />

12 Einmal abgesehen davon, dass sie die Sexualität in unzulässiger Weise auf den Sexualakt reduzieren. Und abgesehen<br />

davon, dass Unumkehrbarkeit Verkehrtheit assoziieren lässt und Unentrinnbarkeit Verderben. Und abgesehen<br />

davon, dass das Gericht sich nicht damit beschäftigt, ob das Konzept einer schicksalhaften Homosexualität im<br />

Gegensatz zu einer bloßen Neigung, der mehr oder weniger beliebig nachgegangen oder nicht nachgegangen<br />

werden kann, in den nichtjuristischen Wissenschaften, die sich mit Sexualität beschäftigen, ebenfalls vertreten<br />

wird. | 13 BVerwGE 79, 143, 146. | 14 Ebenda 152. | 15 Vgl. die Fallbeispiele bei Markard/Adamietz und Kleine Anfrage<br />

DIE LINKE, Anm. 7. | 16 BVerwGE 79, 143, 150.

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