Vom Verbot zur Gleichberechtigung - Hirschfeld-Eddy-Stiftung
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Christine Lüders<br />
02 | Antidiskriminierung –<br />
Rechtsanspruch und Wirklichkeit<br />
Am 18. August 2006 trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft.<br />
Vorausgegangen waren eine jahrelange, außergewöhnlich heftige Kontroverse und<br />
hinhaltender Widerstand der Gegner eines gesetzlichen Diskriminierungsverbotes.<br />
Es brauchte drei Legislaturperioden, zwei unterschiedliche Regierungslager, drei<br />
fehlgeschlagene Anläufe und die Androhung von Strafzahlungen durch die EU-<br />
Kommission, bis die Umsetzung der europäischen Gleichbehandlungsrichtlinien in<br />
deutsches Recht erfolgen konnte. Die Gegner des Gesetzes, vor allem aus wirtschaftsnahen<br />
Kreisen, malten Schreckensszenarien an die Wand: milliardenschwere<br />
Bürokratiekosten, Klagewellen und das Ende der Vertragsfreiheit.<br />
Bürgerrechtsorganisationen, die sich beispielsweise für die Gleichstellung der Geschlechter,<br />
für Integration und für die <strong>Gleichberechtigung</strong> sexueller Minderheiten<br />
einsetzten, verbanden mit der Umsetzung des europäischen Gleichbehandlungsrechts<br />
in Deutschland hohe Erwartungen. Endlich sollte es möglich sein, gegen<br />
Diskriminierungen bei Beschäftigung, Beruf und Alltagsgeschäften vorzugehen, die<br />
bisher hingenommen werden mussten.<br />
Das Gesetz sollte auch eine Grundlage dafür bieten, präventiv gegen Benachteiligung<br />
vorzugehen und diskriminierende Strukturen dauerhaft zu überwinden.<br />
Damit sollte eine Lücke geschlossen werden. Das Grundgesetz verbietet in Art. 3 die<br />
Benachteiligung aufgrund des Geschlechts, der Abstammung, der Rasse, der Sprache,<br />
der Heimat und Herkunft, des Glaubens oder der religiösen oder politischen<br />
Anschauungen. Im Jahre 1994 wurde dieser Grundgesetzartikel um das Benachteiligungsverbot<br />
von Menschen mit Behinderungen ergänzt.<br />
Diese grundgesetzlichen Benachteiligungsverbote gelten aber in erster Linie für das<br />
Handeln staatlicher Organe gegenüber Bürgerinnen und Bürgern. Auf das Verhältnis<br />
zwischen Privatparteien sind sie nur sehr eingeschränkt anwendbar. Bis zum Inkrafttreten<br />
des AGG gab es daher keine ausreichende gesetzliche Grundlage, um<br />
gegen Diskriminierung in der Arbeitswelt oder beispielsweise bei der Wohnungssuche<br />
und bei Versicherungsgeschäften vorzugehen.<br />
Für Lesben, Schwule und Transgender war die Einführung des AGG von besonderer<br />
Bedeutung, denn 14 Jahre nach Streichung des §175 wurde damit zum ersten Mal<br />
gesetzlich festgeschrieben, dass Benachteiligung aufgrund der sexuellen Identität<br />
einen Gesetzesverstoß darstellt.<br />
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