Vom Verbot zur Gleichberechtigung - Hirschfeld-Eddy-Stiftung
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04 | Von der „Aktion Standesamt“ über die Eingetragene Lebenspartnerschaft<br />
<strong>zur</strong> Öffnung der Ehe<br />
Debatte aus – in der Lesben- und Schwulenbewegung und immer mehr auch in der<br />
allgemeinen Öffentlichkeit. Unter Lesben und Schwulen war die Forderung nach<br />
Öffnung der Ehe umstritten. Manche sahen darin „Verbürgerlichung“, „Verspießerung“<br />
und Anpassung an Heterosexuelle und plädierten dafür, sich lieber für die Abschaffung<br />
der Ehe zu engagieren. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums<br />
witterten Konservative den Untergang des Abendlandes, wenn lesbische und<br />
schwule Paare heiraten könnten. Sie sahen das heilige Institut der Ehe entwertet.<br />
Unser Argument war dagegen, dass Homosexuelle nicht als Bürgerinnen und Bürger<br />
zweiter Klasse behandelt werden dürfen und ihr individuelles Recht auf Nicht-<br />
Diskriminierung Vorrang vor Lebensentwürfe normierenden Ideologien aller Art<br />
haben sollte. Denn beiden Seiten der Gegnerschaft war gemein, dass sie den schwulen<br />
und lesbischen Paaren im Namen des rechten politischen Glaubens vorschreiben<br />
wollten, wie sie zu leben hätten. 2<br />
Mit dem SVD gründete sich 1990 eine Organisation, die die rechtliche Anerkennung<br />
zu einem Schwerpunkt ihrer Politik machte. 1994 nahmen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
die Forderung nach der Öffnung der Ehe erstmals explizit 3 in ihr Bundestagswahlprogramm<br />
auf. Es dauerte lange, bis andere Parteien diese Forderung ebenfalls aufgriffen.<br />
Heute treten auch die SPD, die LINKE und die FDP für eine völlige Gleichstellung<br />
homosexueller Paare und die Öffnung der Ehe ein.<br />
Der Kampf um die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare war auf vielen Ebenen<br />
zu führen: in der Lesben- und Schwulenbewegung zunächst, dann in der Gesellschaft,<br />
in den Medien, im Internet, in der juristischen Fachliteratur und in parlamentarischen<br />
Anhörungen und vor den Gerichten. An allen Kampfplätzen und in allen<br />
entscheidenden Auseinandersetzungen hatten der LSVD, und allen voran Manfred<br />
Bruns, eine entscheidende Rolle – als Interviewpartner, als Lobbyist, Entwerfer von<br />
Musteranträgen, als Webmaster und Autor, als manchmal zorniger, immer standfester<br />
und resoluter, erfahrener Jurist und selbstbewusster schwuler Mann. Und mir<br />
selbst nicht selten auch als geschätzter Ratgeber.<br />
Der Versuch, die Öffnung der Ehe vor dem Bundesverfassungsgericht einzuklagen,<br />
scheiterte zunächst. Das Gericht bemängelte in seinem Nichtannahmebeschluss,<br />
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1 BT-Drucksache 11/7197. | 2 Vgl. auch Bruns, Manfred/Beck, Volker: „Das Eheverbot der Gleichgeschlechtlichkeit“. In:<br />
Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR) 1991. S. 832 ff. | 3 1990 forderten Die GRÜNEN allerdings schon im Programm<br />
<strong>zur</strong> Bundestagswahl, dass Homosexuelle „die gleichen Möglichkeiten <strong>zur</strong> Ausgestaltung ihrer Lebenspartnerschaft<br />
erhalten wie heterosexuelle Paare.“ http://www.boell.de/downloads/stiftung/1990_Wahlprogramm.pdf<br />
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