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Vom Verbot zur Gleichberechtigung - Hirschfeld-Eddy-Stiftung

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01 | Sexuelle Identität, Gleichheitssatz und Diskriminierungsverbot<br />

geln. 13 Im 2. Transsexuellen-Urteil macht es eine wichtige Präzisierung: Die Bindung<br />

des Gesetzgebers ist „um so enger, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale<br />

den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten (Diskriminierungsverboten) annähern und je größer<br />

deshalb die Gefahr ist, daß eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung <strong>zur</strong><br />

Diskriminierung einer Minderheit führt.“ 14<br />

Das ist bemerkenswert und folgenreich. In Ländern, in denen es nur einen allgemeinen<br />

Gleichheitssatz gibt, wie vor allem in den USA, hat die Rechtsprechung Fallgruppen<br />

entwickelt, die eine mehr oder weniger strenge Prüfung erfordern, letzteres<br />

insbesondere bei sogenannten „suspekten“ Unterscheidungen. In den meisten Staaten<br />

gilt aber heute ein Modell wie in Deutschland: Auch unter dem Einfluss von Diskriminierungsverboten<br />

des Völker- und Europarechts verbindet die Verfassung<br />

einen allgemeinen Gleichheitssatz mit einem mehr oder weniger umfassenden Katalog<br />

von spezifischen verbotenen Diskriminierungen. 15<br />

Das könnte ein Argumentum e Contrario nahelegen: Wenn die Verfassung selbst<br />

festlegt, welche Unterscheidungen suspekt sind, so könnte man argumentieren,<br />

dann bedürfen Unterscheidungen, die nicht darunter fallen, auch keiner besonderen<br />

Rechtfertigung, sondern unterliegen nur einer Willkürkontrolle. Das war in der<br />

Tat in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik herrschende Lehre und ist wohl<br />

gedanklich auch heute noch einflussreich. Das Bundesverfassungsgericht hat dem-<br />

gegenüber erkannt, dass es auch im Anwendungsbereich des Abs. 1 „suspekte“ Differenzierungen<br />

gibt.<br />

Der im 2. Transsexuellen-Urteil erstmals formulierte strenge Maßstab bei Differenzierungen,<br />

„die denen des Abs. 3 nahe kommen“, ist dabei besonders wichtig. Das<br />

Gericht verwendet die expliziten <strong>Verbot</strong>e des Abs. 3 damit gerade nicht als Argumentum<br />

e Contrario, sondern als Ausgangspunkt einer Analogie. In meiner Zeit<br />

im Senat haben wir das dann ähnlich für die sexuelle Orientierung in den Entscheidungen<br />

<strong>zur</strong> Altersversorgung 16 und Erbschaftssteuer bei Lebenspartnerschaften 17<br />

bestätigt. Auch die Entscheidungen über die Gleichbehandlung von Ausländern<br />

zum Kindergeld 18 und jüngst in der Entscheidung zum bayerischen Erziehungs-<br />

.............................................................................................................................................................................................................................................................................<br />

9 BVerfGE 49, 286. | 10 Ebenda, 300. | 11 BVerfGE 88, 87. | 12 BVerfGE 55, 72, 88. | 13 Bryde, Brun-Otto/Kleindiek,<br />

Ralf: „Der allgemeine Gleichheitssatz“. In: JURA 1999. S. 36,39 f. | 14 BVerfGE 88, 87, 96. | 15 Rechtsvergleichender<br />

Überblick über grundrechtliche Gleichheitsgarantien: Bryde, Brun-Otto/Stein, Torsten: „General Provisions Dealing<br />

with Equality“. In: Tushnet/Fleiner/Saunders (Hrsg.): Routledge Handbook of Constitutional Law. Erscheint 2012.<br />

16 BVerfGE 124, 199. | 17 BVerfGE 126, 400. | 18 BVerfGE 111, 160; ebenso 111, 176, Erziehungsgeld.<br />

17

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