VSAO JOURNAL Nr. 5 - Oktober 2017

FOKUS ▶ SAUBER
Überwachen und vorsorgen
Die Frage lautet nicht ob, sondern wann. Wann wird sich die saisonale Grippe, die alljährlich
auftritt, zu einer pandemischen Influenza auswachsen? 2009 war dies letztmals der Fall, wobei
die Pandemie glücklicherweise sehr mild ausfiel. Zum Schutz der Bevölkerung existiert ein
nationaler Influenzapandemieplan. Zu den Massnahmen gehört auch eine so simple Vorkehrung
wie die Handhygiene.
Dr. med. Anne Iten, Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP)
Heinrich Lehmann, MSc, MAE, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Bundesamt für Gesundheit BAG
Die saisonale Grippe, die durch die Influenzaviren
A oder B ausgelöst wird, tritt
jedes Jahr als Epidemie in variabler Intensität
auf und ist zeitlich und räumlich
begrenzt. Der Influenzavirus breitet sich
von einer Person zur nächsten aus, hauptsächlich
über Tröpfchen und durch direkten
Kontakt. Manchmal kann es zu einem
Antigenshift kommen, der zum Auftreten
eines neuen Virustyps führen kann. Gegen
diesen ist in der Regel ein Grossteil der
Bevölkerung nicht immun. Diese Art Ereignisse
betreffen nur das Influenza-A-
Virus und können zu einem massiven
Anstieg der Grippefälle weltweit führen:
die pandemische Influenza. Die Schweiz
ist in den letzten hundert Jahren fünfmal
von weltweiten Influenzapandemien erfasst
worden. 2009 war die letzte Pandemie,
die sich glücklicherweise als sehr
milde herausstellte.
Die nächste Pandemie ist schwer vorherzusagen:
Wir wissen nicht, wann und wo
sie auftreten wird, mit welcher Geschwindigkeit
sie sich ausbreiten wird und mit
welchem Schweregrad für die verschiedenen
Altersgruppen. In diesem Kontext
müssen wir uns auf den Kampf gegen die
nächste Influenzapandemie vorbereiten.
WHO und Schweiz
Die WHO muss weltweit die Führerschaft
über die globalen Gesundheitsfragen sicherstellen.
Ihre Aufgabe besteht darin,
das Risiko eines erneuten Auftretens einer
Pandemie einzuschätzen und die Leitlinien
der Strategien und Massnahmen
zur Pandemiebewältigung zu definieren.
Die Schweiz erlässt nationale Leitlinien.
Die Massnahmen ergeben sich aus dem
schweizerischen Epidemiengesetz sowie
aus der Struktur und den Kapazitäten des
schweizerischen Gesundheitssystems. Der
Influenzapandemieplan Schweiz zielt auf
den Schutz und die Erhaltung des Lebens,
des Wohls und der Gesundheit der Bevölkerung
sowie auf die Minimierung der
Opferzahlen und die Vermeidung von
wirtschaftlichen Folgeschäden. Auf Ebene
der Kantone und, im Idealfall der Institutionen,
bestehen operationelle Pandemiepläne.
Entwicklungsphasen
In Zeiten normaler Influenzaaktivität
besteht ein Pandemierisiko immer dann,
wenn ein Influenzavirus bekannt wird,
das auf den Menschen übertragbar ist und
gegen das in der Bevölkerung keine hinreichende
Immunität besteht.
Sobald das Virus besser an den Menschen
angepasst ist und die Übertragbarkeit von
Mensch zu Mensch zunimmt, besteht
akute Pandemiegefahr. Es werden Massnahmen
ergriffen, um die Ausbreitung
des Virus zu verzögern. In der Phase der
Pandemie werden zusätzliche Massnahmen
ergriffen, um dem Virus entgegenzuwirken.
Dann folgt die Postpandemie: Während
der Phase des Abflauens der Pandemie
wird alles unternommen, um die
essentiel len Dienstleistungen des Landes
rasch wieder aufzubauen und zu normalisieren.
Verfügbare Mittel
Überwachung
Die Überwachung der Influenzaaktivität
ist seit 1986 eine Aufgabe des Bundes. Ziel
ist die Früherkennung der neuen Influenza-A-Subtypen
bei Mensch und Tier. Im
Falle einer Pandemie sind alle Ärzte und
Laboratorien verpflichtet, die Grippefälle
zu melden. Die gesammelten epidemiologischen
Daten ermöglichen eine genaue
Warnzeichen
Pandemie
(Pandemic phase)
Entwicklungsphasen
der Pandemie
(in Klammer WHO-Phasen)
(Alert phase)
Normale Influenzaaktivität
(Interpandemic phase)
Postpandemie
(Transition phase)
Normale Influenzaaktivität
(Interpandemic phase)
Grafik: Von der Schweiz berücksichtigte Entwicklungsphasen der Pandemie
20 VSAO JOURNAL ASMAC Nr. 5 Oktober 2017