stahlmarkt 03.2012 (März)
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44 K Special: Italien<br />
Italiens Stahlindustrie mit unsicheren<br />
Aussichten für 2012<br />
von Dr. Michele Ciocca*<br />
Rom. Den italienischen Stahlhändlern bleibt das Jahr 2011 als Jahr der<br />
Desillusionierung in Erinnerung. Diejenigen, die zunächst dachten, dass das<br />
Schlimmste nach dem desaströsen Jahr 2009 endlich vorüber ist und es<br />
nach einem guten 2010 nun weiter aufwärts geht, mussten ihre Meinung<br />
revidieren.<br />
Dr. Michele Ciocca<br />
WW K Dabei zeigte sich das Jahr 2010 bereits<br />
sehr freundlich. Die Nachfrage nach Stahl<br />
verbesserte sich nach den immensen Einbrüchen<br />
des Vorjahres erheblich. Und auch<br />
das erste Vierteljahr 2011 präsentierte sich<br />
noch positiv: Die Stahlnachfrage stieg im<br />
Vergleich zum Jahresdurchschnitt 2010 um<br />
2,3 %.<br />
Aber dann kam der Juli und die ersten<br />
Anzeichen eines erneuten und deutlichen<br />
Rückgangs wurden sichtbar, verursacht und<br />
verschärft durch die konjunkturellen Probleme,<br />
die Italien und andere Länder mittlerweile<br />
ergriffen hatten. Abgesehen von sinkenden<br />
Gewinnmargen zeigten sich nun<br />
ganz deutlich die negativen Auswirkungen<br />
der Überkapazitäten auf dem italienischen<br />
Stahlhandelsmarkt. Dies wird sich aller Vo -<br />
raussicht nach auch in den kommenden<br />
Monaten nicht ändern und negativ auf alle<br />
Bereiche auswirken, auf Flach- und Langprodukte,<br />
auf Service-Center und Lageristen,<br />
auf den Handel mit handelsüblichen und<br />
sehr speziellen Stahlsorten.<br />
*Dr. Michele Ciocca ist Präsident bei Assofermet Acciai, dem italienischen<br />
Verband für Handel, Distribution und Weiterverarbeitung,<br />
Bereich Stahl (www.assofermet.it).<br />
Es ist sicher, dass die Stahlhändler im laufenden<br />
Jahr, vor allem in den ersten Quar talen,<br />
unter der wirtschaftlichen Rezession leiden<br />
werden. Es gibt keinen Bereich, der davon<br />
verschont wird. Selbst die Konsumenten, die<br />
bisher einen Großteil der Stahlnachfrage auf<br />
sich vereint haben, werden weniger Stahl<br />
ordern als bisher. Betroffen sind große In -<br />
frastrukturvorhaben, öffentliche und private<br />
Bauvorhaben, Automobil- und Haushaltsgeräteindustrien,<br />
Maschinenbau und private<br />
Abnehmer.<br />
Auch hier zeigt sich erneut das Problem<br />
der Überkapazitäten, das bereits 2008 großes<br />
Kopfzerbrechen bereitet hatte. Vor dem<br />
Hintergrund dieser Entwicklung bereitet sich<br />
der italienische Stahlhandel auf ein sehr<br />
unsicheres Jahr 2012 vor. Er wird teilweise<br />
von den Rücklagen zehren, die in guten Jahren<br />
angesammelt wurden. Außerdem müssen<br />
sich die Händler mit den Beschränkungen<br />
arrangieren, die ihnen Banken durch<br />
verschärfte Kreditbedingungen und höhere<br />
Zinsen bescheren. Nicht zuletzt befinden sie<br />
sich in einem wirtschaftlichen Umfeld, das<br />
ganz gewiss nicht auf Wachstum ausgerichtet<br />
ist.<br />
Zwar steht der Stahlhandel in Italien an<br />
sich nicht zur Disposition, wohl aber seine<br />
gegenwärtige Größe und seine Struktur. Es<br />
bedarf einer klaren Abgrenzung zwischen<br />
den einzelnen Marktteilnehmern, zwischen<br />
integrierten und privaten Stahlhändlern,<br />
zwischen großen Spezialisten und mittelgroßen<br />
Generalisten, zwischen Lageristen und<br />
Service-Centern.<br />
Die Bedingungen, die die Stahlhändler im<br />
laufenden Jahr vorfinden, dürfen zweifelsfrei<br />
als sehr bedeutende und schmerzhafte<br />
Herausforderungen bezeichnet werden, die<br />
im Augenblick nicht vermieden werden können.<br />
Allerdings sollten diese Umstände auch<br />
als Möglichkeit betrachtet werden, um<br />
Stück für Stück besser zu werden, um sich<br />
so auf schwieriger werdende Szenarien einstellen<br />
zu können.<br />
(sm 120303291) K<br />
<strong>stahlmarkt</strong> <strong>03.2012</strong>