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Der Landkreis Schwäbisch Hall - ganz persönlich

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DR. ERHARD EPPLER<br />

© Jürgen Weller<br />

DER DYNAMISCHSTE<br />

LANDSTRICH IM<br />

fleißigen Baden-Württemberg?<br />

BIOGRAFIE<br />

DR. ERHARD EPPLER<br />

geb. 1926 in Ulm, aufgewachsen<br />

in <strong>Schwäbisch</strong> <strong>Hall</strong> | 1943 – 1945<br />

Kriegsdienst | 1951 Abschluss des<br />

Studiums der Germanistik und<br />

Geschichte mit der Promotion zum<br />

Dr. phil. | 1953 – 1961 Schuldienst |<br />

1961 – 1976 Mitglied des Bundestages<br />

| 1968 – 1976 Bundesmi<br />

nister für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />

| 1970 – 1991 Mitglied<br />

des Bundesvorstandes der SPD |<br />

1973 – 1989 Mitglied des Präsidiums<br />

der SPD (ausgenommen 1982<br />

– 1984) | 1973 – 1981 Landesvorsitzender<br />

der SPD in Baden-Württemberg<br />

| 1973 – 1992 Vorsitzender<br />

der Grundwertekommission<br />

der SPD | 1976 – 1982 Mitglied des<br />

Landtags von Baden-Württemberg |<br />

1976 – 1980 Fraktionsvorsitzender<br />

der SPD im Landtag | 1981 – 1983<br />

Präsident des Deutschen Evangelischen<br />

Kirchentags | 1985 – 1989<br />

Stellvertretender Vorsitzender der<br />

Programm-Kommissionen der SPD |<br />

1989 – 1991 Präsident des Deutschen<br />

Evangelischen Kirchentages | seit<br />

1990 wieder wohnhaft in <strong>Schwäbisch</strong><br />

<strong>Hall</strong><br />

Es war im Sommer 1930, als die<br />

Epplerfamilie von Ulm nach<br />

<strong>Hall</strong> umzog. Mein Vater sollte<br />

in <strong>Hall</strong> eine Schule leiten, die<br />

eigentlich aus zwei Schulen bestand, aus dem<br />

Realgymnasium und der Oberrealschule.<br />

Fünf der Kinder – später waren es dann<br />

sieben – fuhren in dem Bummelzug über<br />

Heidenheim – Aalen – Crailsheim ins angeblich<br />

schwäbische <strong>Hall</strong>. Ich war gut drei Jahre<br />

alt, hatte eine schwere Gehirnerschütterung<br />

hinter mir und wollte, wie mir meine Mutter<br />

gelegentlich erzählte, unbedingt in Heidenheim<br />

aussteigen.<br />

Wir zogen in der Stuttgarter Straße in ein<br />

düsteres Haus ein, in dem die Luft durch eine<br />

Gaststätte so von Bier und Fett gesättigt war,<br />

dass mein Vater bald ein uraltes Haus mietete,<br />

das mitten im herrschaftlichen „Olymp“<br />

stand. Nicht das Plumpsklo fand ich schlimm,<br />

eher die Mäuse, die nachts über die Bettdecke<br />

huschten. Aber der riesige Garten mit Beeren,<br />

Obstbäumen, einem stattlichen Nussbaum<br />

und einem steilen Hang, wo wir im Winter<br />

Schlitten fahren konnten, glich die Mängel<br />

des Hauses aus – das dann sofort abgerissen<br />

wurde, als die Epplers ins neue Haus auf dem<br />

Friedensberg umzogen, wo ich nun seit 1990<br />

wohne mit meiner Frau, die eine geborene<br />

<strong>Hall</strong>erin ist. So können wir unsere Enkel –<br />

und inzwischen auch fünf Urenkel – mit den<br />

Schönheiten <strong>Hall</strong>s und seiner Umgebung bekannt<br />

machen.<br />

Als ich 1933 in die Schule kam, gab es noch<br />

eine evangelische und eine katholische Volksschule,<br />

und wenn jemand katholisch war,<br />

kam er meist aus Steinbach. Wir kannten drei<br />

Sprachen, zuerst das Pfarrhausschwäbisch,<br />

das auch in den Schulen vorherrschte, dann<br />

das Haualauisch, das einige Schulkameraden<br />

sprachen, und schließlich das Hochdeutsche,<br />

das nur die Offizierskinder vom Flugplatz<br />

konnten und das wir gar nicht mochten.<br />

Schulkameraden, die so affektiert redeten, behandelten<br />

wir übler, als heute Türkenkinder<br />

behandelt werden. Und dies in einem Land, in<br />

dem sogar die Religion „deutsch“ sein sollte.<br />

Autos hatten damals nur die drei Fabrikanten<br />

und die Ärzte für ihre Hausbesuche.<br />

Dafür konnten wir auch auf dem Holzmarkt<br />

kicken. Mit dem Fahrrad gab es keine Ausfahrt<br />

aus <strong>Hall</strong>, die uns nicht früher oder später<br />

dazu zwang, unser Fahrrad ausgiebig zu<br />

schieben, denn Gangschaltungen kannten<br />

wir noch nicht. Richtung Hessental war es<br />

die Crailsheimer Straße, Richtung Stuttgart<br />

die Rote Steige, und Richtung Süden begann<br />

die Schieberei erst richtig hinter Gaildorf.<br />

Ging es auf eine Wanderung, eine Radtour,<br />

gehörte das eben dazu. Ging es zur Erntehilfe<br />

– und das war im Krieg unser Ferienvergnügen<br />

–, dann konnte die Anfahrt mühsam<br />

werden.<br />

Aber dadurch lernten wir auch den Kreis<br />

– den alten Kreis <strong>Hall</strong> – <strong>ganz</strong> gut kennen.<br />

Maibach bei Bubenorbis, Otterbach hinter<br />

Tüngental, winzige Nester, in denen die<br />

kleinen Bauern noch fast <strong>ganz</strong> ohne moderne<br />

Maschinen auskommen mussten. Traktoren<br />

waren selten, Zugtiere waren Kühe und Ochsen,<br />

<strong>ganz</strong> selten Pferde. Auch in der Heuet gab<br />

es nur ein Getränk: Mooscht. Für einen Dreizehnjährigen<br />

nicht unbedingt geeignet. Aber<br />

immer wieder fanden wir eine freundliche<br />

Bäuerin, die, obwohl selbst immer an der<br />

Grenze ihrer Kräfte, Nachsicht hatte mit den<br />

verwöhnten Stadtkindern. Manchmal, frühmorgens<br />

oder gegen Abend, waren wir noch

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