blu Januar 2018
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
GESUNDHEIT<br />
und unterstützen das Projekt. Die HIV-Schwerpunktversorgung in<br />
Deutschland funktioniert gut. Die Zahlen der dagnä-Versorgungsforschung<br />
zeigen aber, dass deutlich über vierzig Prozent der therapienaiven<br />
Patienten Late Presenter sind. Es handelt sich zudem um ein<br />
Problem, das schon seit Jahren existiert – und bei dem Fortschritte<br />
überfällig sind. Der Ansatz zielt auf eine effizientere „Vermittlung“<br />
von Betroffenen in die Schwerpunktversorgung.<br />
TECHNIK<br />
Vernetzungsvorteile<br />
endlich nutzen<br />
Die Digitalisierung wird aktuell breit im Gesundheitswesen<br />
diskutiert. Ein Modellprojekt im Bereich soll jetzt<br />
Diagnosen verbessern. Robin Rüsenberg, Geschäftsführer der<br />
dagnä (Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in<br />
der Versorgung HIV-Infizierter e.V.) erklärt, wie das funktioniert.<br />
Welches Problem soll das Versorgungsmanagement<br />
angehen?<br />
Vorweggeschickt: Es handelt sich um ein Projekt der Axa Krankenversicherung<br />
und von ViiV, aber wir als dagnä standen beratend zur Seite<br />
Wie funktioniert das System?<br />
Diagnostiziert der Hausarzt bei einem Versicherten von AXA eine<br />
typische HIV-Indikatorerkrankung und erfasst ihn im Computerprogramm<br />
erscheint ein Versorgungshinweis, dass aufgrund dieser<br />
Risikoerkrankung ein HIV-Test ausdrücklich empfohlen wird. Bei<br />
nachfolgender Eingabe eines positiven Testergebnisses erscheint ein<br />
weiterer Versorgungshinweis zur Kooperation von AXA mit der dagnä<br />
und dem Angebot, darüber einen HIV-Schwerpunktarzt der dagnä<br />
für den Patienten zu finden. Während die allgemeine Versorgung<br />
des Patienten im folgenden Prozess auch weiterhin beim Hausarzt<br />
verbleibt, sollte die weitere Behandlung und Betreuung der HIV-<br />
Infektion so früh wie möglich durch den dagnä-Arzt erfolgen.<br />
Welche Vorteile ergeben sich?<br />
Betroffene profitieren von einer rascheren Diagnostik und damit<br />
besseren – weil zu einem medizinisch günstigeren Zeitpunkt einsetzenden<br />
– Versorgung. Denn: Bei Late Presentern sind die Therapieoptionen<br />
aufgrund der spät erfolgenden Diagnose anschließend medizinisch<br />
schwieriger und zugleich teurer. Hier liegt auch ein Vorteil<br />
des Projekts für Kostenträger, langfristig auch für die Gesellschaft.<br />
Allerdings: Für einen breiten Nutzen ist auch eine breite Anwendung<br />
notwendig. Deswegen hoffen wir, dass sich einem erfolgreichen<br />
Pilotprojekt möglichst viele weitere Akteure, vor allem Kostenträger,<br />
anschließen.<br />
HIV<br />
Wie mit der Psyche umgehen?<br />
Der HIV-positive schwule Mann<br />
gehört zu einer Minderheit<br />
innerhalb der Minderheit. Das verursacht<br />
erheblichen seelischen Stress.<br />
Besonders belastend sind neben<br />
einem positiven Testergebnis der<br />
Beginn oder eine Umstellung<br />
der Behandlung. Auch das Outing<br />
gegenüber Freunden und Partnern<br />
kann eine große Hürde darstellen.<br />
Dr. med. Steffen Heger ist Facharzt<br />
für Psychosomatische Medizin und<br />
Psychotherapie mit eigener Praxis in<br />
Köln und unter anderem Fachmann<br />
für das Informationsangebot von<br />
www.my-micromacro.net. *ck<br />
Welche psychischen Probleme beobachten<br />
Sie bei HIV-Positiven?<br />
Am häufigsten treten in diesen Zusammenhängen<br />
depressive und Angstreaktionen<br />
oder psychosomatische Symptome auf,<br />
die jeweils mit Schlafstörungen einhergehen<br />
können. Mancher reagiert auch<br />
mit gesteigertem Alkohol- oder<br />
Drogenkonsum. Das schafft dann<br />
mittelfristig eine Menge weiterer<br />
Probleme.<br />
Sind Behandler in den Schwerpunktpraxen<br />
darauf vorbereitet?<br />
Ärzte in den Schwerpunktpraxen sind<br />
üblicherweise die ersten und wichtigsten<br />
Ansprechpartner für Betroffene. Sie sind<br />
in den meisten Fällen sehr gut darauf<br />
vorbereitet, die Betroffenen in Krisensituationen<br />
aufzufangen und zu unterstützen.<br />
In bestimmten Fällen werden sie dennoch<br />
begleitend eine spezialisierte psychotherapeutische<br />
oder psychiatrische Behandlung<br />
empfehlen.<br />
Was können Freunde und Familie<br />
eventuell tun bzw. wo können sie sich<br />
informieren, wenn sie Veränderungen<br />
feststellen?<br />
Zunächst sollte man den Betroffenen<br />
offen auf wahrgenommene Veränderungen<br />
ansprechen, ohne ihn zu bedrängen:<br />
da sein, ihm zuhören, ihn ernst nehmen.<br />
Freunde sind meist die wichtigste Stütze<br />
für Menschen, die mit HIV leben. Im Idealfall<br />
können sie der Fels in der Brandung sein,<br />
indem sie unbeirrt an der Seite des Betroffenen<br />
stehen und sich nicht zurückziehen,<br />
selbst wenn die Wogen gerade hoch gehen.<br />
Das ist natürlich leichter gesagt als getan.<br />
Wenn man sich damit unsicher fühlt, kann<br />
man sich selbst Unterstützung holen. Die<br />
lokalen Aidshilfen informieren und beraten<br />
nämlich auch Angehörige und Freunde.<br />
Darüber hinaus kann man sich im Internet<br />
zum Thema HIV und Psyche informieren.<br />
Man sollte allerdings darauf achten, dass<br />
entsprechende Seiten fachlich kompetent<br />
betreut werden.