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blu Januar 2018

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MUSIK<br />

Es gibt sie noch, die Selfmade-<br />

Künstler, die über die Jahre<br />

einfach ihr Ding machen und sich<br />

einen feuchten Dreck um Major-<br />

Deals oder soziale Medien kümmern,<br />

die nur in Ruhe ihre Musik machen<br />

– und damit ihr Publikum finden. So<br />

bekommt man Fans, die mittlerweile<br />

so zahlreich sind, dass das neuste<br />

Album auch schon mal auf Platz drei<br />

der Charts einsteigen kann.<br />

Dass einer dieser außergewöhnlichen Musiker<br />

aber ausgerechnet Daniel Wirtz sein<br />

würde, für den es als Sänger von Sub7even<br />

steil nach oben und dann genauso schnell<br />

wieder runterging, darauf hätte 2007, als er<br />

seine Solokarriere begann, niemand auch<br />

nur einen Cent gewettet. Doch diese überraschende<br />

zweite Karriere machte ihn vom<br />

Helden seiner Fans zur einer Rockgröße<br />

des Landes.<br />

Als Wirtz zusammen mit dem Produzenten<br />

Matthias Hoffmann vor zehn Jahren die<br />

ersten Lieder auf Myspace hochlud, ahnte<br />

er nicht, dass das der Neubeginn sein würde.<br />

Er steckte damals bis zum Hals in einer<br />

Lebenskrise und die ersten Songs waren<br />

vor allem brutal ehrliche Abrechnungen<br />

und Aufarbeitungen. Er sang damals auch<br />

das erste Mal auf Deutsch … und etwas<br />

Eigenartiges geschah: Über die folgenden<br />

Jahre wuchs seine Gefolgschaft, ohne dass<br />

es dazu Werbung, Fernsehauftritte oder<br />

Unterstützung großer Labels bedurfte.<br />

Seine Fans brachten Wirtz einfach ihren<br />

Freunden näher, und so wurden es mehr<br />

und mehr, die seine Konzerte besuchten<br />

und seine Musik kauften – so lange, bis er<br />

plötzlich mit „Akustik Voodoo“ in den Top<br />

Ten der Albumcharts auftauchte und man<br />

sich fragte, wie das überhaupt möglich<br />

war. „Das fragen sich einige Plattenfirmen<br />

heute noch“, lacht er. „Aber das kennt man<br />

doch: Wenn jemand, der mir etwas bedeutet,<br />

eine Empfehlung gibt, dann gehe ich<br />

da hin oder kaufe es.“<br />

Vor zwei Jahren lernte ihn dann endlich<br />

auch der Rest der Republik kennen – er<br />

wurde zu „Sing meinen Song“ eingeladen<br />

und sang plötzlich mit den bekanntesten<br />

Namen des Musikgeschäfts. Kurz danach<br />

bekam er mit „One Night Song“ sogar seine<br />

eigene Sendung, ohne je danach gesucht<br />

zu haben. Deshalb erscheint sein neues<br />

Album „Die fünfte Dimension“ unter einem<br />

ganz neuen Stern – es gibt heute sehr viel<br />

mehr aufmerksame Augen und Ohren,<br />

die auf ihn neugierig sind. Denn ob er es<br />

schon akzeptiert hat oder nicht, er ist oben<br />

angekommen. „Ja, die letzten zwei Jahre<br />

waren für mich sehr aufregend, im guten<br />

Sinn“, stellt er fest und klingt dabei, als<br />

FOTO: NADA LOTTERMAN<br />

würde es ihn immer noch wundern. „Wenn<br />

Udo Lindenberg anruft, um mit ihm die<br />

großen Stadien zu spielen, Xavier Naidoo<br />

dich mit auf Tour nimmt, wenn du aus<br />

deinem kleinen, süßen, überschaubaren<br />

Rock ’n’ Roll-Zirkus rausgerissen wirst und<br />

auf einmal auf dem roten Teppich beim<br />

ECHO oder Bambi läufst – dann ist das ein<br />

komplett anderer Kosmos.“<br />

Natürlich ist das nicht der einzige Unterschied<br />

zu damals, als er sich entschlossen<br />

hatte, neu anzufangen. „Die erste Platte<br />

hat mir den Arsch gerettet. Das war Eigentherapie.<br />

Aber es gibt jetzt natürlich auch<br />

andere Sorgen und andere Ängste. Ich bin<br />

Vater geworden, und dann sieht man die<br />

Welt mit anderen Augen. Wenn du zum<br />

Beispiel siehst, was in Europa los ist, wie<br />

die Freiheit in Gefahr ist, wie Rechtspopulisten<br />

an die Macht kommen, dann denke<br />

ich an die Zukunft meines Kindes und wie<br />

er wohl leben wird.“ Zum Beispiel wie in<br />

dem Lied „Das verheißene Glück“. „Da geht<br />

es darum, dass man sich fragt, wie das<br />

damals vor über siebzig Jahren passieren<br />

konnte. Da waren doch auch Leute wie wir,<br />

bei denen die Alarmglocken geschrillt haben!<br />

Es wird in der Türkei so sichtbar, denn<br />

da werden genau diese Menschen mal<br />

schnell weggesperrt, man regiert mit Angst<br />

und keiner macht mehr das Maul auf,<br />

weil die, die es getan haben, ins Ausland<br />

geflüchtet sind oder im Knast sitzen. Ich<br />

habe es nicht so mit dem Zeigefinger und<br />

will mich nicht als Politexperte aus dem<br />

Fenster hängen, der Song soll eher sagen:<br />

Du, das ist schon das eine oder andere Mal<br />

schiefgegangen, das kann man nachlesen.<br />

Es kann also jederzeit wieder schiefgehen,<br />

wenn man nicht aufmerksam bleibt.“<br />

Aber nicht nur er hat sich entwickelt, auch<br />

seine Fans mussten sich anpassen und<br />

akzeptieren, dass mit seinen Auftritten bei<br />

„Sing meinen Song“ Wirtz jetzt nicht mehr<br />

nur ihnen gehört. „Da gab es ein Beben,<br />

Richterskala 7,5! Jetzt ist der Ausverkauf<br />

gekommen!“, lacht er. „Aber als die erste<br />

Sendung lief, sind auch achtzig Prozent<br />

wieder zurückgerudert. Ich kenne meine<br />

Leute ja und wusste, wenn sie es sehen,<br />

in der Art und Weise, wie ich meine Lieder<br />

darbiete, und dann nicht verstehen, dann<br />

hätte ich sie falsch eingeschätzt. Sie alle<br />

wollten ja immer, dass mehr auf mich aufmerksam<br />

werden. Aber sie hatten Angst,<br />

dass man mich anders darstellt als ich bin,<br />

oder die Person, die ihnen wichtig ist, ein<br />

bisschen zum Clown macht oder ich mich<br />

verbiege.“ Aber natürlich begann Daniel<br />

nicht, sich für ein paar Fernsehauftritte zu<br />

verändern – dafür geht er zu lange seinen<br />

eigenen Weg. Auch als er sich entschloss,<br />

das Angebot anzunehmen und mit „One<br />

Night Song“ seine ganz eigene Fernsehsendung<br />

bei VOX zu machen, musste<br />

das Format zu ihm passen und nicht<br />

umgekehrt. „Sie haben mehrerer Konzepte<br />

eingereicht und irgendwann auch<br />

dieses. Da kann ich rauchen und trinken<br />

im deutschen Fernsehen – das kann man<br />

machen!“, lacht er. Dort singt er mit seinen<br />

„Blind Date“-Überraschungsgästen – von<br />

Henning Wehland bis Wolfgang Niedecken,<br />

von Max Mutzke bis Ella Endlich.<br />

Trotzdem hat er noch immer Hemmungen,<br />

sich einfach bei den großen Namen<br />

einzureihen. „Ich darf mich in dieser Liga<br />

bewegen und ganz viel lernen, aufsaugen<br />

und für mich rausziehen“, beschreibt er<br />

seine Situation. Andererseits passieren ihm<br />

jetzt Dinge, die nun wirklich nicht jeder von<br />

sich berichten kann: „Als ich jetzt gerade<br />

das Video zur Single ,Gib mich nicht auf‘<br />

hochgeladen habe, gab es nachts um 5:34<br />

Uhr eine SMS von Udo, der total ausflippt<br />

und es abfeiert und das Video teilt … Da<br />

kann ich nur sagen: Das ist echt ein geiles<br />

Gefühl, auch und gerade weil es eben doch<br />

noch eine andere Liga ist.“ *fis

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