Der Ehrenfelder 97 – Januar 2018
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AUS DEM SCHAUSPIELHAUS<br />
Jury würdigt „global humanistisches Engagement“<br />
Schweizer Dramatiker Milo Rau mit dem Peter-Weiss-Preis ausgezeichnet<br />
Laudatorin Dr. Carolin Emcke (li.), Preisträger Milo Rau (Mitte) und<br />
Stadtdirektor Michael Townsend. Foto: Leitmann/Stadt Bochum<br />
<strong>Der</strong> Peter-Weiss-Preis der<br />
Stadt Bochum wurde in den<br />
Kammerspielen des Schauspielhauses<br />
an den Schweizer<br />
Dramatiker Milo Rau<br />
verliehen.<br />
In der Begründung der Jury,<br />
die Milo Rau einstimmig den<br />
Preis zuerkannte, heißt es:<br />
„Gewürdigt werden so sein<br />
global humanistisches Engagement<br />
und seine dezidiert<br />
politischen Inszenierungen,<br />
die als aufrüttelnd-provokante<br />
Zumutungen auch im Sinne<br />
von Peter Weiss‘ „Ästhetik<br />
des Widerstandes“ begriffen<br />
werden können. Milo Rau hat<br />
den Begriff des dokumentarischen<br />
Theaters mit neuem<br />
Leben erfüllt und es mit seinen<br />
Arbeiten wissenschaftlich<br />
genau und künstlerisch inspiriert<br />
weiterentwickelt. Dabei<br />
wähnt er weder sein Publikum<br />
noch sich selbst auf der<br />
sicheren Seite, sondern stellt<br />
stets sämtliche Standpunkte<br />
argumentativ zur Disposition.<br />
Er vertraut damit dem Theater<br />
als demokratischem Ort<br />
gelebter Debatten und Diskurse.“<br />
Die Stadt Bochum ehrt mit<br />
dem Peter-Weiss-Preis Künstlerinnen<br />
und Künstler aus den<br />
Sparten, in denen sich der<br />
Namensgeber bewegte: Bildende<br />
Kunst, Film, Literatur<br />
und Theater. So wird eine<br />
künstlerische Gesamtschau<br />
auf die Gesellschaft möglich.<br />
Die Auszeichnung soll das<br />
Schaffen von Künstlerinnen<br />
und Künstlern auszeichnen,<br />
deren unterschiedliche Positionen<br />
und Interventionen die<br />
Wahrnehmung der individuellen<br />
und gesellschaftlichen<br />
Lebenswelt neu justieren und<br />
den jeweiligen Blick weiten.<br />
So würdigte Dr. Carolin Emcke<br />
in ihrer Laudatio Milo Rau<br />
als einen Künstler, dem eine<br />
„unbändige Bereitschaft zu<br />
staunen über eine als inakzeptabel<br />
empfundene Situation“<br />
innewohne, die er dann<br />
mit „all seinen ästhetischen<br />
und performativen Mitteln<br />
immer wieder von neuen Gesichtspunkten“<br />
betrachte und<br />
erhelle. Milo Rau, so Emcke,<br />
rekonstruiere nicht die Wahrheit<br />
des Geschehenen sondern<br />
die Wahrheit dessen,<br />
was hätte geschehen sollen.<br />
Seine Arbeiten seien geprägt<br />
vom „Konjunktiv“, denn sie<br />
sprechen immer von dem,<br />
was möglich ist oder möglich<br />
sein sollte <strong>–</strong> so Emcke. Das<br />
Sinnen über Situationen, Bedingungen<br />
und Möglichkeiten<br />
finde sich nirgends so präzise<br />
wie bei Peter Weiss. Aber genau<br />
diese Züge sind auch die<br />
Charakteristika des Oeuvres<br />
von Milo Rau, der sich damit<br />
in einer guten Tradition befindet.<br />
Rau bestätigte, dass ihn das<br />
Schaffen von Peter Weiss immer<br />
wieder beschäftigt habe.<br />
Er sei für ihn von bleibender<br />
Aktualität. Es sei Peter Weiss,<br />
der in seiner „Ästhetik des<br />
Widerstandes“ das Solidarische<br />
hervorhebe und betone,<br />
„wie sehr der Mensch auf die<br />
anderen Menschen angewiesen“<br />
sei. Für Milo Rau seien<br />
Kunst, Textproduktion, Theater,<br />
Film, Aktionismus eine<br />
kollektive Angelegenheit. Und<br />
damit fühle er sich dem Engagement<br />
von Peter Weiss<br />
verpflichtet.<br />
Spannende Frage: Was liest Axel Hacke?<br />
Auch Ulla Meinecke Band und Poetry Slammer auf der Bühne<br />
Außerhalb seines Theaterbetriebs<br />
hat das Schauspielhaus<br />
im <strong>Januar</strong> interessante<br />
Künstlerinnen und<br />
Künstler zu Gast.<br />
Die Ulla Meinecke Band gastiert<br />
am Mittwoch, 17. <strong>Januar</strong>,<br />
in den Kammerspielen. Seit<br />
über 30 Jahren ist die Wahlberlinerin<br />
eine feste Größe<br />
in der deutschen Musiklandschaft.<br />
Ihre samtige Stimme,<br />
die poetische Sprache und die<br />
nachdenklich-ironische Sicht<br />
auf die alltäglichen Dinge begründen<br />
ihren Ruf als Sängerin,<br />
Dichterin und Autorin.<br />
Unter dem Titel „Best of Poetry<br />
Slam“ kommen am Mittwoch,<br />
24. <strong>Januar</strong>, die besten<br />
Texte auf die Bühne des<br />
Schauspielhauses. Poetry<br />
Slam ist das Bühnenformat<br />
der Gegenwart. Texte werden<br />
aus dem Wachkoma zwischen<br />
Buchdeckeln befreit<br />
und direkt vom Autor oder<br />
der Autorin am Mikrofon zum<br />
Leben erweckt, mit Gefühl<br />
gefüllt und Richtung Publikum<br />
katapultiert. Das Schauspielhaus<br />
holt die Besten der<br />
Szene auf die Bühne, moderiert<br />
von Slam-Altmeister Sebastian<br />
23. Mit dabei ist unter<br />
anderem Katja Hofmann<br />
aus Halle und der aktuelle<br />
NRW-Meister im Poetry Slam<br />
und Newcomer des Jahres,<br />
Jean-Philippe Kindler.<br />
Autor Axel Hacke liest am<br />
Dienstag, 30. <strong>Januar</strong>, in den<br />
Kammerspielen. Aber was<br />
liest Hacke denn? Das lässt<br />
sich vorher nicht so genau sagen,<br />
denn er bringt alle seine<br />
Texte mit und entscheidet erst<br />
im Laufe des Abends, welche<br />
er vorträgt: Klar ist, dass er<br />
auch aus seinem aktuellen<br />
Buch liest: „Über den Anstand<br />
in schwierigen Zeiten und die<br />
Frage, wie wir miteinander<br />
umgehen“.<br />
Aber was kommt dann? Einige<br />
seiner legendären Kolumnen<br />
aus dem Magazin<br />
der Süddeutschen Zeitung?<br />
Oder eine kleine Hitparade<br />
der schönsten Missverständnisse<br />
aus der Wumbaba-Trilogie?<br />
Man weiß es nicht. Jede<br />
Hacke-Lesung ist eine kleine<br />
Wundertüte.<br />
4 ⎮<strong>Der</strong> <strong>Ehrenfelder</strong>⎮<strong>Januar</strong> <strong>2018</strong>