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Thermenland Magazin, Januar 2018

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AKTUELLES<br />

Interview mit IHK-Hauptgesch<br />

„Der Brexit verunsichert<br />

Der Zank zwischen der englischen Regierung<br />

und der EU um den Ausstieg Großbritanniens<br />

aus der Europäischen Union, kurz Brexit<br />

genannt, ist fast täglich Thema in den Nachrichten.<br />

Der wirtschaftspolitische Scheidungskrieg<br />

scheint für den Einzelnen weit weg. Welche<br />

Auswirkungen die Ausstiegsentscheidung der<br />

Briten für unsere Region haben werden,<br />

wollte das <strong>Thermenland</strong> <strong>Magazin</strong> von Alexander<br />

Schreiner, dem neuen Hauptgeschäftsführer der<br />

IHK Niederbayern, etwas genauer wissen.<br />

„Außenhandel ist keine<br />

Einbahnstraße“<br />

<strong>Thermenland</strong> <strong>Magazin</strong>: Der Begriff „Win-Win-<br />

Situation“ steht für eine Vereinbarung, von der<br />

beide Partner nur profitieren. In Bezug auf den<br />

Brexit ist nun die Rede von einer „Lose-Lose-<br />

Situation“. Warum ist das so?<br />

Alexander Schreiner: Außenhandel und internationale<br />

Zusammenarbeit sind keine Einbahnstraße.<br />

Die Briten sind – wie wir – auf offene<br />

Märkte für Waren und Dienstleistungen angewiesen.<br />

Das gilt in beide Richtungen, für die<br />

Beschaffung wie für den Absatz. Für uns ist<br />

Großbritannien ein bedeutender Markt, rund<br />

acht Prozent der bayerischen Exporte gehen<br />

derzeit dorthin. Umgekehrt geht fast die Hälfte<br />

aller britischen Auslandslieferungen in Länder<br />

der EU. Wird dieser Austausch erschwert, dann<br />

verlieren beide Seiten.<br />

Warum sollte uns das im <strong>Thermenland</strong> interessieren?<br />

Schreiner: Der EU-Austritt Großbritanniens wird<br />

die dortigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

erheblich verändern. Im Falle eines „harten<br />

Brexits“ würden die vier Grundfreiheiten der<br />

Europäischen Union ausgesetzt: der freie Verkehr<br />

von Kapital, Dienstleistungen, Waren und<br />

Personen über Ländergrenzen hinweg. Das Verhältnis<br />

zwischen Großbritannien und der EU<br />

würde sich dann an den Regeln orientieren, wie<br />

sie für Drittstaaten wie etwa die USA gelten. Im<br />

Falle eines „weichen Brexits“ gäbe es ein<br />

Abkommen zwischen Großbritannien und der<br />

EU, mit dem die Zusammenarbeit erleichtert<br />

würde – aber alle Vorteile einer vollen Mitgliedschaft<br />

in der EU würden auch damit nicht mehr<br />

erreicht. In jedem Fall wird Großbritannien für<br />

Investoren, die den Binnenmarkt im Auge<br />

haben, weniger attraktiv. Schon jetzt sehen wir,<br />

dass die Unsicherheit über die weitere Entwicklung<br />

der wirtschaftlichen Entwicklung Großbritanniens<br />

schadet. Das hat Auswirkungen auf<br />

unsere heimische Wirtschaft, denn wenn es der<br />

Wirtschaft auf der Insel nicht mehr so gut geht,<br />

wird auch der Austausch mit uns leiden.<br />

„Bereits fast 10 Prozent weniger Exporte<br />

nach Großbritannien“<br />

Können Sie uns das anhand von Beispielen aus<br />

unserer Region schildern?<br />

Schreiner: Uns sind durchaus größere Unternehmen<br />

bekannt, die bis zu 20 Prozent ihres<br />

Umsatzes zum Beispiel durch Bauleistungen in<br />

Großbritannien erzielen. Natürlich sind solche<br />

Leistungen genauso wie Warenlieferungen auch<br />

nach einem Austritt weiter möglich, aber alles<br />

wird komplizierter und teurer. Weitere Punkte<br />

bereiten unseren Betrieben Sorgenfalten. Wird<br />

es künftig schwieriger, Mitarbeiter nach Großbritannien<br />

zu schicken? Kommt es vielleicht zu<br />

abweichenden technischen<br />

Normen,<br />

sodass Produkte speziell<br />

für den britischen<br />

Markt angepasst<br />

werden müssten?<br />

Wird es Zollaufschläge<br />

für bestimmte<br />

Waren geben?<br />

Wird der Transport<br />

über die Grenze<br />

langwieriger und damit<br />

teurer? All das<br />

könnte dafür sorgen,<br />

dass die Produkte<br />

und Dienstleistungen<br />

der niederbayerischen<br />

Unternehmen<br />

für den britischen Markt teurer werden –<br />

und damit unattraktiver.<br />

Wie eng sind die Import-Export-Beziehungen<br />

mit Unternehmen in der Region?<br />

Schreiner: Großbritannien ist für die Region auf<br />

jeden Fall ein wichtiger Handelspartner. Im vergangenen<br />

Jahr lag das Land auf Rang drei der<br />

wichtigsten Abnehmerländer Bayerns. Rund<br />

500 niederbayerische Unternehmen stehen in<br />

Geschäftsverbindungen zum Vereinigten Königreich<br />

und 60 Unternehmen haben dort sogar<br />

Auslandsvertretungen eingerichtet. In den ersten<br />

neun Monaten diesen Jahres sind die Lieferungen<br />

allerdings bereits um 9,4 Prozent<br />

zurückgegangen. Das zeigt bereits die erhebliche<br />

Verunsicherung.<br />

„Für einzelne Firmen kann der Brexit<br />

deutlich spürbar sein“<br />

Sind da Arbeitsplätze in unserer Region gefährdet?<br />

Schreiner: Wann immer der internationale Austausch<br />

eingeschränkt wird, kann das auch Auswirkungen<br />

auf die Beschäftigung haben, sofern<br />

die Rückgänge nicht auf anderen Märkten ausgeglichen<br />

werden können. Insgesamt ist die<br />

Exportwirtschaft bei uns aber derzeit sehr gut<br />

und breit aufgestellt. Trotz der Rückgänge im<br />

Geschäft mit Großbritannien steuert die bayerische<br />

Wirtschaft erneut auf einen Exportrekord<br />

zu. Trotzdem: Für einzelne Firmen können die<br />

Auswirkungen aber deutlich spürbar sein.<br />

Wo verstecken sich Importe aus Großbritannien<br />

in unserem täglichen Leben?<br />

Schreiner: Großbritannien hat beispielsweise<br />

eine ausgeprägte IT- und Pharmaindustrie. Vor<br />

allem aber ist das Land ein bedeutender Fahrzeugbauer.<br />

Insbesondere japanische und deutsche<br />

Hersteller produzieren dort. Je nachdem,<br />

wie der Austritt tatsächlich geregelt sein wird,<br />

könnten in Großbritannien hergestellte Fahrzeuge<br />

in der EU mit Zöllen belastet sein. Wenn wir<br />

von einem „harten Brexit“ ausgehen und Großbritannien<br />

in den Status eines Drittlandes<br />

zurückfällt, müsste man für diese Fahrzeuge mit<br />

einem Zollaufschlag von etwa zehn Prozent<br />

rechnen. Für andere gewerbliche Produkte liegen<br />

die Zollsätze in der Regel unter diesem<br />

Wert, für Agrarerzeugnisse könnten die Belastungen<br />

wiederum deutlich höher ausfallen.<br />

„Jede zusätzliche Zollkontrolle<br />

kostet Zeit und Geld“<br />

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