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GESELLSCHAFT<br />
FOTO: B. NIENDEL<br />
GESCHICHTE<br />
KAMPF UM<br />
GERECHTIGKEIT<br />
27. Januar: Gedenktag für die<br />
Opfer des Nationalsozialismus.<br />
Lutz van Dijks Kampf um Gerechtigkeit<br />
für die vergessenen<br />
Opfer.<br />
Etwa achtzig Personen haben sich im Goethe-Institut<br />
am mittelalterlichen Hauptmarkt<br />
im Zentrum der beliebten Altstadt<br />
von Kraków eingefunden. Sie lauschen den<br />
Worten des Autors Lutz van Dijk und der<br />
Historikerin Joanna Ostrowska. Es ist der 4.<br />
Oktober und die polnische Buchpremiere<br />
von „Verdammt starke Liebe.“ Das Buch<br />
handelt von Stefan Kosinski, einem polnischen<br />
Mann, der sich 1941 sechzehnjährig<br />
in den deutschen Besatzungssoldaten Willi<br />
verliebt. Ein in jugendlichem Leichtsinn<br />
verfasster Liebesbrief an seinen an die<br />
Front einberufenen Freund brachte ihn<br />
in die Fänge der Nazis, die Homosexualität<br />
ebenso wie im Deutschen Reich hart<br />
bestraften. Er überlebte die Gräuel der KZ-<br />
Haft nur mit Glück. Das Schicksal seines<br />
Freundes Willi ist bis heute ungeklärt. Fast<br />
vier Jahrzehnte schwieg Stefan Kosinski<br />
über seine Jugendliebe, bevor er sie Lutz<br />
van Dijk erzählte und sich zum Comingout<br />
entschloss. 2003 verstarb er nach<br />
schwerer Krankheit. Bis zu seinem Tod litt<br />
er an den Folgen seiner KZ-Inhaftierung.<br />
Der Historiker Lutz van Dijk hat die Lebensgeschichte<br />
und die Freundschaft zu<br />
Stefan Kosinski in zwei Büchern dokumentiert.<br />
„Verdammt starke Liebe“ war das<br />
erste Buch. Es erschien vor 25 Jahren auf<br />
Deutsch. Die einfühlsame Erzählung wurde<br />
in 14 Sprachen übersetzt. Viele Schüler<br />
lasen das Buch im Unterricht. Selbst eine<br />
US-Filmfirma kaufte die Rechte, ohne sie<br />
jedoch umzusetzen. Und noch heute reist<br />
Lutz van Dijk, der seit vielen Jahren in Kapstadt<br />
lebt und ein Projekt für HIV-positive<br />
Kinder leitet, in die Niederlande und vor allem<br />
nach Deutschland, um in Schulen und<br />
Bibliotheken über das Leben von Stefan K.<br />
und über die Verfolgung der Homosexuellen<br />
im Nationalsozialismus zu berichten.<br />
Erst jetzt erscheint das Buch auf Polnisch<br />
mit einem Nachwort der queeren Aktivistin<br />
und Historikerin Dr. Joanna Ostrowska von<br />
der Universität Warschau. Das Buch zu<br />
veröffentlichen war schwierig. Lange Zeit<br />
fand sich kein Verlag. Erst Spenden ermöglichten<br />
den Druck.<br />
HOFFNUNG IN SCHWIERIGEN ZEITEN<br />
In Polen regiert die rechtsnationale PiS-<br />
Partei. Sie gewann 2015 unter Vorsitz von<br />
Jarosław Kaczyński die Wahlen. Seitdem<br />
schleift sie die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.<br />
Sie spielt mit Stereotypen, die<br />
sich gegen Lesben und Schwule oder auch<br />
Flüchtlinge richten. Der lange Schatten der<br />
kommunistischen Diktatur und eine starke<br />
konservative katholische Kirche prägen die<br />
polnische Gesellschaft. Der Wirtschaftsaufschwung<br />
der vergangenen Jahre kommt<br />
nicht bei allen Menschen an. Nationalismus,