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soziologie heute April 2009

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<strong>April</strong> <strong>2009</strong> <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> 31<br />

1897 traf man Weber in Heidelberg,<br />

wo er allerdings ein Jahr später einen<br />

Nervenzusammenbruch erlitt<br />

und beurlaubt wurde.<br />

Im „Archiv für Sozialwissenschaft”<br />

veröffentlichte Weber programmatische<br />

Ausätze zur Soziologie, u. a. „Die<br />

Objektivität sozialwissenschaftlicher<br />

Erkenntnis” (1904) oder „Die protestantische<br />

Ethik und der Geist des Kapitalismus”<br />

(1905). In letzterem versuchte<br />

er nachzuweisen, dass - im<br />

Gegensatz zur marxistischen Lehre<br />

vom ökonomischen Determinismus<br />

- bei der Entstehung des modernen<br />

Kapitalismus in erster Linie religiöse<br />

Ideen bestimmend waren.<br />

1909 gründete Max Weber die Deutsche<br />

Gesellschaft für Soziologie. In<br />

seinem Haus in Heidelberg fanden<br />

fast jeden Nachmittag Diskussionen<br />

mit Intellektuellen statt; ab 1912 gab<br />

es auch einen wöchentlichen Jour<br />

Fixe, zu welchem auch Studenten<br />

kommen durften.<br />

Während des ersten Weltkrieges<br />

wandte sich Weber aus Sorge um<br />

die politische Stellung Deutschlands<br />

- insbesondere wenn die Nation den<br />

Max Weber und die Wertfreiheit der Wissenschaft<br />

Krieg verlieren würde und damit ein<br />

machtpolitischen Vakuum entstünde<br />

- gegen die deutschen Kriegsziele<br />

und den uneingeschränkten U-Boot-<br />

Krieg. Weber sah ein Zeitalter europäischer<br />

Ohnmacht angesichts zweier<br />

sich die Weltherrschaft künftig<br />

teilender Staaten, nämlich der Vereinigten<br />

Staaten und Rußland, voraus.<br />

Nachdem er kurzzeitig Berater der<br />

deutschen Delegation in Versailles<br />

war, folgte er 1919 einem Ruf nach<br />

München. Hier erregte er besonderes<br />

Aufsehen durch seine Vorträge über<br />

„Politik als Beruf und Wissenschaft<br />

als Beruf”. Am 14. Juni 1920 erlag<br />

Max Weber schließlich einer Lungenentzündung<br />

- kurz vor Fertigstellung<br />

seines Hauptwerkes „Wirtschaft und<br />

Gesellschaft”.<br />

Leider sind die Arbeiten Webers über<br />

die Ablösung von heimischen Stammarbeitern<br />

durch polnische Wanderarbeiter<br />

in der in den späten 1960er<br />

und 1970er Jahre aufkommenden<br />

Gastarbeiterfrage kaum beachtet<br />

worden.<br />

In seinem religionssoziologischen<br />

Werk „Die Protestantische Ethik und<br />

der Geist des Kapitalismus” versucht<br />

Weber aufzuzeigen, dass die Religion,<br />

und hier insbesondere der Calvinismus,<br />

für die Entstehung des „Geistes<br />

des Kapitalismus” bestimmend ist.<br />

Indem er wirtschaftlich erfolgreiche<br />

Gebiete miteinander verglich, stellte<br />

er fest, dass es stets calvinistische<br />

Gegenden waren, welche eine besonders<br />

hervortretende ökonomische<br />

Entwicklung aufwiesen. Im Calvinismus<br />

herrscht die Prädestinationslehre,<br />

also die Vorherbestimmung des<br />

Ausgewähltseins durch Gottes Gnade<br />

vor. Um sich dieser Gnadenauswahl<br />

zu versichern, ist es notwendig,<br />

Bei der Frage, ob Wissenschaftler sich nur der Untersuchung empirischer<br />

Tatsachen widmen sollen oder ob es auch ihre Pflicht sei, Urteile über soziale<br />

Zusammenhänge zu fällen und Stellung zu beziehen, sprach sich Weber klar<br />

für eine Trennung von Wissenschaft und Politik aus. Für ihn ist Wissenschaft<br />

ein Beruf mit strengen Regeln, an welche sich Wissenschaftler halten müssen.<br />

Da auch die Auswahl eines Forschungsthemas unter dem Einfluss der<br />

Erkenntnis und Wertideen des Wissenschaftlers steht, müssen auch diese in<br />

die wissenschaftliche Selbstreflexion einbezogen werden. Ist dies gegeben,<br />

dann können (und sollen) WissenschaftlerInnen auch Werturteile fällen.<br />

Noch Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg missverstand man das Postulat<br />

der Wertfreiheit und meinte, WissenschaftlerInnen sollten sich aus der Politik<br />

heraushalten. Erst in den 1960er Jahren änderte sich dies - wenn auch zögerlich.<br />

Nach wie vor ist dieses „Zwei-unterschiedliche-Welten-Denken” bequem.<br />

Verantwortungs- u. Gesinnungsethik<br />

In seinem Vortrag „Politik als Beruf“<br />

spricht WEBER u.a. von „Verantwortungsethik“<br />

und „Gesinnungsethik“.<br />

Erstere ist die Handlungsgrundlage<br />

der Politik und durch die unmittelbare<br />

Sorge um das Gemeinwesen<br />

definiert. Sie muss „mit Leidenschaft<br />

und Augenmaß“ die verschiedenen<br />

Interessen und Handlungsfolgen gegeneinander<br />

abwägen. Unter Gesinnungsethik<br />

versteht man die Haltung,<br />

die einen Menschen – auch wenn<br />

ihm persönlich oder anderen daraus<br />

Nachteile erwachsen - eher nach seiner<br />

Überzeugung als nach Nützlichkeitserwägungen<br />

handeln lässt.<br />

Erfolg im Beruf zu haben und seine<br />

Pflicht zu erfüllen. Indem die Calvinisten<br />

ihr ganzes Dasein unter eine<br />

strenge Askese stellten, sich jeglicher<br />

Vergnügungen, dem Genuss und<br />

Luxus enthielten, wurden die Gewinne<br />

immer wieder investiert. Dadurch<br />

entstanden letztlich - auch in Gegenden,<br />

wo die Calvinisten nur wenige<br />

Jahre aktiv waren - prosperierende<br />

Wirtschaftsregionen. Im Laufe der<br />

Zeit ging oftmals die religiöse Grundlage<br />

dieser Lebensführung verloren,<br />

was allerdings erhalten blieb, war<br />

diese Art der Lebensführung in Form<br />

eines bürgerlichen Berufsethos.<br />

In seiner Kategorienlehre unterscheidet<br />

Weber drei Idealtypen legitimer<br />

Herrschaft - legale, traditionale<br />

und charismatische Herrschaft - und<br />

erweitert diese idealtypische Beschreibung<br />

mit den jeweils entsprechenden<br />

Verwaltungsstäben. Sehr<br />

ausführlich befasst er sich mit der<br />

Bürokratie, welche zur unausbleiblichen<br />

Nivellierung, zum Formalismus<br />

und zur Unpersönlichkeit sowie zum<br />

Eigenleben der Verwaltung führt.<br />

Raymond Aron beschrieb Max Weber<br />

als einen „Mann der Wissenschaft,<br />

er war weder Politiker noch<br />

Staatsmann, doch zuweilen politischer<br />

Journalist” und Ralf Dahrendorf<br />

meinte im Nachwort zur Reclam-Ausgabe<br />

von „Politik als Beruf”:<br />

„Es gibt ja nicht gerade viele lesbare<br />

Anleitungen zum Beruf der Politik;<br />

unter ihnen ragt die von Max Weber<br />

hervor.”

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