NK 02_2018
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TITELINTERVIEW<br />
17<br />
©Michael Zargarinejad<br />
DR. ECKART VON HIRSCHHAUSEN: „DIE<br />
STIMMUNG IN DEN KRA<strong>NK</strong>ENHÄUSERN UND<br />
PRAXEN MACHT MIR ERNSTHAFT SORGEN!“<br />
Die Wissenschaft hat die Magie aus<br />
der Medizin vertrieben. Aber nicht<br />
aus uns Menschen. Wenn ich als<br />
Kind hingefallen war, tröstete mich<br />
meine Mutter. Sie pustete und sprach<br />
die magischen Worte: „Schau mal,<br />
Eckart, da fliegt das Aua durchs<br />
Fenster!“ Und ich habe es wirklich<br />
fliegen sehen. Sogar durch geschlossene<br />
Fenster. Mein ganzes<br />
Medizinstudium habe ich darauf gewartet,<br />
dass mir ein gelehrter Professor<br />
erklärt, warum das Aua fliegen<br />
kann. Denn ich wusste ja seit<br />
meinem vierten Lebensjahr, dass es<br />
geht.<br />
Diese Phänomene werden aber<br />
in der langen und teuren Ausbildung<br />
mit keiner Silbe erwähnt. Und<br />
je länger ich darüber nachdenke,<br />
desto beschränkter finde ich das. Ich<br />
bin heilfroh über alles, was es heute<br />
an Wissen und Möglichkeiten gibt,<br />
von der Schmerztablette bis zur Palliativmedizin.<br />
Aber manchmal braucht<br />
es nur jemanden, der dich einfach in<br />
den Arm nimmt und pustet! Selbst<br />
wenn ich als erwachsener Mensch<br />
irgendwann so aufgeklärt, so abge<br />
klärt, so zynisch geworden bin, dass<br />
ich an die Flugfähigkeit von Schmerz<br />
nicht mehr glauben kann oder mag ...<br />
Kurz gesagt: Es wäre dem Kind gegenüber<br />
immer noch eine unterlassene<br />
Hilfeleistung, aus Klugscheißerei<br />
NICHT zu pusten! Wissen ohne<br />
Zuwendung bleibt kalt. Und Zuwendung<br />
ohne Wissen bleibt manchmal<br />
unter unseren Möglichkeiten.<br />
Dr. Eckart von Hirschhausen kennen<br />
die meisten Deutschen besser als<br />
ihren Hausarzt. Er ist der Doktor, der<br />
zur besten Sendezeit im Fernsehen<br />
so schön und vor allen Dingen humorvoll<br />
erklären kann, wie unser<br />
Körper funktioniert, wie man ihn gesund<br />
erhält und dass man nicht jedem<br />
Wehwehchen mit Hammerpillen<br />
zu Leibe rücken muss. Eckart<br />
von Hirschhausen möch te die<br />
Gesundheitsbildung in<br />
Deutschland voranbringen.<br />
Mit Schulprogrammen,<br />
Platt formen im Internet<br />
und mit einer Suchmaschine<br />
der Vernunft, die<br />
den Menschen bei der<br />
Orientierung im Krankheitsfall<br />
hilft.<br />
Network-Karriere: Sie machen<br />
Fernsehen, schreiben Bücher, halten<br />
Vorträge, sind mit Ihrem Medizinischen<br />
Kabarett auf Tour, bringen<br />
mit Ihrer Stiftung HUMOR HILFT<br />
HEILEN Hoffnung und Lebensmut<br />
in die Krankenhäuser und engagieren<br />
sich bei einer ganzen Reihe sozialer<br />
Projekte. Wie schaffen Sie das<br />
alles?<br />
Dr. Eckart von Hirschhausen: Es<br />
stimmt, ein Nine-to-five-Job ist das<br />
sicher nicht, aber dafür wäre ich auch<br />
nicht geeignet. Aber jede Krankenschwester<br />
oder Hebamme arbeitet<br />
mehr als ich. Doch da meine Tätigkeit<br />
in der Öffentlichkeit stattfindet,<br />
entsteht schnell der Eindruck, ich<br />
wäre Tag und Nacht aktiv. Bin ich<br />
aber nicht. Zudem empfinde ich das,<br />
was ich tue, nicht als Last, weil ich<br />
es mir selber aussuche und die Arbeit<br />
meinen Stärken entspricht und<br />
mir nichts mehr Freude macht, als<br />
auf der Bühne zu stehen und Menschen<br />
zum Lachen und Nachdenken<br />
zu bringen.<br />
<strong>NK</strong>: Man sollte bekanntlich nicht<br />
Wasser predigen und Wein trinken.<br />
Wie gehen Sie mit Ihrem Körper um<br />
und wie ernähren Sie sich?<br />
Dr. Eckart von Hirschhausen: In der<br />
Tat feiere ich gerade einen für mich<br />
große Erfolg: Ich habe mit Intervallfasten<br />
zehn Kilo abgenommen! Für<br />
mein eigenes Magazin „Dr. v. Hirschhausen<br />
Gesund Leben“, das<br />
gerade frisch im Zeitschriftenhandel<br />
erschienen ist,<br />
war ein Titelthema übers<br />
Abnehmen geplant – das<br />
war für mich wie eine<br />
kleine öffentliche Wette.<br />
Vorgenommen abzunehmen<br />
hatte ich mir<br />
– wie wahrscheinlich jeder<br />
zweite Deutsche – jedes Silvester<br />
die vergangenen zehn Jahre. Aber<br />
wenn es als Titelgeschichte eingeplant<br />
wird, dann muss man auch liefern!<br />
<strong>NK</strong>: Also weitgehend oder ganz vegan?<br />
Der Gesundheit oder der Umwelt<br />
zuliebe?<br />
Dr. Eckart von Hirschhausen: Ich<br />
esse in der Tat weniger Fleisch als<br />
früher und glaube auch, dass das<br />
sehr sinnvoll ist – einmal für den eigenen<br />
Körper, aber auch für unseren<br />
Planeten. Ich bin da aber nicht<br />
ideologisch unterwegs und allergisch<br />
auf idiotische Ernährungsberater,<br />
die nächstes Jahr das Gegenteil<br />
erzählen. Haben die Ernährungswissenschaften<br />
womöglich kollektiv<br />
auf das falsche Pferd gesetzt?<br />
Beim Intervallfasten geht es nicht um<br />
Kalorienzählen, sondern um Stunden,<br />
die der Körper Zeit hat, Fett abzubauen<br />
und kaputte Zellen zu reparieren<br />
– deshalb verlängert es auch<br />
das Leben. Und was ist mit dem Genuss?<br />
Vielleicht geht es gar nicht um<br />
„vernünftige Ernährung“, sondern ums<br />
Essen mit Freude! Und mit Freunden!<br />
© Michael Zargarinejad