E_1929_Zeitung_Nr.071
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N° 71 — <strong>1929</strong> AUTÜMÜßlL-KEVUß<br />
EDEIE3Q<br />
Wäre ich Jules Verne, würde ich einen<br />
Zukunftsroman aus dem Jahre 2013 schreiben<br />
und so beginnen : «... Und ein grosses<br />
Sterben hub an. Das Aussterben des .schwachen<br />
Geschlechts'. Bis zum letzten Mohikaner<br />
... ><br />
Wenn wir auch erst das Jahr <strong>1929</strong> schreiben,<br />
so steht unumstösslich fest, dass die<br />
Dame im Sport schon gewaltige Fortschritte<br />
gemacht, die dem stärksten Manne Respekt<br />
abringen müssen. Die klassischen Damen-<br />
WeltrekoTde der Leichtathletik reden eine<br />
deutliche Sprache von der Leistungsfähigkeit<br />
und den physischen Möglichkeiten des Sportgirls.<br />
Seine Taten bilden ein Kapitel Sportgeschichte.<br />
.<br />
Die Frau am Volant gehört heute ins Alltägliche.<br />
Miss Gertrude Ederle errang Weltberühmtheit,<br />
als sie als erstes Mädchen den<br />
Kanal durchschwamm. Auf den Pariser Boulevards<br />
riss man sich um Extrablätter, um<br />
das Resultat des Tennismatches zwischen<br />
Suzanne Lenglen und Miss Wills zu erfahren.<br />
Mi«.<br />
HDB0E<br />
Die Frau im Stadion.<br />
Betrachten wir die Frau im Stadion :<br />
Robinson, die schnellste Läuferin der Welt.<br />
Das schnellste Girl der Welt über 100 Meter<br />
heisst Miss Robinson (U. S. A.) und<br />
schreibt'sich mit 12,2 Sekunden Weltrekordwoman.<br />
Frau L. Radke (Deutschland) ist die<br />
.schnellste Läuferin der Welt über 800 Meter<br />
mit 2 Min. 16,8 Sek. Die reizende Miss Catherwood,<br />
aus Kanada, holte sich mit 1.59<br />
Meter den Hochsprung-Weltrekord. Frl. Konopacka<br />
(Polen) war im Diskuswerfen mit<br />
39,67 Meter bis heute nicht zu schlagen: Die<br />
vier schnellsten Sportgirls stammen aus Kanada:<br />
vier Kanadierinnen halten den Weltrekord<br />
in der 4 mal 100 Meter-Stafette auf<br />
48,4 Sekunden.<br />
Diese Leistungen verlangen Energie, Können<br />
und Kraft. Es sind Leistungen, wie sie<br />
teilweise nach dem Kriege nicht einmal von<br />
einem schweizerischen Leichtathletikmeister<br />
erreicht wurden! Tatsache! Und die Sportlerin<br />
ist erst mitten in ihrer Entwicklung.<br />
«Sie» gegen «Ihn» um die Weltrekorde?<br />
Vergleichen wir einmal die weiblichen mit<br />
den männlichen Weltrekorden:<br />
MI ATTA<br />
TT1E<br />
EF ITOXl^IU<br />
100-Meter-Lauf<br />
800-Meter-Lauf<br />
Hochsprung<br />
Diskuswerfen<br />
4X100 Meter<br />
Männer Damen<br />
10,4 Sek. 12,2 Sek.<br />
1:50,6 Sek. 2 :16,8 Sek.<br />
2,03 Meter 1,59 Meter<br />
48,20 Meter 39,67 Meter<br />
40,8 Sek. 48,4 Sek.<br />
Nun, einstweilen gibt es noch ein starkes<br />
und ein/ schwaches Geschlecht. Und übrigens:<br />
Meine Damen! Die Frau soll dem Manne<br />
über alles gehen. Nur nicht über die...<br />
Weltrekorde. Sonst wird «Er» dann gut tun,<br />
auf diesem nicht mehr ungewöhnlichen Weg<br />
einer Heiratsannonce genau zu stipulieren,<br />
in welcher Disziplin seine Zukünftige sein<br />
darf!...<br />
H.K.<br />
Dies und das<br />
Worauf jede Frau achten sollte.<br />
1. Dass die Strümpfe immer gespannt und ganz<br />
gerade gezogen sind. Es gibt wohl nichts Scheusslicheres<br />
als eine Strumpf naht, die in trunkenem<br />
Zickzack über die Wade torkelt und ganz sicherlich<br />
nichts Grauenhafteres als ein Frauenbein, auf<br />
dem der Strumpf sich in Falten schrumpft, die<br />
jedem Nilpferdrücken zur Ehre gereichen würden.<br />
2. Würde es nicht als ganz selbstverständlich<br />
erscheinen, dass man keine schiefgetretenen Absätze<br />
haben darf ? Aber wer sich mal den Spass<br />
machen und an einer belebten Strasse oder im<br />
Cafe genau aufpassen würde, könnte sich überzeugen,<br />
dass jede fünfte Frau abgetretene Absätze<br />
trägt. Es ist ganz unbegreiflich, dass sie dies nicht<br />
wissen oder dessen nicht achten sollte. In Amerika<br />
gibt es, eigene Absatzreparaturwerkstätten in jeder<br />
Stadt — eine Reibe Räder und Maschinen — in<br />
Reihen gestellte Stühle, auf denen man im Vorübergehen<br />
für fünf Minuten Platz nimmt, während<br />
schnell, gut und billig die Absätze ausgegradet<br />
werden. In Amerika ist ein Mädchen mit schiefgetretenen<br />
Absätzen wahr- und wahrhaftig shocking<br />
— und daher eine Rarität.<br />
3. Ja, sagen Sie mir, um Himmels willen, weshalb<br />
tragen Sie denn so unförmig lose Kleider?<br />
Es sieht ja aus, als hätten Sie sie von jemand<br />
viel Grösserem geliehen. Es schaut so aus, als<br />
wäre das Kleid zu Hause zusammengestichelt, so<br />
gar nicht schick, so entsetzlich kleinstädtisch. Man<br />
könnte weinen, wenn man eine hübsche Frau sieht,<br />
die lose in einen schlotternden Sack gehüllt ist.<br />
4. Und noch eines: Warum, um Gottes willen,<br />
tragen Sie denn die Hüte schief aufgesetzt? Da<br />
hat irgendwo in Paris ein genialer Modellschöpfer<br />
sein ganzes Genie in das Originalmodell eines<br />
-Hutes gelegt, und Sie gehen so nonchalant mit<br />
diesem Kunstwerk um. Ein Hut ist ein Stück<br />
Architektur und gerade im der Linie, die der schaffende<br />
Künstler der Krempe gegeben, darin liegt<br />
ja das Plus dieses Werkes. Der Winkel, in dem<br />
sie eich dem Gesicht anschmiegt oder eich von ihm<br />
entfernt, ist direkt mathematisch festgesetzt. Voraussetzung<br />
ist. dass der Kopf des Hutes das Haupt<br />
fest tunspannt, den gleichen Schwerpunkt hat. Sie<br />
aber setzen den Hut einseitig auf, damit verschieben<br />
Sie den Schwerpunkt des Hutes und die<br />
Krempe wellt sich in närrischem Schwung um Ihr<br />
so selbstbewusst gehobenes Naschen.<br />
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Wühre 17.<br />
Sommerlicher Teint. *<br />
Auch in einem Lande, das so von Rassenvorurteilen<br />
erfüllt ist wie Amerika, beginnt sich die<br />
Mode der dunklen Haut, gleich einem Präriebrand,<br />
zu verbreiten. Es gibt sogar modische Plakate, die<br />
da verkünden: cBenützet flüssigen braunen Puder<br />
Ethiopia.» Heller Teint ist demodee. Wer also zufälligerweise<br />
weissen Teint und keine Gelegenheit<br />
hat. diesen an der Sonne braun brennen zu lassen,<br />
reibt seine Haut mit einem der unzähligen Präparate<br />
ein, die den kosmetischen Markt überschwemmen,<br />
und wird dadurch schnell zum anderen<br />
Menschen. Es ist gut, wenn die Frauen die<br />
Sehnsucht haben, Personalitäten zu sein, und wer<br />
darauf verfallen ist, dass diese Eigenschaft verkauft<br />
werden kann, wird sicher gut dabei verdienen.<br />
Denn da nichts den Gesamtcharakter der<br />
Frau ändern kann, gibt man wenigstens dem Teint<br />
andere Valeure. Es handelt sich hauptsächlich um<br />
Frauen mit blonden und ganz hellen Haaren. Und<br />
mag es eine auf natürlichem Wege errungene<br />
Bräune sein oder irgendein kosmetisches Präparat,<br />
sicher ist es, dass solch eine ganz helle Blondine<br />
mit dunkler Haut ganz entzückend aussieht. Und<br />
da sie zumeist helle Augen hat, ist der Effekt ganz<br />
überraschend. Für viele wird es eine Frage des<br />
Geschmacks sein, aber ein Mensch mit künstlerischem<br />
Empfinden sieht nur die Schönheit, die nicht<br />
mit dem Typus der rosenwangigen Püppchen gemessen<br />
werden kann. Um wieviel mehr Vitalität<br />
strahlt aus solch einem brünetten Teint. Ich weiss,<br />
dass man dies ja nicht absolut nehmen kann, aber<br />
zum grossen Teil steckt Wahrheit darin. Wie viel<br />
Töne, vom blassen Bernsteingelb bis zum fast indianisch<br />
dunklen Rotbraun 1 Die Skala ist so reich,<br />
dass wir kaum Namen für alle ihre Nuancen<br />
haben. Und welche Valeurs bilden sie im Verein<br />
mit der Farbe des Kleides, des Hutes, des Schals<br />
und des Schmucks! • Wieviel Farben darf eolch<br />
eine abgehrannte Dame tragen, die kein noch so<br />
rotwangiges Püppchen kleiden würden. Wie prachtvoll<br />
sehen neben dunklem Teint die gebrochenen<br />
Töne von Weiss, Grün, Rot, Königsblau aus, und<br />
wieviele Schattierungen stehen zu Gebote. Und wie<br />
heben sich von einem braunen Hals die farbenprächtigen,<br />
bunten Halsbänder und Korallenschnüre<br />
ab. Es ist ein Vorurteil und ganz altmodisch, zu<br />
behaupten, dies passe wohl nur zur Tagestoilette<br />
und tagsüber. Verfehlt, meine Damen. Paris und<br />
New York wissen längst, dass die Grand-Toilette<br />
Riesenkomplexe dieses herrlich sonnverbrannten<br />
oder künstlich gebräunten Fleisches ZUT Schau<br />
stellt, das längst aufgehört hat, ausgestelltes Fleisch<br />
im Marktsaal der Bälle zu sein und anfängt, ein<br />
Teint zu sein, der vielleicht die moderne, kultivierte<br />
Frau mehr charakterisiert als alles andere.<br />
Misa-Catherwood springt 1,58 m hoch,<br />
Dia Kosmethik tchönir Frauen.<br />
Diane de Poitiers schrieb ihre Schönheit, die<br />
König Heinrich II, von Frankreioh in Fesseln<br />
schlug, nur dem Waschen mit Regenwasser und<br />
dem Genuss von Orangen zu, die ihre Hauptnahrung<br />
bildeten. Man sieht also, der Fanatismus<br />
für Obst und naturgemässes Leben stammt nicht<br />
von heute. Auch Ninon de l'Enclos, nach dem<br />
Zauberelixier gefragt, das ihr noch im achtzigsten<br />
Jahre die Reize einer Zwanzigjährigen verlieh,<br />
antwortete: «Aeusserlich: Regenwasser. Innerlich:<br />
ein Glas kaltes Wasser allmorgendlich auf<br />
nüchternen Magen — andere Geheimmittel kenne<br />
ich nicht und hab' sie nie nöti? gehabt.» Die<br />
Pompadour erfand das Gurkenwasser,. Marie Antoinette<br />
wusch sich mit einem Absud aus frischen<br />
Quitten. Von den Liebeskünstlerinnen des Rokoko<br />
bis zur Josephine Baker: nur aus der Natur,<br />
aus Licht, Luft und den frischen Säften von<br />
Früchten und Wurzeln kommt unser Heil.<br />
* * *<br />
„... Nach reiflicher Ueberlegung entschlossen wir uns zurückzufahren.<br />
Fräulein Heublein. die deutsche Weltrekordwomen<br />
im Kugelstossen.<br />
Die rauchende Engländerin.<br />
Nach dem letzten Bericht des englischem<br />
Wirtschaftskomitees setzt sich das heutige!<br />
rauchende Publikum in England aus 45 Prozent<br />
Damen und 55 Prozent Herren zusammen.<br />
Wenn man aber berücksichtigt, dass<br />
sich sehr viel© Frauen Rauchmaterialienij<br />
durch ihre männlichen Anverwandten bzrw.j<br />
Hausangestellten besorgen lassen, dürft© die<br />
Zahl der rauchenden Frauen erheblich höher<br />
sein als die der Männer.<br />
Weibliche Ingenieure in England.<br />
Während bei uns der Ingenieurberuf bisher<br />
nur von wenigen Frauen ausgeübt wird,<br />
haben die Engländerinnen bereits auf diesem<br />
Gebiet grosse Fortschritte gemacht, wie die<br />
Jahresversammlung der weiblichen Ingenieure<br />
zeigte, die dieser Tage in London ab-i<br />
gehalten wurde. Die Damen haben sich ba-<<br />
reits zu führenden Stellungen aufgeschwun-,<br />
gen. Einige sind Leiterinnen von Automobil-*<br />
fabriken, andere sind als Schiffsbaumeistec<br />
auf den Werften der englischen Marine tätig,<br />
andere sind Brückenbauerinnen. Die Inge-i<br />
nieurin Frl. Buchanan hielt einen Vortrag<br />
über die Prinzipien des modernen Brücken-»<br />
baus. Die Baumeisterin Frau Wilson beleuchtete<br />
die Verdienstmöglichkeiten des weibli-»<br />
chen Geschlechts im Baugesehäft, und da sie<br />
selbst als Baumeisterin es schon zur Millio-«<br />
närin gebracht hat, malte sie die Aussichten!<br />
in lockenden Farben. Die Sekretärin der eng-»<br />
lischen Gesellschaft weiblicher Ingenieure*<br />
Frl. Hasleft, empfahl Mädchen, die für dieses<br />
Gebiet Begabung besitzen, den Ingenieurbe-»<br />
ruf als einen besonders einträglichen, in dem<br />
die Frau sehr wohl mit dem Mann konkur-i<br />
rieren könne.<br />
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da wir niohts offerieren können. Wir<br />
haben unser ganzes Lager zufolge<br />
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können und bis wir .. ."<br />
schrieb uns jüngst einer unserer Inserenten,<br />
ohne dass wir ihn dazu<br />
aufgefordert hätten.<br />
Warum sollten Sie mit Inseraten<br />
in unserem Blatte nicht denselben<br />
Erfolg haben? Es besteht wirklich<br />
kein Grund dazu.