E_1929_Zeitung_Nr.073
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Ausgabe: Deutsche Schweiz.<br />
BERN. Samstag, 24. August <strong>1929</strong><br />
Nummer 20 Cts.<br />
25. Jahrgang. - N° 73<br />
ERSTE SCHWEIZERISCHE AUTOMOBIL-ZEITUNG<br />
Zentralblatt für das schweizerische Automobilwesen<br />
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Hoher Automobilsport im Engadin<br />
Am Kilometer-Rennen fährt Rosenberger die beste Zeit des Tages mit 193,5 km Stundenmittel.<br />
Caracciola klassiert sich als Zweiter mit 176,4 km Stundengeschwindigkeit,<br />
Zettritz beste Zeit der Tourenwagen, Momberger beste Zeit der Sportwagen.<br />
An der Geschicklichkeitsprüfung triumphiert Stuck.<br />
Das St. Moritzer<br />
Kilometer-Rennen.<br />
Ein grosserTag für Mercedes-Benz.— Schöner<br />
Sport und vorbildliche Organisation auf<br />
der Shellstrasse.<br />
(V.-Spezialbericht.)<br />
St. Moritz, den 21. August <strong>1929</strong>.<br />
Ein regnerischer Morgen und ein kalter<br />
Nachmittag.<br />
Gestern abend hoffte ganz St. Moritz auf<br />
gutes Wetter, heute morgen goss es in Strömen.<br />
Während der Wagenabnahme in Samaden<br />
sah man noch einige Fahrer auf der<br />
nassen Strecke, die, wie Sarbach zum Beispiel,<br />
ganz bedenklich schleuderten. Abhaltung<br />
oder Verschiebung? Bis halb zwei Uhr<br />
war der Entschluss der Rennleitung noch<br />
nicht gefallen. Das Wetter : selbst gab in<br />
letzter Minute die Antwort. Der tiefe Wolkenmantel<br />
hob sich und der Regen versiegte.<br />
Noch unter den letzten Tropfen setzt© eine<br />
kleine Völkerwanderung, von Wagen nach<br />
Samäden ein. Am Startplatz herrschte starker<br />
Andrang. Man rechnet, dass mindestens<br />
3000 Personen dem Lance beigewohnt haben.<br />
Das ist, trägt man den geradezu polaren<br />
Luftströmungen Rechnung, ein schöner Erfolg.<br />
Während den zwei Stunden, die das<br />
Rennen dauerte — es wurde um 3 Uhr gestartet<br />
— sass man mit schlotterndem Gebein<br />
auf ider hohen Tribüne, die einen wundervollen<br />
Blick über die ganze Rennstrecke<br />
bot. Einzigartig war die Bekanntgabe der<br />
Resultate: Kaum war das Aufheulen eines<br />
Wagens verhallt, rief der Lautsprecher in<br />
vier Sprachen die gefahrenen Zeiten, ja selbst<br />
die Zahl der arbeitenden Kerzen aus. Die<br />
Wagen folgten sich Schlag auf Schlag. Herr<br />
Töndury und sein Stab haben Musterarbeit<br />
geleistet. Nicht zu vergessen — es war das<br />
erste Rennen dieser Art in St. Moritz! Die<br />
Strecke hielt was sie versprochen hat. Sie<br />
dürfte nunmehr der schönste Lanceparcours<br />
der Schweiz sein.<br />
Heisse Würstchen, Gin und Vermuth, aber<br />
mehr Gin! stärkten den sportlichen Mut zwischen<br />
den drei Böllerschüssen, die Anfang<br />
und Ende verkündeten. (Wobei ein deutscher<br />
Biedermann angesichts der kauenden Journalisten<br />
bemerkte: «Presse is(s)t alles<br />
Wurscht!»)<br />
Bravo Martini!<br />
Einen Markstein des Tages bildete der<br />
rassige Sieg Martinis in der 5000-ccm-Klasse,<br />
in der fünf Konkurrenten vom Start gingen,<br />
also in der numerisch stärksten Klasse der<br />
Konkurrenz. Der Sieg Martinis im nationalen<br />
Klausenrennen hatte grosse Freude ausgelöst,<br />
keineswegs aber überrascht. Nun hat<br />
aber Martini, der Steiger, bewiesen, dass er<br />
auch in Flachrennen seinen Konkurrenten die<br />
Stirne bieten kann. Und das ist für den,<br />
der die grundverschiedenen Anforderungen<br />
von Berg und Ebene kennt — der Berg bedingt<br />
die kleinere Hinterachsübersetzung,<br />
die Ebene die grössere — eine erstaunliche<br />
Leistung. Der gewiegte Martinifahrer Giger<br />
hat mit seiner Fahrt, die er im Rennen der<br />
Sportwagen noch auf 116,883 km verbesserte,<br />
nicht nur für seine Marke, sondern für unser<br />
ganzes Land Ehre eingelegt.<br />
Die « Grossmutter» schafft es.<br />
Die Sieger des Tages sind zweifellos die<br />
Mercedes-Leute. Mit Rosenberger, Caraeciola,<br />
der gestern abend, von der englischen<br />
Tourist Trophy kommend, nach Zürich geflogen<br />
ist, um hier rechtzeitig einzutreffen,<br />
Mömberger, Prinz zu Leiningen, v. Dojmi,<br />
Zettritz, Hirte und Madame Merz hat die<br />
deutsche Marke eine Equipe t gestellt, die als<br />
ausgesprochener Favorit ins. Rennen ging.<br />
Ein Tross Mechaniker begleiten sie.<br />
Das Kilometerrennen war auch eine<br />
glatte Mercedes-Angelegenheit. Der famose<br />
Rosenberger, der am Klausen seine Kanone<br />
zu klein übersetzt und zudem eine Vorderachse<br />
krumm gefahren hatt, siegte heute mit<br />
dem bravourösen Mittel von 193,548 km, wobei<br />
mindestens fünf Prozent für die Einwirkungen<br />
der Engadiner Höhenlage auf den<br />
Motor in Zuschlag zu bringen sind, was natürlich<br />
für sämtliche Leistungen gilt. Sein<br />
Wagen war einmal mehr die «Grossmutter»,<br />
jener Grand-Prix-Wagen von 1914, ein Vierzylinder,<br />
der bereits im Museum gestanden<br />
hat. Wie sehr Mercedes das Heft in der Hand<br />
gehabt hat, zeigen die ausgeglichenen Leistungen<br />
der übrigen Fahrer: Caräcciola<br />
klassiert sich in der 8000er-Klasse der Rennwagen<br />
mit 176,471 Kilometern als Erster und<br />
absoluter Zweiter des 'Lance, v. Dojmi mit<br />
168,224 als Zweiter. Bei den Sportwagen<br />
sind Momberger," der die Bestzeit der Kategorie<br />
erzielte, und Prinz zu Leitungen nur<br />
eine Zehntelssekunde auseinander, bei den<br />
Tourenwagen der Kategoriesieger Zettritz<br />
und Frau Merz, deren Leistung allgemein<br />
bewundert wird, auch nur fünf Zehntelssekunden<br />
— der sprechendste Beweis für die<br />
prächtige Regelmässigkeit der Mercedes-<br />
Benz-Equipe; zu erwähnen ist auch Hirte.<br />
Chiron und Stuck waren weniger schnell,<br />
obwohl auch die beiden Meister des Volants<br />
mit unheimlichem Tempo passierten.<br />
Bei den Tourenwagen erreichte der Dixi-<br />
Zwerg von Buchwald' ein sehr schönes Resultat,<br />
ebenso Spälty, der in der 1100-ccm-<br />
Klasse auf Amilcar siegte. Die gleiche<br />
Marke feierte mit Sarbach bei den Rennwagen<br />
1100 ccm einen grossen Erfolg.<br />
148,148 km für ein derartig leichtes Wägelchen<br />
ist ein Tempo, das dem Fahrer hohe<br />
Bewunderung bringen muss. In der 1500-<br />
ccm-Klasse Tourenwagen schlug Keller mit<br />
seinem Alfa-Romeo überlegen einen Bugatti.<br />
Die Packard-Limousine in der 8000-ccm-<br />
Klasse startete im Sologang. Bei der Fahrerin,<br />
eine grauhaarige Dame, scheint allerdings<br />
die Gemütsruhe dem Sportgeist einige<br />
Pülsschläge über zu sein. Sehr schön sind<br />
die Klassensiege von Burggaller (Bugatti),<br />
Escher (Bugatti), Freuler (Steyr) und de<br />
Sterlich (Maserati), der beste Mann Italiens<br />
am Rennen. Scheibler fuhr mit seinem Fiat<br />
sehr sicher.<br />
Ueber die genauen Resultate orientiert die<br />
Tabelle.<br />
Zum Vergleich diene, dass der schweizerische<br />
Rekord für den Kilometer-Lance 15,55<br />
Sek. = 231,511 km beträgt und vonDivoauf<br />
Delage auf der Kilometerstrecke von Giubiasco<br />
(300 m ü. M.) auf einem 12-Zylinderwagen<br />
aufgestellt worden ist.<br />
Resultate des Kilometer Lance.<br />
1. Buchwald<br />
1. Spaelty<br />
2. Looffler<br />
1. Keller<br />
2.'Fisch<br />
1. Pettley<br />
1. Kagami<br />
1. Giger<br />
2. Guebelin<br />
3. Wild<br />
4. Loenholdt<br />
5. Webet<br />
1. Stewart<br />
1. Zettritz<br />
2. Mme. Merz<br />
3. Hirte<br />
1. Steinweg<br />
2. Ollendorf<br />
1. ßurggaller<br />
2. Scheibler<br />
1. Escher<br />
Kein Starter.<br />
Freuler<br />
Giger<br />
1. Momberger<br />
2. Hermann Prinz<br />
Leiningen<br />
1. Sarbach<br />
2. Clerici<br />
1. de Sterliol<br />
i. Chiton<br />
TOURENWAGEN. .<br />
Klasse 750 ccm.<br />
Düri 43.4 82.949<br />
Klasse 1100 ccm.<br />
Amilcar 41.7 86.331<br />
Grofri 43.1 83.527<br />
Klasse 1500 eem.<br />
Alfa Romeo S7.5 96.000<br />
Bngatti 40.3 89.330<br />
Klasse 2000 eem.<br />
•. L»gonda 38.6 93.264<br />
Klüse «000 eem. -<br />
MoltiS 1 • 37.4 96.257<br />
Klasse 5000 eem.<br />
Martini 31.9 112.853<br />
Chrysler 33.2 10&434<br />
Zwei gute Kameraden: Rosenberger und Caracoiola, die erfolgreichen Mercedesfahrer.<br />
Anbnrn 36.3<br />
Chrysler 41.8<br />
Ford 43.1<br />
Klasse 8000 eem.<br />
Packard 38.4<br />
Mehr als 8000 ccm.<br />
Mercedes-Benz 25.1<br />
Mercedes-Benz 25.2<br />
Mercedes-Benz £7.7<br />
SPORTWAGEN.<br />
Klasse 1100 eem.<br />
B. N. G. 32.1<br />
Salmson 41.4<br />
Klasse 1500 eem.<br />
Bugatti 26.2<br />
Fiat 34.0<br />
Klasse 2000 eem.'<br />
Bugatti<br />
Klasse 3000 eem.<br />
Klasse 5000 eem.<br />
Steyr<br />
Martini<br />
Klasse 8000 eem.<br />
zu<br />
27.0<br />
30.8<br />
Mercedes-Benz<br />
Mercedes-Benz 22.0<br />
22.1<br />
RENNWAGEN.<br />
Klasse 1100 ccm.<br />
Amilcar 24.3<br />
Salmson 27.7<br />
Klasse 2000 ccm.<br />
Maserati 22.4<br />
K «se 3000 ccm.<br />
Bugatti 20,8<br />
99.174<br />
86.223<br />
83.527<br />
93.750<br />
143.426<br />
142.857<br />
129.964<br />
112.150<br />
86.957<br />
137.405<br />
105.882<br />
22.6 169.292<br />
133.333<br />
116.883<br />
163.636<br />
162.896<br />
148.148<br />
129.964<br />
160.714<br />
173.077<br />
Klasse 5000 ccm.<br />
1. Rosenberger Mercedes-Benz 18.6 193.548<br />
L Stuck von Villiez Austro-Daimler22.5 160.000<br />
Klasse 8000 ccm.<br />
1. Caracciola Mercedes-Benz 20.4 176.471<br />
2. Doimi Mercedes-Benz 21.4 168.224<br />
Beste Zeit der Tonrenwagen: Zettritz, Mercedes-<br />
Benz, -Ib.l, 143.426.<br />
Beste Zeit der Sportwagen: Momberger, Mercedes«<br />
Uenz, M,v 163.636.<br />
Beste Zeit der Rennwagen and des Tages: Kosen«<br />
oewer Meruedes-Benz 18.6 193.548.<br />
Beste Damenzeit: Mme. Merz, Mercedes-Benz, 25.2;<br />
14^.857.<br />
Eine dramatische Trainingsfahrt<br />
St. Moritz, den 22. August,<br />
(V.-Spezialtelegramm.)<br />
Eben wollte ich mich heute mittag zur Ge«<br />
schicklichkeitsprüfung ins St. Moritz Bad begeben,<br />
als mich der junge, liebenswürdige<br />
Genfer Fahrer Billwiller zu einem Trainings-«<br />
lauf auf der Berninastrecke einlud.'Die sei-*<br />
tene Gelegenheit, «ine Piste vom Wagen ei*<br />
nes .Rennfahrers aus kennen zu lernen beim<br />
Zipfel nehmend, starteten wir um halb 3 Uhr.<br />
Billwiller fuhr seinen zweihundertpferdigen<br />
neuen Mercedes-Benz-Kamp ressor, mit dem<br />
er am Klausen eine beachtenswerte "Zeit erzielt<br />
hatte. Zum Lance war er in St. Moritzzu<br />
spät eingetroffen, um erfolgreich starten<br />
zu können. So fuhr er heute die Shellstrasse<br />
auf unserem Wege nach Pontresina zum ersten<br />
Male. Der Mercedes zog prächtig los.<br />
Eine Zeitlang stieg der Zeiger auf 185 km.<br />
Dabei hatte man nicht einmal den Eindruck<br />
eines phantastischen Tempos, da der Wagen<br />
infolge seiner Schwere sehr schön auf der<br />
Strecke lag. Nach Pontresina lichtete' sich<br />
das Gewölk, ein Fetzen südlichen Himmels<br />
blaute über dem Morteratschgletscher, wie<br />
ein Märchenland öffnete sich uns die stille<br />
Grosse der Bernina, einer der wundervollsten<br />
Flecken Erde.<br />
Wir fuhren nun vorerst die Rennstrecke<br />
von oben nach unten. Das Ziel befindet steh<br />
in den ersten Kehren unterhalb der Steingalerien.<br />
Kurve auf Kurve senkt sich die<br />
schmale Strasse bis nach La Roesa. Dieser<br />
Teil der Strecke ist der weitaus gefährlichste.<br />
Die Kehren sind sehr eng. Bis auf zwei,<br />
drei wenige Stellen muss hier der kleinste<br />
Fahrfehler zum Verhängnis werden. Nach La<br />
Roesa ist die Strasse weniger kurvenreich<br />
und bis auf zwei überhöhte Bachübergänge<br />
auf hohes Tempo eingestellt. Die Konkurrenten<br />
werden in diesem unteren Teil der<br />
Strecke den Motor zur ganzen Leistung bringen<br />
müssen, denn im obern Teil wird die Vernunft<br />
die Geschwindigkeit diktieren. Gestartet<br />
wird am Dorfausgang von Puschlav bei<br />
der Mühle. Der Gesamteindruck, der sich<br />
nach dem Trainingslauf nur bestätigte: bedeutend<br />
schwieriger als der Klausen, eine<br />
Summe von engwinkligen, sehr schmalen<br />
Kurven, Strassenoberflache vorzüglich. Unserer<br />
Ansicht nach wohl die härteste Bergprüfung,<br />
die wir je gesehen haben. Billwillers<br />
Wagen eröffnete das offizielle Training. Mit<br />
über 100 km nahm der Mercedes die ersten<br />
Steigungen, vor St. Carlo stieg der Geschwindigkeitsmesser<br />
auf 120. Der Kompressor<br />
verursachte in der Dorfgasse, durch die das<br />
Rennen führt, einen fürchterlichen Spektakel.<br />
Bis La Roesa jagten wir durch den Wald,<br />
dann führt die Piste über die Baumgrenze<br />
hinaus, hinein in die Spiralen. Der Mercedes<br />
schnitt die Kurven meistens ohne die geringste<br />
Schleuderung. Sehr gefährlich schienen<br />
uns die manchmal geradezu schräg in die<br />
Piste hineinragenden Wehrsteine. Wir waren<br />
schon in guter Trainingszeit in die drittletzte<br />
Kehre gekommen, als der Wagen plötzlich<br />
aus der Kurve und mit einem gewaltigen