E_1929_Zeitung_Nr.073
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Knall über die kurze Böschung sprang. Billwiller<br />
und ich sahen uns an und dachten, das<br />
ist das Ende des Wagens. Drei zentnerschwere<br />
Wehrsteine sind niedergemacht. Bangenden<br />
Herzens sehen wir nach und entdekken,<br />
dass ein wahres Wunder geschehen ist:<br />
der Stossfänger hat die Steine genau in der<br />
Mitte getroffen. Keine Beschädigung an den<br />
Achsen noch an den Rädern, nur das Fabrikzeichen<br />
unter dem Kühler liegt geköpft im<br />
Grase. Billwiller Hess den Motor spielen und<br />
sofort brummt er wieder in seinen behaglichsten<br />
Tönen. Eine heisse halbe Stunde Arbeit<br />
war es allerdings, bis der schwere Renner<br />
wieder auf der Piste oben war. Erst als Herr<br />
Ruoff seinen starken Wagen vorspannte, gelang<br />
das Kunststück. Auf der Heimfahrt<br />
zeigte der Mercedes keinerlei Nachteile. Das<br />
unfreiwillige Abenteuer war dadurch entstan*<br />
den, dass Billwiller mit dem Aermel seines<br />
Ledermantels am Gashebel des Volants hängen<br />
geblieben war, wodurch er die Gewalt<br />
über den Wagen verloren hatte. Dass er den<br />
verhängnisvollen Mantel trug, war wiederum<br />
ein Versäumnis des Chauffeurs, der Billwillers<br />
Kombinaison vergessen hatte. Kleine Ursachen,<br />
grosse Wirkungen!<br />
Die Aussichten.<br />
Die Nennliste für das Berninarennen ist<br />
beinahe Name für Name die gleiche wie<br />
für das Lance, nur dass Stuber startet, um<br />
Revanche für sein Klausenpech zu nehmen.<br />
Er hat natürlich auf der kürzeren Strecke,<br />
besonders mit seiner Kurventechnik, grosse<br />
Chancen. Dabei werden aber wiederum Chiron<br />
und Stuck im Vordergrund stehen, nicht<br />
zu vergessen die imposante Mercedes-Mannschaft,<br />
die das Training schon eifrig aufgenommen<br />
hat. Rosenberger ist mit seinem Siege<br />
im Lance der Favorit für den Grossen<br />
Preis von St. Moritz. Aber auch der Schweizer<br />
Giger auf Martini wird ohne Zweifel<br />
seinen Mann stellen.<br />
Die Geschicklichkeitsprüfung.<br />
Bis jetzt die Veranstaltung mit dem grössten<br />
Publikumserfolg. — Ueber 4000 Personen.<br />
— Eine Revue der Eleganz, bevölkerten<br />
Tribünen und Zuschauerfeld auf dem prächtigen<br />
Platze beim Kurhaus St. Moritz-Bad.<br />
Sportlich ist ganz besonders der hohe praktische<br />
Wert der Veranstaltung herauszuheben,<br />
die von den bei Geschicklichkeitsprüfungen<br />
üblichen Mätzchen absah und wirklich<br />
ernstzunehmende Anforderungen stellte. Die<br />
Konkurrenten hatten erstmal drei nebeneinander<br />
laufende Fahrstrassen mit Durchfahrtssignalen<br />
zu passieren, von denen das grüne<br />
Licht «Bahn frei», das rote «Bahn gesperrt»<br />
bedeutete. Dann ging es durch eine enge<br />
Holzgasse, die, ohne die Stangen umzuwerfen,<br />
abgefahren werden musste. Eine schwere<br />
Aufgabe war das Wenden im Holzhof, ohne<br />
die Marken zu touchieren. Hierauf galt es,<br />
eine Barriere schwach zu berühren, wobei ein<br />
Hupenton ertönte. Bei zu starker Berührung<br />
klaffte die Hupe zweimal. Jetzt folgte eine<br />
andere Holzgasse in verkehrter Fahrrichtung,<br />
worauf der Konkurrent eine Schwelle von<br />
hinten zu überfahren hatte, ohne von ihr<br />
rückwärts niederzurollen. Die kniffligen Aufgaben,<br />
die nicht zum kleineren Teil von<br />
Herrn J. Decrauzat, Präsident der N. S. K.,<br />
ausgeklügelt worden sind, stellten vorab an<br />
den Fahrer höchste Anforderungen. Während<br />
viele Rennfahrer mit Tourenwagen starteten,<br />
versuchten sich einige mit ihren Rennröhren,<br />
wobei Stuck mit seinem Austro-Daimler die<br />
Aufgaben in einem unheimlichen Tempo erledigte<br />
und so Sieger wurde. Ausser der Zeit<br />
wurde jeder Fehler bei der Wertung in Betracht<br />
gezogen. Hier die<br />
Resultate:<br />
1. Stuck (Austro-Daimler) 94 Pkt.<br />
2. Chiron, Paris (Bugatti) Hl<br />
3. BurgffaJler. Berlin (Bugatti) 147<br />
4. Bernet, Berlin (Wanderer) 151<br />
5. Rosenberger, Pforzheim (Mercedes-B.) 152<br />
6a. Ollendorf. Wolfen (Salmson) 159<br />
6b. Buchwald, Filisur (Dixi) 159<br />
7. Dr. Matosi, Winterthur (Essexj 169<br />
8. Clerici, Milano (Salmson) 170<br />
9. Freuler, Zürich (Steyr) 172<br />
10. Caracciola, Berlin (Mercedes-Benz) 173<br />
11. Dr. Karrer, Zürich (Bugatti) 182<br />
12. Steinweg, München (B. N. C.) 184<br />
13a. Sarbach, Genf (Amilcar) 197<br />
13b. Keller, Zürich (Alfa Romeo) 197<br />
14. Scheibler, Laupen (Fiat) 198<br />
15. Dojmi, München (Mercedes-Benz) 223<br />
16. Momberger, Frankfurt a. M.<br />
(Mercedes-Benz) 224<br />
17. loenholdt Essen (Chrysler) 229<br />
18. Dr. Fisch, Herisau (Bugatti) 237<br />
19a. Weber, Zürich (Ford) 239<br />
19b. Prinz zu Leiningen, Amorbach<br />
(Mercedes-Benz) 239<br />
20. Neuer, Karlsruhe (Adler) 243<br />
21. Guebelin, Zürich (Chrysler) 252<br />
22. Just, Kandel (Mercedes-Benz) 254<br />
23a. Lambert, Bruxelles (Auburn) 266<br />
23b. Wessels, Bremen (Mercedes-Benz) 266<br />
24. Dr. Ammann, Muri (Auburn) 283<br />
25. Hofmann, Paris (Bugatti) 285<br />
26. Streuli, Zollikon (Buick) 286<br />
27. Zettritz, Berlin (Mercedes-Benz) 298<br />
28. Hirte, Berlin (Mercedes-Benz) 303<br />
29. Buchli, München (Adler) 325<br />
30. de Sterlich, Roma (Maserati) 380<br />
31. Appel, St. Moritz-Bad (Chrysler) 466<br />
32. Kagami, Surrey (Morris) 504<br />
•Bestklassierter Fahrer der Tourenwagen:<br />
Bernet (Wanderer) 151 Punkte t<br />
Bestklassierter Fahrer der Sportwagen:<br />
Burggaller (Bugatti) 147 Punkte<br />
Bestklassierter Fahrer der Rennwagen:<br />
Stuck (Austro-Daimler) 94 Punkte<br />
Der Klausen im Lichte<br />
der Presse<br />
Faroux zum Klausen.<br />
Der bekannte französische Autofachmann<br />
und Schriftsteller Faroux äussert sich in seinem<br />
Klausenartikel im «Auto» folgendermassen<br />
:<br />
«Von der vorzüglichen Organisation habe<br />
ich bis in die Details gesprochen und fühle<br />
mich nun verpflichtet, allen zu danken, die<br />
dem Vertreter des «Auto» mit ausserordentlichem<br />
Wohlwollen entgegengekommen sind.<br />
Da Sie ja alle wissen, dass ich zu Ihren<br />
Freunden gehöre, werden Sie mir wohl ein<br />
paar kritische Worte gestatten.<br />
Das offizielle Programm notiert die maximale<br />
Leistung und die maximale Tourenzahl<br />
(nur bei den Tourenwagen! Red.). Man<br />
kennt den Wahn dieser Ziffern und weiss,<br />
dass kein© von beiden wahr sind. Wäre es<br />
nicht zweckmässiger, das nächste Mal diese<br />
Ziffern wegzulassen? Die Dokumentation der<br />
Wagen ist sicherich gut, aber es wäre bes-<br />
AUTOMOBIL-REVUE <strong>1929</strong> - N° 73<br />
Die Rennstrecke des Bernina - Bergrennens<br />
vom 25. August<br />
flrrivee Ziel /w/7<br />
Cornicdlo<br />
m<br />
2912<br />
1OC0<br />
Qff.el.Pobbid<br />
Rivlsce<br />
£Am2<br />
Pöschiavo<br />
ser, darin keine unwahren Angaben zu belassen.<br />
In zweiter Linie finden sich im Reglement<br />
für die konkurrierenden Wagen Maximalzeiten<br />
(je nach dem Zylinderinhalt) für die<br />
Durchfahrt der Strecke als Grenze für di©<br />
Klassierung: 25 Minuten für einen 500er-McHtor,<br />
einen 750er oder einen 1000er mag richtig<br />
sein, aber 40 Minuten für 100 cem oder<br />
45 Minuten für 75 cem ist nicht mehr gerecht.<br />
Man hat es hier in der Hand, die Zahlen<br />
der Wirklichkeit anzupassen, um sie nicht<br />
auf gut Glück hin schreiben zu müssen.<br />
Das sind allerdings nur unbedeutende Sachen,<br />
die dem prächtigen Gelingen<br />
sens keinen Eintrag tun.<br />
Sarbach<br />
Suchen wir die Erkenntnisse zu finden,<br />
denn aus dem Nürburgring wie aus dem<br />
Klausen lassen sich Lehren ziehen. Der Automobil-Club<br />
von Frankreich war am Klausen<br />
durch Herrn Perreire und am Nürburgring<br />
durch Herrn C. de Beauregard vertreten.<br />
Hoffentlich wird es sich am «Grand Prix<br />
National» und am Bergrennen der Ventoux<br />
zeigen, dass wir «etwas» begriffen haben.<br />
Wir wünschen unsern ausländischen Kameraden,<br />
wenn sie nach Frankreich kommen,<br />
einen ebenso würdigen Empfang durch einen<br />
Delegierten von der Bedeutung wie Ingenieur<br />
Jonasz in Deutschland oder Dr. Schmidlin<br />
in der Schweiz. Alles wird dann gut ge<br />
hen. Ich bin überzeugt, dass man auch in<br />
Frankreich sich eine Ehre daraus machen<br />
wird, alles Notwendige vorzusehen.<br />
C. Faroux.»<br />
Späte Einsicht...<br />
Im Kanton Schwyz nämlich. In hochsommerlicher<br />
Temperatur haben die Ratsherren<br />
des Standes Schwyz getagt und sich die<br />
Zahlen des Rechenschaftsberichtes der Regierung<br />
näher angesehen. Sie haben dabei ein<br />
etwelches Schmunzeln nicht unterdrücken<br />
können, da das Geschäftsergebnis über Erwarten<br />
gut und die Staatsmaschinerie deshalb<br />
als gesund erklärt werden konnte. Der Einnahmenüberschuss<br />
beträgt 57 698.35 Franken,<br />
so dass sich gegenüber dem Budget ejne<br />
Mehreinnahme von 84293.35 Franken ergibt.<br />
Aber trotz dieser schönen Zahlen scheint<br />
es im Ländchen Schwyz zu hapern. Nicht<br />
nur sind die Automobilkontrollen noch eine<br />
recht rückständige Institution, die dem Lande<br />
mehr Schaden als Nutzen einbringen, sondern<br />
auch das Steuergesetz mit seinen 80 Jahren<br />
soll recht rückständig sein und dem modernen<br />
Staate viel Geld hinterhalten. Die Erfüllung<br />
neuer und moderner Staatspflichten<br />
werde sogar, wie einer in der Presse behauptet,<br />
durch dieses veraltete Steuergesetz gänzljch<br />
verunmöglicht.<br />
Unter die modernen Staatspflichten gehört<br />
auf alle Fälle auch der Strassenbau, und hier<br />
happert es nun recht bedenklich. Es gibt ja<br />
im Kanton Schwyz löbliche Ausnahmen; fortschrittliche<br />
Ortschaften haben auf eigene<br />
Kosten ihre Strassen modernisiert, sogar<br />
mit Asphalt und Kleinpflästerung versehen.<br />
Allein das schwyzerische Strassennetz als<br />
solches, das für den internationalen Durchgangsverkehr<br />
eine bedeutende Rolle spielt,<br />
lässt mehr als zu wünschen übrig. Es sollte<br />
korrigiert und verbessert werden. Und dazu<br />
fehlen die Mittel.<br />
Was machen? Man wendet seine Augen<br />
nach Bern und erhofft Hilfe aus dem Westen.<br />
Wenn der Kanton nicht in der Lage ist, die<br />
finanziellen Mittel zur Modernisierung seines<br />
Strassennetzes aufzubringen, so soll der<br />
Bund helfen. « Hilf du, lieber Bund », so tönt<br />
es jetzt aus den schwyzerischen Bergen. Er<br />
sei ja in erster Linie aus militärischen und<br />
verkehrspolitischen Gründen an der Erhaltung<br />
der internationalen Durchgangsstrassen<br />
interessiert. Und nun erinnert man sich im<br />
Ländchen der Mythen auch des Benzinzollanteils.<br />
«Und mit einem gewissen Gefühl der<br />
Erbitterung», so stand in verschiedenen <strong>Zeitung</strong>en<br />
zu lesen, «stehe man heute im Kanton<br />
Schwyz dem eidgenössischen Benzinzollanteil<br />
gegenüber, der mit 154720.70 Franken<br />
nicht einmal die Durchführung der Strassenumbauten<br />
von Gersau, Brunnen und Siebnen<br />
ermöglicht hätte.» Die Erleuchtung, die sich<br />
vor dem 12. Mai <strong>1929</strong> nicht einstellen wollte,<br />
ist also nun auch bei den Schwyzern gekommen.<br />
Im Kantonsrat wurde der definitive Antrag<br />
gestellt, die Regierung habe beim Bundesrate<br />
eine Eingabe zu machen und darauf<br />
zu dringen, dass der Band den Benzinzollanteil<br />
erhöhe und den Verteilungsmodus den<br />
Verhältnissen entsprechend abändere. Ebenso<br />
soll er aus dem Ausgleichsfonds dem Kanton<br />
Schwyz einen grösseren Betrag auszahlen.<br />
Also: der schwyzerische Kantonsrat und<br />
die schwyzerischen Politiker sind ebenfa'ls<br />
zur Einsicht gekommen, dass mit dem Benzinzollviertel<br />
nicht mehr weiter kutschiert<br />
werden kann und dass der berühmte Verteilungsschlüssel<br />
abgeändert werden müsse. Sie<br />
geben damit der «Automobil-Revue» recht,<br />
die von allem Anfang an sich gegen diesen<br />
Verteilungsmodus wandte und deshalb auch<br />
die Strassenverkehrs - Initiative aus guten<br />
Gründen verteidigte.<br />
Nun sind wir gespannt. In wenigen Wochen<br />
wird die Septembersession im eidgenössischen<br />
Bundeshaus beginnen. Im Ständerat<br />
wurde durch das Postulat Amstalden ein erster<br />
Vorstoss gemacht. Es ist zu erwarten,<br />
dass die Herren Ständeräte Ochsner und Sater<br />
die Forderung Amstaldens wärmstens<br />
unterstützen werden. Und im Nationalrat<br />
werden die schwyzerischen Vertreter wohl<br />
ebenfalls eine Lanze für einen neuen Benzinzollverteilungsmodus<br />
brechen und da die<br />
Dämmerung aus den Tälern weicht, dürften<br />
sie mit ihren Forderungen nicht allein auf<br />
weiter Flur stehen. Hoffen wir das Beste. K.<br />
Grosser Preis von Monza. Der Royal-<br />
Automobil-Club von Italien bringt jetzt seine<br />
Ausschreibung: für den Grossen Preis von<br />
Monza, der am 15. September auf der Automobilrennbahn<br />
zu Monza auf Sizilien ausgetragen<br />
wird. Zu dem Rennen wird in drei<br />
Klassen über je 22 Runden zu 4,5 Kilometer<br />
gestartet. Gleichzeitig wird der Wettbewerb<br />
als Meisterschaft von Italien gewertet. Die<br />
ersten drei einer jeden Kategorie qualifizieren<br />
sich für den Endlauf um den Grossen Preis<br />
von Monza, der über die gleiche Distanz<br />
geht.<br />
Erleuchtetes Militär. Infolge vorgekommener<br />
Unfälle trägt sich die französische Militärbehörde<br />
mit der Absicht, den bei Nacht auf öffentlichen<br />
Strassen verkehrenden Truppenteilen eine besondere<br />
Beleuchtung vorzuschreiben, die dieselben auf eine<br />
gewisse Entfernung für Motorfahrer kenntlich<br />
macht. -—