E_1931_Zeitung_Nr.050
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Strandbad-Nummer<br />
Bern, Dienstag, 16. Juni <strong>1931</strong> IV. Blatt der „Automobil-Revue" No. 50<br />
Es lebe das Wasser!...<br />
Eine leuchte Plauderei.<br />
Vor hundert Jahren gingen unsern Vor- der Lärm der Aussenwelt kaum, dafür werfahren<br />
die Augen auf und sie entdeckten die den merkwürdig rauschende und gurgelnde<br />
Schönheiten der Alpen mit ihren Gletschern, Geräusche hörbar, alle in einer Tonlage und<br />
Wasserfällen und Firnfeldern. Heute geht's Lautstärke, die ganz unheimlich anmuten,<br />
uns ähnlich: wir entdecken unsere Seen und Leider muss -der Mensch gar schnell von die-<br />
Flüsse. Wasser und Sonne sind «grosse ser Unterwelt wieder Abschied nehmen!<br />
Mode» geworden. Es ist keine Schande mehr, Das Schwimmen ist des Badenden Lust,<br />
wie ein begossener Pudel dazustehen, oder Hier macht der ganze Körper, von Fuss bis<br />
eine Gänsehaut zu kriegen, oder mit einem Kopf, mit; Arme und Beine arbeiten im Vierrotbraunen<br />
Gesicht wie ein Zigeuner herum- takt miteinander wie ein richtiger Motor,<br />
zulaufen. Man darf ruhig den Grund und Bo- Eigentlich komisch, dass der Mensch das<br />
den verlieren, ohne befürchten zu müssen, Schwimmen zuerst lernen muss, wo die<br />
ausgelacht zu werden. Früher scheuten ge- Tiere doch alle sofort schwimmen können,<br />
brannte Kinder das Feuer, heute suchen son- wenn sie ins Wasser fallen! In Tat und<br />
nenverbrannte Kinder das Feuer der Sonne. Wahrheit ist das Schwimmen leicht zu er-<br />
Die Sonnsucht verdrängt alle andern Sehn- lernen. Man bedenke doch, dass das Wasser<br />
suchte. Alle Schichten der Bevölkerung sind den grössten Teil unseres Gewichtes trägt<br />
von der Begeisterung erfasst. Menschen, und dass nur noch 2—4 Kilo durch eigene Andenen<br />
das Wassei wahrhaftig bis an den strenews über Wasser gehalten werden<br />
Das Bergstrandbad<br />
Der Caumasee bei Flims<br />
Hals reicht, quietschen vor Vergnügen und<br />
Leute, die schon längst trocken hinter den<br />
Ohren sein sollten, stürzen kopfvoran in die<br />
nasse Flut. Der Mensch ist zum Amphibium<br />
geworden, das im flüssigen Element sich<br />
ebenso zu Hause fühlt wie auf dem festen<br />
Lande, das sich fast schmerzlos zu häuten*<br />
versteht und kaltblütig ins Wasser steigt.<br />
Der Wasserkult hat in unzähligen Strandbädern<br />
seine Tempel gefunden. Dort liegen<br />
seine Anhänger auf dem Bauch oder Rücken<br />
oder tummeln sich im Wasser. Aber nicht<br />
nur an Seen und Flüssen finden wir diese<br />
Stätten des Wasser-Service, bis ins Hochgebirge<br />
haben sie sich angesiedelt, dort wo<br />
die Sonne ultraviolett strahlt und dem Wasser<br />
auf dem nicht mehr «ungewöhnlichen<br />
Wege », der elektrischen Heizung die nötige<br />
Qefühlswärme beigebracht wird.<br />
Ein Strandbad, das sagt schön der Name,<br />
zerfällt in zwei sich berührende Teile: den<br />
«Strand» und das «Bad». Auch die Badegäste<br />
teilen sich, von den Zaungästen abgesehen, in<br />
zwei Kategorien: die Nassen und die<br />
Trockenen.<br />
Die Nassen sind, ganz im Gegensatz zu<br />
amerikanischen Verhältnissen, Liebhaber des<br />
Wassers. Es geht ihnen nichts über das<br />
Wasser, wenn auch das Wasser oft über sie<br />
geht. Sie lassen sich vom Wasser auf- und<br />
einnehmen, von ihm umschlingen und verschlingen,<br />
emporwerfen, wiegen, streicheln,<br />
liebkosen, umhertragen. Sie freuen sich seiner<br />
Kühle, die noch lange nicht Sprödigkeit bedeutet,<br />
und seiner Nachgiebigkeit, die hier<br />
eine Tugend und keine Schwäche ist. Selbst<br />
das «harte» Wasser ist nie wirklich hart (ausser<br />
etwa bei einem missglückten Kopfsprung),<br />
es ist immer schön sammetweich.<br />
Und dann die Pracht seiner Farben! Schneller<br />
als eine Frau ihr Kleid wechselt es seine<br />
Farbe. Bald blau wie tiefe Kinderaugen,<br />
bald grau wie die Wolken, bald grün wie ein<br />
Smaragd, bald mit glitzernden Wellchen wie<br />
mit Geschmeide übersät — immer ist es neu<br />
und schön und verlockend. Doch am schönsten<br />
ist das Wasser von unten. Da schimmert<br />
es magischgrün wie eine Eisgrotte und die<br />
Oberfläche erscheint als ein silberner Spiegel.<br />
Das Wasser selbst ist in diesem Räume<br />
unsichtbar, der an eine feenhafte Landschaft<br />
erinnert, in der Fische wie flinke Zeppeline<br />
umhersegeln und Bläschen wie Piccardsche<br />
Ballone sich vom Grunde loslösen und in die<br />
Wasser-Stratosphäre steigen. Hierher dringt<br />
Freuden des Strandes (moto rTiSern)<br />
müssen. Der Kraftaufwand ist also gering,<br />
wenn nur die Lage des Körpers richtig und<br />
die Bewegungen zweckmässig sind. Aber der<br />
Nichtschwimmer vollführt im Wasser ausgerechnet<br />
die Bewegungen, die ihn am sichersten<br />
unters Wasser ziehen. Während das<br />
Tier natürlicherweise auch im Wasser die<br />
gleichen Laufbewegungen macht wie auf dem<br />
Lande (nur etwas schneller, weil das Wasser<br />
nachgibt), so stellt sich der Mensch senkrecht<br />
statt wagrecht und schlägt mit Händen und<br />
Füssen um sich — alles Bewegungen, die das<br />
Untersinken begünstigen.<br />
Kinder im Alter von 7—9 Jahren können<br />
ohne jede Anleitung schwimmen lernen, wenn<br />
sie keine Angst vor dem Wasser haben. Ich<br />
sah einmal zwei Knaben, die ganz von selbst<br />
auf eine natürliche Art das Schwimmen erlernten.<br />
Sie hatten gemerkt, dass man unter<br />
Wasser mit Leichtigkeit schwimmen<br />
kann. Unablässig tauchten sie an einer nicht<br />
zu tiefen Stelle die Köpfe unter Wasser und<br />
schwammen eine Zeitlang, um dann wieder<br />
Fuss — und Luft — zu fassen. Glückliche<br />
Jungen! In ein paar Jahren werden sie<br />
schwimmen wie die Fische, «crawlen» wie die<br />
Professionellen, mit den Armen rudern, sich<br />
auf dem Rücken vorwärtsschieben, Wassertreten,<br />
Kopfsprünge absolvieren und was dergleichen<br />
Wasserkünste mehr sind.<br />
Aber das Strandbad ist nicht nur eine Angelegenheit<br />
des Schwimmens. Es ist ebensogut<br />
eine Modeschau und ein Spielplatz. Das<br />
Pyjama hat sich aus dem Schlafzimmer herausgewagt<br />
und stolziert unter freiem Himmel.<br />
Badekostüme bringen aparte farbige Striche<br />
und Noten in das bewegte Bild hinein. Riesige<br />
Schirme sprossen wie mächtige Pilze auf<br />
grünem Rasen und wölben sich über Tischchen.<br />
Im anliegenden Teeraum plärrt ein<br />
Lautsprecher von Mondenschein und silbernen<br />
Wellen...<br />
Die Verehrer des Wasserkults sind aber<br />
nicht nur innerhalb der Strandbäder zu finden.<br />
An jedem annehmbaren Uferplätzchen<br />
wird dem Baden gefrönt. Dazu kommen noch<br />
diejenigen, welche dem Wasser mit faltbaren<br />
Booten, mit Seglern oder mit Motorbooten<br />
auf den nassen Leib rücken. Sie können sich<br />
ihre Badeplätze auf ihren Wanderungen aussuchen,<br />
wie es ihnen beliebt.<br />
Ja, das Wasser hat Hochkonjunktur. Die<br />
Menschheit, es klingt komisch, ist vom Wasser<br />
berauscht. Wer die belebende Wirkung<br />
des Wassers an einem heissen Tage am eigenen<br />
Leibe erfährt, ist seinem Zauber verfallen.<br />
Was wäre der Sommer ohne die erfrischenden<br />
Bäder im Freien, ohne die Kühle<br />
des ewig sich erneuernden Wassers? Es lebe<br />
das Wasser! G. M.<br />
Kleider machen Leute<br />
Ein Notschrei.<br />
Einmal möge von einer Kleinigkeit gesprochen<br />
werden: von Kragen, Krawatte<br />
und Weste im Sommer. Wir nennen uns<br />
z.War gern modern, schwimmen zwischen<br />
Radio, Plugzeug und Dynamo, als wäre es<br />
von jeher unser Element, aber in einem<br />
Punkt sind die Männer im Biedermeier<br />
stecken geblieben: in der Kleidung. Wenn<br />
man im Sommer durch die Strassen der<br />
Städte geht, muss man sich wirklich fragen,<br />
ob die Männer bei gesundem Verstand<br />
sind. Dass man im Sommer keinen Hut<br />
braucht, hat sich zwar langsam herumgesprochen,<br />
doch scheint damit das Maximum<br />
männlicher Kühnheit erreicht zu sein.<br />
Ueberall schwerumpanzerte, kläglich aussehende<br />
Geschöpfe in langen Hosen, die<br />
Brust eng umschlossen von einer luftundurchlässigen<br />
Weste, um den Hals — als<br />
wehte der kälteste Nordwind — ein weisses<br />
Stück durchschwitzter Leinwand und aus<br />
ihm neckisch hervorlugend ein bunter Stofffetzen.<br />
So sieht der moderne Mann anno<br />
<strong>1931</strong> aus.<br />
Wundert man sich 1 da 1 noch, dass die<br />
Frauen die Männer letzten Endes für dumm<br />
halten? Und diese wahnsinnige mittelalterliche<br />
«Kleidung» wird selbst in den Arbeitsstätten<br />
beibehalten. Man gehe über Bauplätze<br />
und sehe, wie sich Arbeiter in Hemd<br />
und Weste bei 40 Grad Hitze in der Sonne<br />
rackern, statt diese gänzlich überflüssigen<br />
die Arbeit hemmenden Kleidungsstücke abzuwerfen.<br />
Man gehe durch irgendeine gewerbliche<br />
Werkstätte und wird dort ansonsten<br />
vernünftig scheinende Menschen in<br />
Hitze und Ausdünstungen aller Art mit Kragen<br />
und Krawatte umgürtet herumlaufen<br />
finden. Künftige Geschlechter werden es<br />
nicht glauben, aber es war so. — Und wer<br />
gar ohne Rock durch die Strasse geht in<br />
der naiven Voraussetzung, dass dieses winterliche<br />
Kleidungsstück im Sommer nichts<br />
am Leibe zu suchen hat, wird als Narr angeschaut.<br />
Obwohl sich darüber streiten<br />
Hesse, wer der Narr ist: der, der ein überflüssiges,<br />
unrationelles und daher hässliches<br />
(schön ist nur, was funktionell richtig ist)<br />
Kleidungsstück ablegt, oder die anderen,<br />
die am liebsten noch Allongeperücke und<br />
Rokokofrack tragen würden, weil schon<br />
Grosspapa so herumstolziert ist. Wenn man<br />
die Männer in ihrer Tracht durch unsere<br />
sommerlichen Städte laufen sieht, dann<br />
wundert man sich wirklich nicht, warum<br />
alles Vernünftige so verflucht langsam vorwärts<br />
geht. Man staunt eher, dass es überhaupt<br />
vorwärts geht. R.<br />
Fataler Irrtum. Die eine Freundin : « Was<br />
ist eigentlich der Grund zu eurer Scheidung<br />
Ein Film, der in Basel verboten war, darf<br />
in Bern gezeigt werden. Stolz weitet sich<br />
meine Bernerbrust. Da wird hingegangen.<br />
Wie, ist vorderhand noch eine Frage. Auch<br />
ich bin arm und meine drei Groschen werden<br />
mir die Tore des Lichtspielpalastes nicht<br />
öffnen. Drei Groschen: ein Glas Bier und ein<br />
beschämend mageres Trinkgeld. Aber ich<br />
wag's. Ich habe in jenem Kino Beziehungen.<br />
Und schon an der Kasse eine wundervoll©<br />
Frau. Und sie nimmt Logenplatz... Ich<br />
hätte ja die Kassiererin, die mich kennt, bitten<br />
können, mich auf Anzahlung hineingehen<br />
zu lassen... aber Logenpreise bin ich ja keineswegs<br />
gewillt zu zahlen. Ich verzichtete<br />
auf die Kassiererin, nähere mich dem Portier,<br />
der mich ebenfalls kennt (vor Jahren — unser<br />
Gymnasium lag neben dem Kino — hatten<br />
wir diesen Portier mit Zigaretten und<br />
Bier traktiert in den Pausen, und der Mann<br />
erinnerte sich dessen noch wohl) drückte ihm<br />
meine drei letzten Zehner in die Hand und<br />
flüsterte: «Loge, neben der Dame.»<br />
Die Moritat hebt an:<br />
«Und der Haifisch, der trägt Zähne,<br />
Und die trägt er im Gesicht,<br />
Und Macheath, der trägt ein Messer,<br />
Doch das Messer sieht man nicht »<br />
Der Zuschauer aber, den der Film überall,<br />
auch an die verborgensten Orte führt, hat es<br />
• •<br />
„Dreigroschenoper"<br />
„Du, ich höre Deinen Herzschlag —<br />
wie schnell und unregelmässig!*<br />
„Du irrst! Als Medizinerin kann ich Dir sagen,<br />
daß Du nicht meinen Herzschlag, sondern<br />
Deinen eigenen Puls gehört hast, der Dir im<br />
Ohr klingt, sobald Du es uerdeckst. Bitte,<br />
fühle meinen Puls; er ist ganz ruhig und<br />
normal. - Siehst Du, 72 in der Minute.*<br />
„Woher nur bei mir diese Pulssteigerung?*<br />
,Hun, Du und Dein unbelehrbarer Freund<br />
mußten natürlich heute nach Tisch wieder<br />
starken coffeinhaltigen Kaffee trinken*.<br />
Jen hätte nicht gedacht, dass die Coffein-<br />
Wirkung so auffällig sein könnte. - Überdies<br />
schmeckt der coffeinfreie Kaffee Hag ja auch<br />
ganz uorzüglich".<br />
,Es ist schon so, Alfred, wie ich Dir immer sage<br />
gewesen ? > Die andere : «Wir hatten eines<br />
Tages unsere Tagebücher verwechselt!» i(aif e« Hag bleibt<br />
89 - 90 - 91 - 92<br />
Kaff«« Hag."