E_1934_Zeitung_Nr.054
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18 AUTOMOBIL-REVUE <strong>1934</strong> - N° 54<br />
Schweizer Carrosserle.<br />
Noch immer können wir es nicht verstehen, dass<br />
durch die letzthin beschlossene Liquidation der Martini<br />
AG. der Bau von Schweizer Personenautomobilen<br />
endgültig aufgegeben sein soll. Es ist tief bedauerlich,<br />
dass es der schweizerischen Volkswirtschaft<br />
durch eine zielbewusste Unterstützung durch<br />
Behörden und Automobilisten nicht gelungen ist, die<br />
Preisgabe der einst — um die Jahrhundertwende —<br />
blühenden Personenwagenindustrie zu verhindern.<br />
Unser Industriestaat besitzt heute keine eigene Personenwagenindustrie<br />
mehr, und dies im Zeitalter<br />
des Motors! Wir sind dem Auslande tributpflichtig<br />
geworden, und Millionen Schweizerfranken rollen<br />
jährlich ins Ausland; sogar unsere Militärverwaltung<br />
ist für die nächste Zukunft bei Personenwagen<br />
vom Auslande abhängig. Ob dies gut und notwendig<br />
war, möge jeder besser selber entscheiden.<br />
Vor kurzem, als die Standardisierung im Automobilbau<br />
immer grössere Triumphe feierte, schien<br />
es, als ob die schweizerische Carrosserie-Industrie<br />
über kurz oder lang dasselbe Schicksal erleiden sollte.<br />
Die Sorge um unsere durch den Automobilimport<br />
verschlechterte Handelsbilanz, der Ruf nach Beschäftigung<br />
der Arbeitslosen und das Bestreben, unserm<br />
Lande wenigstens die Lastwagenindustrie zu<br />
erhalten, führten dann bekanntlich zu gewissen Importerschwerungen<br />
des Bundes gegenüber einigen<br />
Auslandsstaaten. Dank diesen wohlerwogenen<br />
Schutzmassnahmen ist es gelungen, den Niedergang<br />
auch der schweizer. Carrosserie-Industrie aufzuhalten<br />
und solche zu schöner Entwicklung zu bringen.<br />
In der Schweiz bestehen heute wiederum über 60<br />
leistungsfähige Carrosseriebetriebe, welche in der<br />
Lage sind, ca. 3000 Arbeitern Arbeit und Verdienst<br />
zu geben. Der früher oft gehörte Vorwurf, die<br />
schweizer. Carrosserie-Industrie sei leistungsunfähig<br />
und viel zu teuer, sie verstehe die Serienfabrikation<br />
nicht und könne "nicht qualitativ so gut liefern wie<br />
das Ausland, ist auf einmal verstummt. Es hat sich<br />
gezeigt, dass lediglich die Preisgabe dieser Branche<br />
durch die Behörden während einigen Jahren den<br />
Niedergang der Carrosserie-Industrie in der Schweiz<br />
ins Rollen gebracht hatte; heute, bei einem bescheidenen,<br />
aber durchaus gerechtfertigten Schütze, ist<br />
eine bodenständige Industriegruppe zu neuem pulsierendem<br />
Leben erweckt worden. Es handelt sich<br />
nicht nur um die ca.. 3000 Arbeitnehmer, sondern<br />
es ist darauf zu verweisen, dass Hunderte von weitern<br />
Arbeitern beschäftigt werden in denjenigen<br />
Schweizer Betrieben, welche als Lieferanten der<br />
Carrosserie-Industrie in Frage kommen: Rosshaarspinnereien,<br />
Gummistoff-Fabriken, Beschlägefabrikanten,<br />
Glasindustrie, Spengler, Maler, Lederfabrikanten,<br />
Tuchfabriken etc.<br />
Die Schweiz. Carrosserie-Industrie stellt heute<br />
serienmässig mit viel Geschick und Erfolg Hunderte<br />
von rassigen Cabriolets für den Schweizermarkt her<br />
und zu Preisen und Qualität, die sich mit jeder<br />
ausländischen Konkurrenz messen dürfen.<br />
Eine relativ kleine Verteuerung des fertig car<br />
rossierten Wagens ist bedingt wegen der im Vergleich<br />
zum Ausland doppelt so hohen Löhne und<br />
der in der Schweiz allgemein — wenigstens im Vergleich<br />
zum Auslande — übersetzten allgemeinen<br />
Unkosten, eine Folge unseres hohen Lebensstan<br />
dardös.<br />
Dass auch der Staat nach Möglichkeit versucht,<br />
diesen immer mehr an Bedeutung zunehmenden<br />
Erwerbszweig unter den heutigen Wirtschaftsverhältnissen<br />
zu schützen, geht aus dem seinerzeitigen<br />
Erlass über eine 4Oprozenüge Zollrückvergütung<br />
hervor, und zwar für diejenigen importierten<br />
Automobilchassiß, die in unserem Lande carrossiert<br />
werden. Diese, im Zeichen der Unterstützung<br />
einheimischer Gewerbe und Erhaltung<br />
schweizerischer Arbeitskraft stehende Zollmassnahme<br />
versucht somit zum vorneherein dem<br />
Automobilimporteur einen finanziellen Anreiz zu<br />
verleihen, das hochstehende Carrosseriegewerbe der<br />
Schweiz zu berücksichtigen. Dass sich dieser Erwerbszweig<br />
mit der ausländischen Konkurrenz auf<br />
der ganzen • Linie hinsichtlich Qualität ihrer Produkte<br />
messen kann, ergibt sich deutlich aus den an<br />
internationalen Automobilausstellungen erzielten Erfolgen,<br />
Postautomobilverkehr und Zusammenhänge<br />
mit dem Autogewerbe.<br />
(Ing. Rob. Endtner, Abteilungschef bei der Generaldirektion<br />
PTT.)<br />
Wenn man vom Postautomobilverkehr spricht,<br />
denkt jedermann unwillkürlich an die Alpenposten,<br />
das heisst an jenen Zweig der Reisepost, der sich<br />
vorwiegend mit dem Fremden- und Touristenverkehr<br />
befasst. Von Lichtbildervorträgen und <strong>Zeitung</strong>sartikeln<br />
her ist ihm hauptsächlich diese Art<br />
des Postautomobilbetriebes bekannt. Neben den<br />
Alpenposten bestehen aber noch weitere Zweige des<br />
Postautomobildienstes, die weniger auffällig sind,<br />
für die keine Propaganda gemacht wird, jedoch<br />
ebenso unentbehrlich und wichtig sind.<br />
Jedermann kommt täglich, direkt oder indirekt,<br />
mit den Postautomobilen in Berührung, die ausschliesslich<br />
dem Postsachentransport vorbehalten<br />
sind und innerhalb von bestimmten Ortschaften verwendet<br />
werden. Sie besorgen zweierlei Verrichtungen:<br />
Den Uebermittlungs- und den Zustelldienst,<br />
die kurzerhand als Ortsdienst bezeichnet werden.<br />
Der Uebermittlungsdienst umfasst die Abholung<br />
von Briefen an den Briefeinwürfen, den Transport<br />
von Sendungen aller Art, wie Briefe, Drucksachen,<br />
Waren, Geld usw., die der Post zum Versand anvertraut<br />
worden sind, von den einzelnen Ortspoststellen<br />
zum Zentralpostamt oder zu einer Sammelstelle<br />
oder zum Bahnhof. Ferner die Abholung der für<br />
die bestimmte Ortschaft von auswärts mit der Bahn<br />
oder andern Verkehrsmitteln zu fahrplanmässigen<br />
Zeiten eintreffenden Postsendungen und deren Verbringung,<br />
sei es zur Zentralpoststelle oder an Postfilialen.<br />
Der Zustelldienst umfasst alle die dienstlichen<br />
Handlungen, die mit der Vertragung der Post, d. h.<br />
mit der Beförderung der Postsachen zwischen Poststelle<br />
und Postempfänger im Zusammenhang stehen.<br />
Sowohl Uebermittlungs- als auch Zustelldienst<br />
wurden früher, besonders an Orten, wo der Postverkehr<br />
einen bedeutenden Umfang angenommen<br />
hatte, mit Pferdewagen und an kleineren, verkehrsärmeren<br />
Orten mit Handkarren durchgeführt.<br />
Seit einer Reihe von Jahren jedoch verwendet<br />
die Postverwaltung für beide Dienstarten nicht allein<br />
in den grösseren Städten, sondern auch in kleineren<br />
Ortschaften Motorfahrzeuge; gegenwärtig in mehr<br />
als 30 Ortschaften.<br />
Den Anfang machte Zürich, wo am 7. Juli 1904<br />
zum erstenmal die Abholung der Postsachen bei den<br />
Postfilialen mit einem Benzinfourgon besorgt worden<br />
ist.<br />
Während und besonders nach dem Kriege hatten<br />
die Schwierigkeiten, Futtermittel für die im Post-<br />
dienst verwendeten Pferde zu beschaffen, immer und im Winter aus den Fahrern, die nur im Sommer<br />
Saisonlinien, hauptsächlich die Alpenposten,<br />
grösseren Umfang angenommen. Der Pferdebetrieb<br />
gestaltete sich immer mehr unwirtschaftlich. führen müssen. Seitdem nun aber der Telephonund<br />
der Telegraphendienst und mit dem neuen<br />
Die praktischen Erfahrungen, die die Verwendung<br />
des ersten Benzinautomobils im Uebermittlungsdienst<br />
ermöglicht hatte, legten immer mehr die triebe und Verwaltungen ihre Wagen zur Kontrolle<br />
Automobilgesetz auch verschiedene andere eidg. Be-<br />
Motorisierung des Posttransportes nahe. Anderseits und Instandstellung der Post zur Verfügung halten<br />
müssen, ist diese Werkstätte auch über den<br />
erlaubten die damaligen Benzinpreise, die beschränkte<br />
Benzineinfuhr, ferner die Betriebsstörungen,<br />
die nur durch private Handwerker behoben im Jahr 1933 aus 23 Mann. In dieser Werkstätte<br />
Sommer im Betrieb. Das ständige Personal bestand<br />
werden konnten, und schliesslich auch die verhältnismässig<br />
schwierige Bedienung, nicht einen soforgeführt:<br />
wurden im gleichen Jahr 108 Hauptrevisionen austigen,<br />
allseitigen Uebertritt zum Automobildienst. an 71 Wagen des Postdienstes,<br />
Sobald in der Schweiz das erste brauchbare elektrische<br />
Fahrzeug konstruiert worden war, befasste an 8 Motorrädern des Telegraphen- und Tele-<br />
an 29 Wagen des Telegr.- und Telephondienstes,<br />
sich die Postverwaltung mit dem Gedanken, die finanziellen<br />
Vorteile des in der Schweiz leicht zu be-<br />
dazu 104 Teilrevisionen und grössere Reparaturen.<br />
phondienstes,<br />
schaffenden Betriebsstromes auszunützen. Sie Die Kursgruppen, selbständigen Linien und die<br />
machte einen ersten Versuch mit dem elektrischen Ortsgruppen haben überdies Garagen, verbunden<br />
Dreirad von Tribelhorn und wiederum war Zürich<br />
zur erstmaligen Verwendung eines neuen Verkehrsmittels<br />
bestimmt. Dies erfolgte am 1. Oktober 1916.<br />
Heute verkehren im* Ortsdienst rund 180 Benzinfahrzeuge<br />
und rund 80 elektrische Fahrzeuge.<br />
Wenn wir eingangs von Alpenposten und Reisepost<br />
gesprochen haben, so müsste nun hervorgehoben<br />
werden, dass der wesentlichere Teil des Postautomobildienstes<br />
gerade die Personenbeförderung<br />
betrifft. In Ausführung von Art 36. der Bundesverfassung,<br />
der lautet: «Das Post-und Telegraphenwesen<br />
im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft<br />
ist Bundessache, ist der Postverwaltung durch das<br />
Postverkehrsgesetz vom 2. Oktober 1924 das ausschliessliche<br />
Recht verliehen worden, Reisende mit<br />
regelmässigen Fahrten zu befördern. Das nämliche<br />
Verkehrsgesetz bestimmt, dass für die gewerbemässige<br />
Reisendenbeförderung mit regelmässigen Fahrten<br />
Konzessionen erteilt werden können. Von diesem<br />
verfassungsmässigen Recht macht die Postverwaltung<br />
dadurch Gebrauch, dass sie die Personentransporte<br />
teils in Regie ausführen läset, d. h. mit<br />
Wagen und Fahrpersonal der Verwaltung; teils aber<br />
vergibt sie die Führung von Postkursen vertraglich<br />
gegen feste Zahlungen an Unternehmer — Fostautohalter<br />
genannt —, die mit eigenen, von ihrem<br />
Personal gesteuerten Fahrzeugen Postreißende und<br />
Postsachen befördern. Im Jahr 1932 Betriebslänge<br />
in Regie: 1156 km, während in Autohalterkursen.<br />
2238 km.<br />
Oder sie erteilt an Privatunternehmungen Konzessionen,<br />
womit diese Unternehmungen zur regelmässigen<br />
und periodischen Beförderung von Personen<br />
auf Grund eines Fahrplans und eines Tarifs<br />
ermächtigt werden, dafür aber auf Verlangen der<br />
Postverwaltung verpflichtet werden können, Postsendungen<br />
aller Art mit allen fahrplanmässigen<br />
Kursen zu befördern.<br />
Die Motorsierung des Postbetriebes brachte die<br />
Notwendigkeit, für die laufenden Reparaturen und<br />
Revisionen der eigenen Wagen Werkstätten zu<br />
schaffen, die nicht nur für die sorgfältigste Bereithaltung,<br />
sondern auch für die rasche Instandstellung<br />
des Fahrmaterials aufzukommen haben.<br />
In Bern befindet sich die Hauptreparaturwerkstätte<br />
und die Hauptreserve. Die Reparaturwerkstätte<br />
besorgt im allgemeinen sämtliche grösseren<br />
Reparaturen und Revisionen der mechanischen<br />
Teile des Chassis, während die Karosserien durch<br />
Private repariert, revidiert und neu erstellt werden.<br />
.Das Personal dieser Reparaturwerkstätte rekrutiert<br />
sich aus den Ueberzähligen, dem Reservebestand<br />
^nhan^evLuppelun^<br />
mit kleineren Reparaturwerkstätten, die von einem<br />
verantwortlichen Garagechef geleitet werden. Aufgabe<br />
dieses Garagechefs ist es, den Betrieb seiner<br />
Gruppe technisch zu leiten, durch fortwährend<br />
guten Unterhalt der Fahrzeuge die Kilometerleistung<br />
möglichst hoch zu halten, ohne dass Reparaturen<br />
vorzeitig nötig werden. Nur in seltenen<br />
Fällen und in neueren grösseren Garagen, wie in<br />
Zürich, oder Chur, oder St. Moritz kommt es ausnahmsweise<br />
vor, dass Revisionen vorgenommen<br />
werden, wenn der Transport in die Hauptwerkstätte<br />
nicht mehr möglich ist.<br />
Vielfach und nicht allein in Kreisen der interessierten<br />
Jfrivatindustrie wird gegen die Postverwaltung<br />
der Vorwurf erhoben, durch die Angliederung<br />
von Automobilbetrieben zur Bedienung von Linien,<br />
die ausgesprochen touristischen Charakter aufweisen,<br />
konkurrenziere sie unbefugterweise die freierwerbenden<br />
Garagisten. Ferner habe sie, dadurch<br />
dass sie die nach Bedarf ausgeführten regelmässigen<br />
Autofahrten dem Konzessionszwang unterstelle,<br />
gegen die Gewerbefreiheit verstossen. Es ist manchmal<br />
schwer, gegen vorgefasste, von privaten Interessen<br />
beeinflusste Meinungen zu kämpfen, selbst<br />
dann, wenn deren Grundlosigkeit leicht nachweisbar<br />
ist.<br />
Durch die Herausgabe der Alpenbücher und die<br />
Erstellung der bekannten Routenkärtchen wird in<br />
ein breites Publikum eine gediegene und nebenbei<br />
bildende Propaganda getragen, deren Auswirkung<br />
nicht in erster Linie der Post zugute kommt, sondern<br />
es wird beabsichtigt, den Verkehr im allgemeinen<br />
zu heben. Nicht zuletzt profitieren die Automobilgesellschaften<br />
im In- und Auslande: auch der<br />
Automobilverkehr mit kleineren Wagen, also das<br />
Automobilgewerbe im allgemeinen zieht Nutzen<br />
davon.<br />
Wenn die Postverwaltung über die Alpenpässe<br />
und in die verschiedensten Alpentäler hinein Postkurse<br />
auf ihre Verantwortung eingeführt hat, so<br />
hat sie es nicht aus Gründen des Erwerbes getan,<br />
sondern um dem Touristen und dem Fremden die<br />
Möglichkeit zu verschaffen, unser Land kennen zu<br />
lernen. Dadurch aber, dass das Postauto verschiedene<br />
für den Reiseverkehr nicht ungefährliche.<br />
Routen befahren hat, mussten automatisch die<br />
Strassen verbessert werden, um den notwendig sich<br />
steigernden Automobilverkehr aufnehmen zu können.<br />
Der Postautomobilverkehr im Bündnerland<br />
darf wohl als Schrittmacher für den Automobilverkehr<br />
und damit für das Automobilgewerbe im Kanton<br />
Graubünden bezeichnet werden. Wenn der Winter-Autoverkehr<br />
über die Maloja seit 1928 und die-<br />
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