E_1935_Zeitung_Nr.043
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Dem im letzten «Autler-Feierabend» bereits betprochenen<br />
Buche gleichen Namens von Marika<br />
Stiernstedt entnehmen wir im folgenden einen kurzen<br />
Abschnitt, der dem Leser die klare und fesselnde<br />
Sprache der Dichterin vor Augen führen<br />
soll.<br />
Die Red.<br />
Die vier Marschallstäbe sollen nicht den<br />
Ausgangspunkt einer Geschichte bilden, die<br />
von einem entschlossenen und bewusst gemeinsamen<br />
Marsch junger Menschen hohen<br />
Lebenszielen entgegen erzählt. Dergleichen<br />
könnte nie etwas anderes als einen erkünstelten<br />
Aufbau ergeben.<br />
Als Henrik sich am Morgen nach der Verteilung<br />
der Stäbe auf den zweirädrigen, federlosen<br />
Karren hinaufschwang, der zweihundert<br />
Liter Milch, ihn selbst und seinen<br />
Koffer zur nächsten Eisenbahnstation bringen<br />
sollte, vergass er schon seinen Stab.<br />
Doch das war ja gleichgültig, denn was gesagt<br />
war, war gesagt, und an den fünfzigsten<br />
Geburtstag (1934) würde er sich schon<br />
erinnern, wie lange es auch noch bis dahin<br />
war.<br />
Jenny hatte ihren Stab bereits beim Auflesen<br />
des Fallobstes verloren und dachte<br />
nicht mehr an ihn. Er blieb unter einem grossen<br />
Apfelbaum liegen und verfaulte schliesslich.<br />
Den dritten Stab fand Frau Obitz in<br />
der Decke ihrer vierundzwanzig Stunden alten<br />
Tochter, als sie sich am nächsten Tag<br />
den Korb an ihr Bett bringen Hess. Sie betrachtete<br />
den Stab. «Wieder einer von<br />
Griegs Streichen», rief sie, und warf den<br />
Fund pfeilgerade in den Ofen, in dem sie<br />
ein Feuer hatte anzünden lassen, um es<br />
warm und gemütlich zu halben.<br />
Nur der kleine Obitz hob seinen Stab auf.<br />
Aber er war auch der geborene Sammler. In<br />
einem selbstgezimmerten, grün bemalten, mit<br />
Fächern, einem Geheimfach und Vorhängeschloss<br />
versehenen Kasten bewahrte er seine<br />
Sammlung von Kostbarkeiten auf. Dort fand<br />
der Marschallstab seinen Platz neben verschiedenen<br />
Mineralien, Schnecken, seltenen<br />
Vogelfedern, ein paar seltenen Eiern, einer<br />
Schlangenhaut, <strong>Zeitung</strong>sausschnitten über<br />
« Unsere schönsten Ferien machten wir mit<br />
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Von Marika Stiernstedt<br />
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Gordon Pascha, Kristofer Polhem, 'John Ericsson,<br />
Garibaldi, Nordenskiöld und anderen<br />
Ge>genständen seiner Bewunderung. Ausserdem<br />
mehrere kunstreiche Knoten, unter ihnen<br />
ein von einem Professor in Uipsala ausgeführter<br />
chinesischer Glücksknoten, der im<br />
Tausch eine ganze Markensammlung gekostet<br />
hatte. Schliesslich waren da noch einige<br />
Papiere, ein Eigentumsausweis über'20 Stück<br />
Aktien der Slipenswerke, Werft und Schiffsbau,<br />
eines 1835 gegründeten Unternehmens,<br />
das aber schon mehrere Jahre keine Dividende<br />
mehr ausgeschüttet hatte.<br />
Frau Obitz, die das Papier von ihrem Vater<br />
geerbt hatte, warf es eines Abends ihrem<br />
Sohn quer über den Tisch hin. «Das passt<br />
gerade für dich, da hast du was zum Studieren»,<br />
sagte sie. Das bedeutete, so ein wahrscheinlich<br />
für alle Zeit interesseloses Dokument<br />
sei gerade ein geeigneter Gegenstand<br />
für die Reflexionen und Grübeleien eines unbegabten<br />
Jungen. Aber Grieg hatte vorgezogen,<br />
die Gabe als Ausdruck mütterlicher<br />
Zärtlichkeit zu betrachten und ihr einen gebührenden<br />
Platz zwischen den Raritäten seines<br />
Schreins zu geben.<br />
Am Tage nach Henriks Abfahrt musste er<br />
nun zurück zur Schule reisen, leider in eine<br />
andere Stadt, eine andere Schule und zu anderen<br />
Verwandten als denen des Obersten.<br />
Kantor Obitz mietete vom Kaufmann Adolfsson<br />
Pferd und Wagen; der Wagen des Kaufmanns<br />
war das beste Beförderungsmittel,<br />
das man in der Gegend mieten konnte, und<br />
er leistete es sich und fuhr seinen Sohn selbst<br />
an die Bahn.<br />
Während der Fahrt wechselten Vater und<br />
Sohn nicht viele Worte, es gab gewöhnlich<br />
keine lebhaften Unterhaltungen zwischen ihnen.<br />
Der Kantor dachte mit Kummer daran,<br />
wie kühl der Abschied zwischen dem Knaben<br />
und seiner Mutter ausgefallen war, und<br />
als man sich der Station näherte, griff er die<br />
Angelegenheit, wenn auch nicht ohne Anstrengung<br />
auf. «War es nicht schön», sagte<br />
er mit seiner milden Stimme, die einen so in<br />
Sicherheit wiegte, «dass Mama in der Nacht<br />
gut schlafen konnte? Sie brauchte das nötig,<br />
verstehst du, Griegchen?»<br />
«Ja», antwortete der Knabe.<br />
«Du bist doch froh über die kleine Schwester?»<br />
«Ja, ich bin froh. Und du, Papa?»<br />
«Sehr froh, mein Junge, sehr glücklich and<br />
froh. Und sie sieht aus, als würde sie Mama<br />
sehr ähnlich werden; das freut mich besonders,<br />
verstehst du? Der schönen Mama ganz<br />
ähnlich.»<br />
Nach einem von Frau Obitz längst festgelegten<br />
Grundsatz war er selbst, der kleine<br />
Grieg, in jeder Hinsicht seines Vaters Ebenbild,<br />
was nie als etwas besonders Erfreuliches<br />
angesehen wurde. Aber der Junge war<br />
<strong>1935</strong> - W 43<br />
Blütenpracht um<br />
Stein am Rhein.<br />
sicher, dass der Vater ihn mit seinen Worten<br />
nicht hintansetzen oder verwunden wollte,<br />
darum blickte er freundlich auf und antwortete<br />
wiederum: «Ja».<br />
«Du schreibst uns oft, ja, Jungchen?<br />
Siehst du, der Winter wird Muttchen hier<br />
draussen so ewig lang. Denk mal selbst! Sie<br />
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