E_1935_Zeitung_Nr.043
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es frostig über meinen Körper lief. Doch<br />
sieh, nun sass der Schmetterling gar auf<br />
einem Zweiglein des niederen Buchsgesträuchs,<br />
das die Gartenbeete ringsum einfasste.<br />
Wahrlich, näher war er mär noch nie<br />
gewesen, der Schmetterling aus dem Paradiese<br />
! Jetzt nur ganz leise, ganz vorsichtig<br />
an ihn herantrippeln, dann aber mit Blitzesschnelle<br />
mit den Händen niederwärts auf ihn<br />
zu, der sich nun sicher würde fangen lassen<br />
und wohl bisher nur Scherz mit mir getrieben<br />
hatte. Jetzt war ich auch schon ganz<br />
nahe am Busch, und nun — hoppsa! Pfeilschnell<br />
bog ich mich abwärts, griff nach dem<br />
leuchtenden Wunder und glaubte, es schon<br />
festzuhalten. Da verlor ich das Gleichgewicht<br />
und taumelte kopfvoran in das Gartenbeet,<br />
dessen aufgeweichte Erde mir an Gesicht<br />
und Händen kleben blieb. Noch war<br />
mir, ich hätte gespürt, wie der Schmetterling<br />
meine Stirne streifte; doch wie ich nun<br />
rasch aufstand und nach ihm ausschaute, flog<br />
er in schnellen Zickzackflügen davon, über<br />
den jungen Trauerweidenbaum hinweg, der<br />
in der Gartenecke stand.<br />
Im gleichen Augenblick trat die. Mutter<br />
wieder in die Veranda. Sie Hess einen nicht<br />
gelinden Angstschrei erschallen, als sie mich,<br />
den sie noch eben im wunderwirkenden<br />
Pfingstwasser weissgebadet hatte, wie einen<br />
Halbschwarzen draussen im Garten stehen<br />
sah.<br />
«Der Schmetterling — oh, der schöne<br />
Schmetterling!» klagte ich laut und begann<br />
bitterlich zu weinen, als ob ich nicht allein<br />
den Paradiesvogel, sondern das Paradies<br />
selber für immer verloren hätte. Da wusste<br />
denn die Mutter gleich, was geschehen war,<br />
und weil sie meine grosse Enttäuschung mitempfand,<br />
Hess sie es mit einigen sanften<br />
Vorwürfen bewenden. Natürlich musste sie<br />
mich nochmals ins Bad bringen, was mit<br />
einer den Umständen angemessenen Eile geschah.<br />
Dabei Hess sie mit ziemlichem Missvergnügen,<br />
wie ich wohl empfand — denn<br />
sie nannte mich jetzt nur « Gödi» anstatt<br />
« Gödeli » —, die Bemerkung fallen : « 's<br />
Pfingstwasser hat scheint's bei dir nicht angeschlagen,<br />
Gödi! Das war nicht brav, dass<br />
du so pudelnass herumgesprungen bist, und<br />
auch nicht gesund für dich! Pfingstwasser!»<br />
Sie wollte nochmals den Spruch hersagen,<br />
unterliess es jedoch und meinte nur: «Ach,<br />
wer weiss, was für dich gut ist! » Rasch<br />
fand sie aber ihre Ruhe wieder und erklärte<br />
mir, dass es "wohl das beste sein werde,<br />
wenn sie mich gleich zu Bette bringe; denn<br />
gewiss werde ich mich erkältet haben, und<br />
•REVUE AUTOMOBILE — Samedi, 25 mai <strong>1935</strong><br />
so gelte es, den bösen Folgen zu wehren,<br />
wenn ich morgen den Pfingstausflug wolle<br />
mitmachen können. Bei solchen Erwägungen<br />
glaubte ich in der Tat, mich- stillschweigend<br />
fügen zu sollen, so schwer mir dies auch fiel.<br />
Dennoch musste ich am folgenden Tag<br />
meine nasse Jagd nach dem Schmetterling,<br />
noch bitter büssen. Gelinde Fieber hatten<br />
sich eingestellt, und so durfte ich den Ausflug,<br />
auf den ich mich so sehr gefreut, nicht<br />
mitmachen. Eine gewaltige, schwere Enttäuschung,<br />
der ich trotz den Trostworten<br />
der Mutter mit immer erneutem Weinen<br />
Ausdruck gab.<br />
Doch siehe : Am Nachmittag des Pfingstsonntags<br />
ging die Mutter in das sonst meistens<br />
verschlossene Bücherzimmer des Vaters<br />
und kehrte mit einem prächtigen Bilderbuch<br />
zurück, das ich bisher nie gesehen<br />
hatte, ein Buch, in welchem die schönsten<br />
Schmetterlinge der Welt, vom kleinsten,<br />
feinsten in unseren Landen bis zu den handgrossen<br />
der fernen Sonnenländer, in allen<br />
Farben leuchtend, zu sehen waren. Wie 1 bescheiden<br />
nahm sich dagegen des Bruders<br />
kleines Buch «Buch der einheimischen<br />
Schmetterlinge » aus i<br />
So konnte ich denn in aller Ruhe die Wundervögel<br />
in ihrem wahren Glänze betrachten,<br />
und die Mutter erzählte mir von den<br />
Wandlungen, welche diese märchenhaften<br />
Wesen von der Raupe zur Puppe, von dieser<br />
zum beflügelten Farbenvogel machen. Und<br />
mir war, als ob ich nun hier im gemalten<br />
Bilde alle Herrlichkeit vor mir hätte, die mir<br />
tags zuvor mit dem goldenen Falter auf Nimmerwiedersehen<br />
entfloh.<br />
«Aber warum », so fragte ich die Mutter,<br />
«kommen sie denn nicht gleich als schöne<br />
Schmetterlinge auf die Welt und müssen zuerst<br />
solche Würmer sein ? »<br />
Ich musste sie mit dieser Frage in einige<br />
Verlegenheit gebracht haben, denn — ich erinnere<br />
mich noch, als ob es gestern gewesen<br />
wäre — da neigte sie ihr Haupt nachdenklich,<br />
wie um sich recht innerlich zu besinnen,<br />
und sagte dann in einem seltsam gehobenen<br />
Tone : •« Warum ? Vielleicht damit<br />
wir Menschen von ihnen lernen, uns auch zu<br />
etwas Besserem zu verwandeln. »<br />
Am spätem Nachmittag verfiel ich dann ineinen<br />
tiefen Schlaf, und da träumte mir, dass<br />
ich mich mit den Eltern und Geschwistern<br />
auf der Falkenfluh oben befinde, auf einer<br />
blumigen Wiese, von der aus man die. stolze<br />
Reihe der schimmernden Alpen sah. Auf der<br />
Wiese aber tummelten sich im goldenen<br />
Sonnenschein die wundersamsten Schmetterlinge,<br />
darunter noch viele weit schönere<br />
waren, als ich sie in dem Buche gesehen.<br />
Bruder Fritz sprang ihnen nach und suchte<br />
sie mit seinem Netz zu fangen. Ich aber sass<br />
ruhig und wohlig im Grase zwischen den<br />
Blumen, und die Schmetterlinge kamen und<br />
setzten sich auf meine Hände, auf Arme und<br />
Knie, schauten mich an und Hessen sich auch<br />
selber in aller Ruhe betrachten. Und es waren<br />
silberne und goldene Falter darunter und<br />
selbst solche, die mit Diamanten und Edelsteinen<br />
besetzt waren! Aber nach keinem<br />
streckte ich mehr verlangend die Hände aus,<br />
denn ich fühlte, sie waren ja ohnedies alle,<br />
alle mein.<br />
Am Abend kehrten Vater und Geschwister<br />
nach Hause zurück. Letztere beeilten sich,<br />
mir von ihren Erlebnissen zu erzählen, und<br />
nicht ohne Stolz legte mir Bruder Fritz als<br />
Geschenk einen Schmetterling auf die Bettdecke,<br />
der, wie ich gleich erkannte, dem<br />
« Wundervogel» glich, welchem ich tags zuvor<br />
nachgesprungen war. Doch das zierliche<br />
Wesen war tot und weckte mehr mein Mitleid<br />
als meine Bewunderung. Er wollte mir<br />
den «Schwalbenschwanz » schenken; aber<br />
ich wünschte, dass er ihn nur behalten möge.<br />
Und was die andern auch erzählten, mir<br />
war, als hätte ich an diesem Tage in meinem<br />
kleinen Bette viel Schöneres erlebt und<br />
Herrlicheres gesehen, als sich die anderen<br />
trotz ihrem schönen Pfingstausflug nur denken<br />
konnten.<br />
TJUisikcdische JCwdosa<br />
Bereits die alten Griechen kannten Programm-Musik.<br />
Thimotheus stellte in seiner<br />
Komposition «Nautilos» einen Seesturm dar.<br />
Ein Spötter seiner Zeit meinte, in manchem<br />
brodelnden Kochtopf hätte es schon heftigere<br />
Stürme gegeben.<br />
An griechischer iMusik sind uns nur acht<br />
kleine, einstimmige Tonstücke erhalten geblieben.<br />
Darunter auch das Seikilos-Lied, das<br />
1883 durch Zufall auf einem Grabstein m<br />
Kleinasien entdeckt wurde.<br />
hohen Preis von 8000 Mark abzukaufen.<br />
Die Pflege der Instrumentalmusik lag im<br />
Mittelalter in den Händen der fahrenden<br />
Spielleute, die nach Rechtsprechung des<br />
Sachsenspiegels von vorneherein als ehrlos<br />
galten.<br />
In Venedig wurde 1637 das erste ständige<br />
Opertheater im Theater San Cassiano eröffnet.<br />
No 43<br />
Das älteste Musiklexikon überhaupt, das<br />
sowohl musiktechnisch als auch biographische<br />
Mitteilungen brachte, erschien in deutscher<br />
Sprache. Es war das Musikalische Lexikon<br />
oder Musikalische Bibliothek (1732)<br />
von I. G. Walther, einem nahen Verwandten<br />
von J. S. Bach.<br />
Die. Frau Johann Sebastian Bachs, des<br />
Thomaskantors'der reichen Stadt Leipzig,<br />
erhielt keine Witwenpension, sondern wurde<br />
aus Mitteln der öffentlichen Wohlfahrt unterhalten<br />
und starb im tiefsten Elend als<br />
«Almosenfrau».<br />
Das älteste uns erhaltene mehrstimmige<br />
Musikstück ist der aus dem Jahre 1240 stammende<br />
englische Sommer-Kanon.<br />
Der Notendruck mit beweglichen Typen<br />
wurde um 1500 von Ottavio Petrucci erfunden.<br />
Die erste Oper der Welt war die von Peri<br />
komponierte «Dafne», welche 1597 in Florenz<br />
das Licht der Welt erblickte. Die<br />
Dafne hatte das gleiche Schicksal wie die<br />
erste, viel später erschienene deutsche Oper,<br />
die ebenfalls «Dafne» hiess: von beiden ist<br />
nur der Text erhalten, die Noten sind verbrannt<br />
und verlorengegangen.<br />
Bei Aufführungen der Hamburger Oper<br />
um 1680 waren Enthauptungen, wobei als<br />
Blut rotgefärbtes Wasser floss, nichts Seltenes.<br />
Die ersten Konzerte des Leipziger Gewandhauses<br />
wurden 1781 durch Hiller eröffnet.<br />
Ihren Namen erhielten sie, weil sie in<br />
den Räumen des Gewändehauses stattfanden.<br />
Stradivari hat während seines Lebens<br />
mehrere hundert Geigen fertiggestellt. Von<br />
einer wundervoll verzierten Violine trennte<br />
er sich schwer. Es gelang erst dem Engländer<br />
Sir Hellier, dieses Instrument dem greisen<br />
Meister für den damals ungewöhnlich<br />
Bei der Aufführung der dritten Sinfonie<br />
von Bruckner im Jahre 1876 in Wien ergriffen<br />
die Zuhörer in einem verletzenden Unverstand<br />
nach und nach die Flucht. Nachdem<br />
die mitwirkenden Musiker sich diesem bösartigen<br />
Treiben angeschlossen hatten, blieb<br />
bei der letzten Note ßruckner fast allein im<br />
Saale.<br />
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