E_1948_Zeitung_Nr.027
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II<br />
Der Schwiegermutter, dem vergessliehen Professor,<br />
den auf einsamen Inseln gestrandeten<br />
Schiffbrüchigen ist eine grosse Konkurrenz erwachsen,<br />
die sie alle aus dem Feld der «Seiten<br />
des Humors » zu schlagen droht: Die Frau am<br />
Steuer. Sie ist im Begriff, sich zur Königin der<br />
Witzblätter emporzuarbeiten. Die unglaublichsten,<br />
haarsträubend komischsten Dinge stellt sie<br />
da an. Sie giesst Benzin in den Kühler, sie rast<br />
Bäume und Garagenwände um, sie sucht mit<br />
brennenden Zündhölzchen nach Pannenursachen<br />
im Motor, sie verwechselt ständig Gas- und<br />
Bremspedal und häufig sitzt sie, als einzige<br />
Pointe, in einem rauchenden Trümmerhaufen.<br />
Ich beschloss, auch So ein lustiges, witziges<br />
Wesen zu werden. Zur vollendeten Karikatur-<br />
Situation habe ich es aber noch nicht gebracht,<br />
weil man mich einfach nie machen lässt, wie<br />
ich will. Die Männer scheinen in dieser Hinsicht<br />
keinen Sinn für Humor zu haben.<br />
Schon der Fahrlehrer pfuschte mir ständig<br />
ins Handwerk, wenn ich etwas Lustiges machen<br />
wollte. Einmal hätte ich beinahe einen Passanten<br />
auf den Kühler geladen, aber dann riss der<br />
Fahrlehrer das Fenster herunter und rief:<br />
« Lauerihung! », worauf der Passant einen erschrockenen<br />
Hupf nach rückwärts machte und.<br />
auch etwas rief. Dann durfte ich nur noch auf<br />
einsamen Wiesenweglein fahren und sah schliesslich<br />
ein, dass die eigentliche Karriere erst mit<br />
dem Führerausweis und ohne Fahrlehrer beginnen<br />
würde.<br />
Dies erwies sich leider bis dato auch als<br />
illusorisch, weil alle Autos, die mir erreichbar<br />
sind, unter dem Oberbefehl von Männern stehen.<br />
Bei meiner ersten Ausfahrt an des Vaters Seite<br />
fuhr ich da zum Beispiel auf eine Kreuzung zu;<br />
darüber soll hoch am Himmel eine rotglühende<br />
Signallampe gebaumelt haben. Aber das wurde<br />
mir erst später mitgeteilt. Ich selbst sah es<br />
natürlich nicht, weil mir der Fahrlehrer verboten<br />
hatte, den Himmel anzuschauen, wenn<br />
ich auf Kreuzungen zufahre. Der Vater tätschelte<br />
meine Hand und sagte: « Fahrverbot! » Ich fuhr<br />
weiter und argumentierte — milde lächelnd über<br />
so viel Unwissenheit —, dass das nicht gut<br />
möglich sei, dort vorne fahre ja auch einer.<br />
« Halt, sternefeufi!» schrie der Vater. Aber das<br />
war ein durchaus absurder B#fehl, indem wir<br />
doch mitten auf einer Kreuzung waren. Links<br />
stoppte einer scharf. Ich warf ihm einen vortrittsreehtsbewussten<br />
Blick zu; er zeigte sich an<br />
Frau am Steuer<br />
die Stirn und gegen den Himmel. Gerufen hat<br />
er nichts. Ein höflicher Mensch war das, aber<br />
auch durchaus humorlos. Mein Vater befahl mir<br />
dann, den Wagen sofort zu stoppen und teilte<br />
mir mit, dass er selbst nach Haiise fahre.<br />
Daraufhin beschloss ich, den Wagen einmal<br />
ganz allein auszuführen. Ich besitze aber einen<br />
feinfühligen Bruder. Der durchschaute meine<br />
Absicht und nahm vorher heimlich etwas zum<br />
Motor heraus. Der Wagen lief dann nicht, trotz<br />
heftigen Bemühungen und fachmännisch ausgestossenen<br />
Flüchen. Schliesslich erschien mit<br />
schlauem Lächeln mein Bruder und sagte:<br />
«Schau doch einmal nach im Motor! » Ich<br />
schaute nach, fand aber nichts. Bevor, ich dazu<br />
kam, Benzin in den Kühler zu giessen, gab mir<br />
der Bruder so ein Ding, teilte mir mit, dass es<br />
ein Rotor sei und befahl mir, ihn an Seinen<br />
Platz zu schrauben. Wenn mir das gelinge, könne<br />
ich ja seinetwegen wegfahren. Es gelang mir<br />
nicht. Er half mir auch kein bisschen dabei; er<br />
stand nur daneben und auf seiner Stirne stand<br />
klar ersichtlich, was er dachte: * Und so ein<br />
Dübel will autofahren...»<br />
Nach einigen weiteren frucht- und humorlosen<br />
Versuchen wurde mir das alte Auto verboten.<br />
Es habe zu viele Tücken, erklärte man<br />
galanterweise, die ich nie durchschauen und<br />
erfassen würde. Jetzt steht ein nigelnagelneuer<br />
Wagen in der Garage. Einer von jenen, von<br />
denen die männlichen Familienmitglieder früher<br />
einmal unvorsichtigerweise geäussert hatten, sie<br />
könnten von jedem Idioten gefahren werden. So<br />
werde ich doch noch gelegentlich Gelegenheit<br />
haben, auf eine Humorseite gezeichnet zu werden<br />
— mit der schlichten Ueberschrift: t Frau<br />
am Steuer ». D. H.<br />
Vom Auto mit den 12 Türen<br />
Von Peter Pee. > ; ;<br />
' p -..v ..•'•*<br />
Wie bin ich meinem Freund dankb&r!'Denn<br />
wenn er nicht gewesen wäre und wenn er Mich<br />
nicht für ein Weekend zu sich eingeladen* &««£,*<br />
wäre mir bis zum heutigen Tag das eigenartige<br />
Auto mit den 12 Türen fremd'"geblieben.<br />
Zugegeben, ich habe nicht'mit eigenen Augen<br />
diese 12 Türen gesehen. Ich kann mir auch nicht<br />
vorstellen, wie «in Auto 12 Türen besitzt, wie sie<br />
angeordnet sind und w*rum man *o viele Türen<br />
anbringt, um »o mehr, als es sich — wie mein<br />
Freund versichert* — um einen g*nz gewöhnlichen<br />
Personenwagen, eine schöne, dunkelblaue<br />
Limousine handelt.<br />
nlTO-IA.AZIN<br />
Aber der Reihe nach: Mein Fretind wohnt In<br />
einer vornehmen Gegend, etwas ausserhalb der<br />
Stadt. In einem Sogenannten Villenquartier, wo,<br />
wie es heisst, die Milchmänner etwas leiser und<br />
melodischer pfeifen und wo die Wäsche entweder<br />
auswärts gewaschen oder auf jeden Fall<br />
hinter dem Hause aufgehängt wird. (Es ist<br />
empfehlenswert, sich Freunde in solchen Villenquartieren<br />
warm zu halten.)<br />
Gleich nebenan, also neben der Villa meines<br />
Freundes, ist auch so eine Villa, die einem gutsituierten<br />
Industriellen gehört. Diese (die Villa)<br />
ist über nicht der einzige Besitz des Nachbarn<br />
meines Freundes. Oh nein, mein Gastgeber<br />
klärte mich reichlich auf, der Herr Nachbar besitzt<br />
ausser einer charmanten Tochter und ihrem<br />
älteren, lebenslustigen Bruder einen wohlassortierten<br />
Weinkeller. Dazu die grossen Räumlichkeiten<br />
in der mehrfach besagten Villa — ergibt:<br />
Erfreuliche Gastfreundschaft!<br />
An jenem Samstag, als ich Wochenendgast in<br />
jener erhebenden Umgebung war, fand im Nebenhaus<br />
— wie sozusagen alle Samstage — ein<br />
I'estchen statt. Rein äusserlich durften die Passanten<br />
der vornehmen Strasse insofern daran<br />
teilnehmen, als sie die vor dem Haus (und den<br />
Nebenhäusern, pardon Villen) parkierenden Wagen<br />
bewundern durften. Ich sah sie nicht, denn<br />
ich sass ja im Nebenhaus, das von* einigen Bäumen<br />
geschützt war und von dessen Fenstern der<br />
Blick auf die Strasse gehemmt wurde. Aber<br />
mein Freund erzählte mir, es seien — abgesehen<br />
von der dunkelblauen Limousine —• noch zwei<br />
andere Wagen dagewesen.<br />
Bis um 1 Uhr nachts plauderten wir, mein<br />
Freund und ich, mit Radio, das heisst, bis um<br />
11 Uhr von Beromünster bedient, und dann, weil<br />
ja Beromünster so spiessbürgerlich früh Feierabend<br />
macht, von auswärtigen Stationen. Kurzum,<br />
als wir zu Bette gingen, war einer der drei<br />
Wagen bereits weggefahren. Und während ich<br />
mich in dem ungewohnt weichen Bett im Fremdenzimmer<br />
bemühte, mich in den Schlaf zu<br />
lesen, surrte Wagen Nr. 2 ab.<br />
Die Ruhe und Stille, die mir aus dem weit<br />
geöffneten Fenster zuströmte, liess mich das Befremdende<br />
der Lagerstatt vergessen. Um 2 Uhr,<br />
oder vielleicht etwas später, schlief ich ein.<br />
Um Viertel nach 4 Uhr erst (oder schon, Wie<br />
man will) wachte ich durch lautes, schrilles,<br />
übermütiges Gelächter wieder auf. Es waren<br />
vergnügte (meiner Ansicht nach allzu vergnügte)<br />
Mädchenstimmen, die von den tieferen<br />
Stimmen der Männer begleitet wurden. Munter<br />
• wurde die Unterhaltung vom Eingang der hochherrschaftlichen<br />
Nebenvilla bis zur Gartentüre<br />
und dort auf dem Trottoir ein Weilchen fortgesetzt.<br />
Wohl hatte ich nicht das Gefühl, dass es<br />
ORBIS<br />
anteihiltsame.<br />
Typ<br />
DOLCI<br />
•rieh ton 20 oder mehr Personen handelte, aber<br />
6 bis 8 können es gewesen sein, nach den Stimmen<br />
zu schätzen.<br />
Als ich mir mit einigem Schrecken überlegte,<br />
ob allenfalls die Party auf dem Trottoir fortgesetzt<br />
werde, vernahm ich glücklicherweise,<br />
dass man nun an die Verteilung der Plätze im<br />
Auto gehe. Ei, wa* gab das für ein jubelndes<br />
Gekreische und ein spassiges Witzeln! Gewiss<br />
Sehr lustig für die Beteiligten, weniger amüsant<br />
für die tit. Nachbarschaft, die eigentlich um<br />
die» Zeit beabsichtigt hatte zu schlafen.<br />
Doch nun ging es erst richtig los. Dabei ist<br />
zu konstatieren, dass eine Autotüre wesentlich<br />
leiser auf- als zugeht Wie oft Autotüren geöffnet<br />
wurden, kann ich leider nicht feststellen.<br />
Aber ich hörte eine Türe sich «chliessen. Laut,<br />
knallend und absolut sicher geschlossen. Beruhigend<br />
an und für sich, denn man weiss, dass<br />
schon einmal jemand aus einer nicht richtig geschlossenen<br />
Autotüre hinausfiel und verunglückte.<br />
(On dit: Ich kenne selber den Fall nicht<br />
genauer.)<br />
Item, die eine Türe war zu. Erledigt «Es<br />
kann also nun nur noch dreimal klopfen ><br />
dachte ich und wartete die drei * Klopfer » ab.<br />
Die Türen schlugen. Sie schlugen noch einmal,<br />
noch zweimal und noch dreimal, wie erwartet<br />
Und dann knallte eine weitere Türe. Also<br />
eine fünfte!<br />
Das machte mich stutzig. Noch nie habe ich<br />
ein Auto mit 5 Türen gesehen! Ich rechnete<br />
nach, stellte fest, dass meine Rechnung stimmte<br />
und konnte, als ich beim Resultat angelangt war,<br />
gleich noch das Knallen der sechsten Türe registrieren.<br />
Kurzum: Das Auto hatte 12 Türen! Ich<br />
schwöre, mit grossem Ehrenwort, das Auto hatte<br />
tatsächlich 12 Türen! Denn zwölfmal knallte es!<br />
Zwölfmal wurden Autotüren mit aller Energie<br />
um 4 Uhr morgens (oder kurz nachher) zugeschlagen!<br />
Es sei sicherlich kein Bus gewesen, meinte<br />
mein Freund, sondern eine harmlose, wenn auch<br />
moderne blaue Limousine. Aber, so fügte er bei,<br />
bestehe die Möglichkeit, dass sich in solchen<br />
Nächten die Türen derartiger Limousinen verdreifachen.<br />
Zugegeben, diese Möglichkeit hat viel für<br />
sieh, denn es ist doch höchst unwahrscheinlich,<br />
dass Menschen, die in derartigen hochherrschaftlichen<br />
Quartieren verkehren, gänzlich vergessen,<br />
dass es andere Menschen gibt, denen das<br />
Zuschlagen von Autotüren keine angenehme<br />
kleine Nachtmusik darstellt<br />
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