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E_1948_Zeitung_Nr.027

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Nr. 27<br />

AlTO-HtiZI«<br />

Die Selbstlose<br />

Von Phil Valentin.<br />

Der alte Rudolf Laroch war Industrielller und<br />

lebte in'einer Villa ausserhalb der Stadt. Er hatte<br />

sein Büro in der Innerstadt und war so reich, dass<br />

er es sich ohne Prestigeverlust leisten konnte, morgens<br />

ein paar Strassen weit zu Fuss zu gehen und<br />

dann erst ein Taxi zu nehmen. «Man muss Bewegung<br />

haben », sagte er stolz allen Bekannten, die<br />

ihn auf dem zehn Minuten langen Weg trafen.<br />

Er hatte einen Adoptivsohn namens Viktor, der<br />

der Sohn eines alten Freundes war und im Begriff<br />

stand, ein erfolgreicher Maler zu werden. Ein weiteres<br />

Mitglied seines Haushaltes war eine Stiefnichte,<br />

Helene Beck. Ein Mensch fühlt sich ohne<br />

Sorgen nicht wohl, und wenn er keine hat, so<br />

schafft er sie sich. Und da der alte Laroch Witwer<br />

war und keine Familie mehr besass, trug er die<br />

Lasten anderer.<br />

Viktor und Helene vertrugen sich ausgezeichnet.<br />

Ohne dass darüber viel geredet wurde, galt es für<br />

die Eingeweihten als ausgemachte Sache, dass die<br />

beiden eines schönen Tages heiraten würden.<br />

Vor zwanzig Jahren war ein Bruder Laröchs<br />

namens Peter nach dem Wilden Westen ausgewanr<br />

dert, um dort ein Vermögen zu erwerben. Dann<br />

hörte man zwanzig Jahre nichts mehr von ihm, bis<br />

eines Tages ein Brief für den alten Laroch eintraf.<br />

Darin bat ihn sein Bruder, da er vermögenslos und<br />

dem Sterben nahe sei, für seine zwanzigjährige<br />

Tochter Jolanda zu sorgen. Es ist schon oft vorgekommen,<br />

dass Schriftsteller auf die Schwierigkeiten<br />

verweisen mussten, die gewöhnlich entstehen, wenn<br />

ein Mann und zwei Frauen oder eine Frau und<br />

zwei Männer ein Dreieck bilden. Mit der Ankunft<br />

Jolanda Larochs entstand auch in der friedlichen<br />

Villa des alten Laroch ein solches Dreieck; und in<br />

diesem Dreieck bildete Helene die Hypothenuse.<br />

Eines Morgens sass der alte Laroch über der<br />

<strong>Zeitung</strong>, bevor er sich in sein Büro begab. Er hatte<br />

Jolanda sehr lieb gewonnen, da er in ihr die ruhige<br />

Sicherheit und vertrauende Offenheit seines toten<br />

Bruders wiederfand. Ein Dienstmädchen brachte<br />

Jolanda einen Brief. «Ein Bote gab ihn ab und<br />

wartet auf Antwort », sagte sie.<br />

Jolanda, die leise pfeifend beim Fenster stand,<br />

nahm den Brief. Bevor sie ihn öffnete, wusste sie<br />

schon, dass er von Viktor war. Sie riss das Kuvert<br />

auf und grübelte eine Weile versonnen über dem<br />

Inhalt. Dann wandte sie sich mit ernster Miene an<br />

ihren Onkel: « Onkel Rudolf, Viktor ist ein netter<br />

Junge, nicht wahr? » fragte sie.<br />

«Mein Gott, natürlich, ich habe ihn selbst erzogen<br />

», sagte der alte Laroch.<br />

« Er würde doch nie etwas schreiben, das nicht<br />

jeder lesen könnte, nicht? »<br />

«Was heisst das? Was schreibt er? »<br />

«Bitte, lies den Brief, Onkel, und sag mir, ob<br />

es sich passt. Ich kenne mich nicht aus mit den<br />

Gebräuchen hier in der Stadt. »<br />

« Mein Gott, Jolanda », sagte Laroch, nachdem<br />

er den Brief gelesen, « du hast mir fast einen<br />

Schrecken eingejagt, obwohl ich den Jungen doch<br />

gut kenne. Er ist eine genaue Kopie seines Vaters,<br />

der der anständigste Mensch war. Er fragt doch<br />

nur, ob du und Helene heute nachmittag mit ihm<br />

ausfahren wollt. Ich finde, dass dagegen nichts einzuwenden<br />

ist. »<br />

Jolanda sprang zur Tür und sagte dem Mädchen:<br />

« Sagen Sie bitte dem Boten, er soll Herrn<br />

Laroch ausrichten, dass wir ihn um 2 Uhr erwarten.<br />

»<br />

Drei Monate waren inzwischen verflossen. Helene<br />

sass in ihrem Arbeitszimmer. Sie war allein.<br />

Onkel Rudolf und Jolanda waren ins Theater gegangen.<br />

Helene hatte keine Lust gehabt. Viele Orte<br />

sind in dieser Welt geschaffen worden, um über die<br />

Schwierigkeiten dieser Welt nachzudenken und<br />

sich ihnen möglichst zu entziehen. Die ungestörtesten<br />

sind Arbeitszimmer. Helene sass an ihrem<br />

Schreibtisch. Ihre Hände spielten nervös mit einem<br />

Brief. Er war an Jolanda adressiert und stammte<br />

von Viktor. Er war um neun Uhr abends abgegeben<br />

worden, nachdem Jolanda das Haus verlassen<br />

hatte. Helene würde mit Freuden alles hergegeben<br />

haben, um zu erfahren, was in dem Brief stand;<br />

aber sie konnte ihn nicht öffnen, ihre Erziehung<br />

Hess das nicht zu.<br />

Nach 11 Uhr kehrten die Theaterbesucher heim.<br />

Es war eine herrliche Winternacht. Jolanda Hess<br />

sich in Helenes Arbeitszimmer in einem Fauteuil<br />

nieder und widmete sich der Aufgabe, ihre langen<br />

Handschuhe aufzuknöpfen. « Hier ist ein Brief für<br />

dich, Jolanda; er wurde gebracht, nachdem du<br />

schon fort warst. »<br />

«Von wem ist er denn? » fragte Jolanda und<br />

zerrte an einem Knopf.<br />

« Von Viktor. »<br />

< Ich möchte wissen, was er mir zu schreiben<br />

hat? » wunderte sich Joland^. Helene wollte ihr<br />

den Brief reichen. «Ach», rief Jolanda, «diese<br />

Handschuhe sind ein Unglück. Bitte, Helene, mache<br />

den Brief auf und sieh, was darin steht. Ich werde<br />

nicht fertig mit diesen Knöpfen. »<br />

«Aber, Jolanda, der Brief Viktors ist doch für<br />

dich bestimmt, und du kannst nicht wollen, dass<br />

jemand anderer ihn liest! »<br />

Jolanda hob ihre ruhigen Augen von den Handschuhen.<br />

« Niemand kann mir etwas schreiben, das<br />

nicht jeder lesen kann », sagte sie, «lies ruhig,<br />

Helene. ><br />

Helene öffnete den Brief. Sie überflog rasch die<br />

wenigen Zeilen, las sie noch einmal und warf einen<br />

Seitenblick auf Jolanda, die Handschuhe für die<br />

interessantesten Dinge der Welt und Briefe von<br />

aufstrebenden, jungen Künstlern für die langweiligsten<br />

zu halten schien. Einen Augenblick lang sah<br />

Helene mit sonderbarer Gelassenheit Jolanda an,<br />

dann zuckte ein winziges Lächeln um ihren Mund.<br />

Seit der Erschaffung der Erde war keine Frau für<br />

eine andere ein Geheimnis. Schnell wie das Licht<br />

durchschaut die Frau das Herz und die Gedanken<br />

der Schwester, liest ihr geheimstes Verlangen, entblösst<br />

die geschickteste Verstellung. Helene zögerte.<br />

Sie war nun entschlossen, ihre Liebe zu Viktor<br />

für Jolanda zu opfern. « Wirklich, es wäre mir<br />

lieber, Jolanda, ich hätte diesen Brief nicht gelesen.<br />

» Sie schien verlegen.<br />

Jolanda vergass einen Augenblick ihre Handschuhe.<br />

« Dann lies ihn laut », sagte sie, « da du ihn<br />

schon gelesen hast, ist es doch gleich. »<br />

«Wie du meinst », sagte Helene, « hier steht:<br />

Geliebte Jolanda, kommen Sie, bitte, heute nacht<br />

um 11 Uhr in mein Atelier. Kommen Sie bestimmt.<br />

> Helene stand auf und Hess den Brief in<br />

Jolandas Hand fallen. « Es tut mir schrecklich leid »,<br />

sagte sie, « dass ich von der Sache erfahren habe.<br />

Bitte, nimm an, dass ich von nichts weiss. Ich gehe<br />

nun zu Bett, Gute Nacht! »<br />

Jolanda schlich auf den Fußsoitzen durch die<br />

Halle und hörte, wie Helene ihre Zimmertür schloss.<br />

Sie öffnete die Ha.ustüre, und der Sturm überfiel<br />

sie. Viktors Atelier war ziemlich weit entfernt.<br />

Schon lag der Schnee fusshoch auf dem Pflaster<br />

und schichtete sich in breiten Wehen vor die Häuser<br />

der belagerten Stadt. Die Strasse lag ruhig da.<br />

Da endlich tauchte das Haus vor ihr auf, in dem<br />

Viktor wohnte. Es lag schweigend und dunkel. Jolanda<br />

lief zwei Treppen hinauf und klopfte an die<br />

Wohnungstür. Sie war mit Helene und Onkel Rudolf<br />

schon etliche Male hier gewesen.<br />

Viktor öffnete. Er hatte einen Bleistift in der<br />

Hand und eine Pfeife in der anderen. Die Pfeife<br />

fiel zu Boden. « Komme ich zu spät? » fragte Jolanda,<br />

« ich kam so schnell es ging. Onkel und ich<br />

waren heute abend im Theater. » Viktor erwachte<br />

aus seiner Erstarrung. Er führte Jolanda in das<br />

Wohnzimmer und bürstete den Schnee von ihren<br />

Kleidern.<br />

« Sie haben meinen Brief gelesen? » fragte Viktor<br />

und rang nach Atem.<br />

« Helene las ihn mir vor, und dann habe ich ihn<br />

auch gelesen. Sie schrieben: .Kommen Sie heute<br />

nacht um 11 Uhr in mein Atelier, kommen Sie bestimmt.'<br />

Ich dachte natürlich, dass etwas passiert<br />

ist, aber anscheinend ist es nicht so schlimm. ><br />

«Aha! > sagte Viktor unvermittelt. «Wissen<br />

Sie, warum ich Sie bat, zu kommen, Jolanda? Ich<br />

möchte, dass wir uns verloben. Sofort, morgen<br />

noch, willst du, Jolanda? Ich bringe dich jetzt nach<br />

Hause. *• Er wartete gar nicht erst eine Antwort<br />

ab, sondern kleidete sich rasch um. « Was hast du<br />

mit meinem Brief gemacht? •» fragte er dann, während<br />

er noch die Krawatte band.<br />

«Da ist er», entgegnete Jolanda und zog ihn<br />

aus der Handtasche. Viktor nahm den Brief und<br />

las ihn langsam. Dann blickte er Jolanda nachdenklich<br />

an. «Hast du es nicht sonderbar gefunden,<br />

dass ich dich bitte, mich so spät zu besuchen?<br />

»<br />

« Nein, gar nicht », sagte Jolanda mit runden erstaunten<br />

Augen, «wenn du mich brauchst! Bei uns<br />

im Westen fragt man nicht lange, wenn ein Freund<br />

einen dringend ruft, sondern kommt so schnell es<br />

geht und redet erst später, ob es wichtig war. »<br />

Viktor holte den Mantel. Er mühte sich, in diesen<br />

zu schlüpfen. «Uebrigens, Jolanda, lies die<br />

Unbeschwert photographieren Sie mit der leichten, kleinen<br />

und handlichen<br />

ein ausgezeichnetes Voigtländer-Fabrikat, mit der hohen optischen Leistung<br />

1 3,5 gibt 18 oder 36 scharfe Bilder, in schwarz-weiss oder farbig<br />

ist der schönste Standort und die beweglichste<br />

Drehscheibe in den Bündner Bergen für den Automobilisten.<br />

Fahren Sie einmal von Chur durch das<br />

Domleschg und die Zügenstrasse nach Daves und über<br />

den Flüelapass weiter ins Unter- und Ober-Engodin.<br />

Oder Sie kommen durch die kürzeste Route des<br />

Prätigaus zu uns und fahren über Lenzerheide und<br />

den Julier nach dem Engadin und über den Flüelapass<br />

zurück. Oder Sie machen von Davos aus kleine<br />

Nachmittagstouren in die idyllischen Seitentäler:<br />

Sertig-, Dischma- und Flüelatal, entlang der rauschenden<br />

Bergbäche und mitten durch die bunten<br />

Teppiche der schönsten Alpenflora.<br />

Prospekt durch die Reisebüros, die Davoser Hotels<br />

und den Yerkehrsverein Davos. Tel. (083) 3 51 35.<br />

Bei Ihrem Photohändler!<br />

Preis inkl. Bereitschaftstasche und alle Steuern Fr. 402.Z5

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