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E_1948_Zeitung_Nr.039

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Hr. 39- BERN, 8. Sept. <strong>1948</strong><br />

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Um meinem holländischen Freunde anlässlich<br />

seines kurzen Aufenthaltes in der Schweiz eine<br />

kleine Freude zu bereiten, fand ich mich zur Ankunft<br />

des Flugzeuges auf dem Basler Flugplatz<br />

Blotzheim ein und führte ihn mit meinem Wagen<br />

seinem Reiseziel, Zürich, entgegen. Bei<br />

«trahlendem Sonnenschein folgten wir der<br />

Strasse, die das Birstal hinauf führt, und in kurzer<br />

Zeit waren wir in Zwingen angelangt, wo<br />

uns die Passwangstrasse aufnahm. Bald erreichten<br />

wir den höchsten Punkt dieses Juraüberganges.<br />

Dann brachte uns der Weg talwärts<br />

durch die Schlucht von St. Wolfgang und die<br />

Klus und nach wenigen Kilometern ins Aaretal.<br />

Im Nu war Ölten erreicht, und dem Lauf der<br />

Aare folgend, eilten wir über Aarau—Brugg der<br />

Handelsstadt Zürich entgegen.<br />

Mein Freund war von der Reise begeistert.<br />

Besondere Bewunderung aber brachte er den<br />

vielen Burgen und Ruinen entgegen, die uns auf<br />

dieser Strecke von ihren stolzen Hügeln aus so<br />

freundlich grüssten. Wie romantisch muss es<br />

seil), diese Zeugen historischer Vergangenheit<br />

zu besuchen, meinte er und war überzeugt, dass<br />

es in der Gegend keine einzige Burg gibt, die<br />

ich nicht schon besucht hätte. Ich war froh, dass<br />

immer neue Eindrücke meinen Begleiter fesselten,<br />

so dass ich gar nicht dazu kam, alle seine<br />

Fragen zu beantworten und beschämend zu bekennen,<br />

dass ich von den alten Ruinen und den<br />

prächtigen Schlössern gerade nur den Namen<br />

kenne.<br />

Angespornt durch die Begeisterung meines<br />

Freundes nahm ich mir vor, den nächsten schönen<br />

Sonntag zu benutzen, einige dieser historischen<br />

Bauten zu besuchen. Eine Burgenfahrt soll<br />

es werden.<br />

Heute ist dieser Sonntag angebrochen, ein<br />

herrlicher, strahlender Tag. In Ölten, wo das<br />

Sälischlössli so treue Wacht über das geschäftige<br />

Städtchen hält, beginnt die Fahrt. Entlang<br />

der Aare, dem künstlich angelegten Kanal<br />

zum Kraftwerk Gösgen folgend, vorbei an einer<br />

prächtigen Pappelallee, führt mich der Weg ostwärts.<br />

Schon entdecke ich links, am Fusse des<br />

Dottenbergs, zunächst der Ortschaft Lostorf, das<br />

Schloss Wartenfels. Dieses ist bewohnt<br />

und befindet sich in Privatbesitz. Vor mir überragt<br />

das ehemalige Schloss Alt-Falkenstein<br />

das Dorf Nieder-Gösgen. Heute dient es<br />

als katholisches Gotteshaus. Weiter geht die<br />

Fahrt; Aarau wird rechts liegen gelassen. Kurz<br />

vor Biberstein erblicke ich einen Augenblick die<br />

Ruine Rosenberg. Jetzt steht das alte<br />

Schloss Biberstein vor mir, das als Erziehungsanstalt<br />

einer nützlichen Sache Raum<br />

bietet. Am Fusse der Gislifluh führt die Strasse<br />

nach Auenstein, wo verträumt in einem<br />

kleinen Park das gleichnamige Schlösschen verborgen<br />

liegt. Herrliche Blumen schauen neugierig<br />

hinter den Gardinen hervor und lassen erraten,<br />

dass auch dieser Bau bewohnt wird. Unglaublich,<br />

kaum habe ich ein Dorf hinter mir<br />

gelassen, rückt schon der nächste Ort mit seinem<br />

Wahrzeichen in den Vordergrund. Diesmal<br />

ist es Wildenstein mit seinem<br />

Schloss. Als Altersheim will es alleinstehenden<br />

alten Leuten ihren Lebensabend freundlich<br />

gestalten. Während ich in Gedanken dem soeben<br />

Geschauten nachhange, erblicke ich plötzlich<br />

mein erstes Ziel, die Habsburg. Stolz und<br />

schön überragt sie von ihrem sanften Hügelzug<br />

aus. das liebliche Aaretal. Unwillkürlich wird<br />

das Gaspedal kräftiger betätigt, und nach kurzer<br />

Fahrt steht mein Auto auf dem geräumigen<br />

Parkplatz direkt unter dem Schloss. Ich bin erstaunt,<br />

denn Wagen an Wagen stehen hier nebeneinander,<br />

und beim Vorbeispazieren sagen mir<br />

die Nummernschilder, dass allerlei biedere Eidgenossen<br />

aus entfernten Kantonen sich die Burg<br />

ansehen wollen, von welcher aus die einst so<br />

mächtige österreichische Dynastie der Habsburger<br />

ihre Untertanenländer regierte. Ein mit alten<br />

Eine Burgenfahrt<br />

Bäumen bewachsener Vorplatz lädt zum Verweilen<br />

ein. Doch mich drängt es, zuerst der<br />

Burg, die im Jahre 1020 erbaut wurde, einen<br />

Besuch abzustatten. Das mächtige, alte Holztor<br />

steht weit offen und nimmt den Besucher in<br />

einen kleinen Innenhof auf. Von hier führt eine<br />

Treppe hinauf zum Rittersaal, dem einzigen<br />

Raum, der die Jahrhunderte überdauert hat.<br />

Doch höher steigt die Treppe und bringt mich<br />

auf den durch dickes Mauerwerk bewehrten<br />

Turm. Durch die schmalen Scharten bietet sich<br />

mir ein bezaubernder Weitblick. Herrliches Land<br />

liegt unter mir, und ich versuche, Dörfer, Täler<br />

und Hügelzüge zu benennen. Ein Blick nach<br />

Westen in das liebliche Aaretal vermittelt mir<br />

eine Aussicht bis nach Aarau—Schönenwerd. Im<br />

Hintergrund wird diese begrenzt von den Hän-<br />

gen des Jura. Im Süden breitet sich das Reusstal<br />

aus, wo sich die sanfte Kuppe des Maiengrün<br />

erhebt. Direkt vor mir liegt der Kestenberg mit<br />

dem Schloss Brunegg, unter mir die weite<br />

Ebene des Birrfeld. Jetzt richtet sich mein Blick<br />

nach Osten, wo das Städtchen Brugg sich friedlich<br />

in die Landschaft schmiegt. Weiter schweift<br />

mein Blick nach Stilli, und ich entdecke die<br />

Punkte, wo die Reuss und kurz darauf die Limmat<br />

in die Aare fliessen. Sanft geschwungene<br />

Hügelketten erheben sich, schieben sich kulissenartig<br />

hintereinander und verblassen allmählich<br />

in duftiger Ferne.<br />

Schloss Habsburg<br />

Die Fahrt gejit weiter, und nach kurzer Zeit<br />

befinde ich mich am Wege zum S c h 1 o s s<br />

B r u n e g g. Die Burg, die zu Beginn des<br />

13. Jahrhunderts ebenfalls von den Habsburgern<br />

zu vermehrtem Schütze der Gegend erbaut<br />

wurde, hat sich einen prächtigen Platz ausgesucht.<br />

Zuoberst auf einem Felsen hat sie sich<br />

hingesetzt und thront feierlich über den Häusern<br />

des Dorfes. Da ein Landwirtschaftsbetrieb darin<br />

Unterkunft gefunden hat, ist dem neugierigen<br />

Besucher leider Tür und Tor verschlossen.<br />

Dafür winkt bereits ein neues Ziel. Auf<br />

einem sanften Hügel erhebt sich das freundlich<br />

in die Lande blickende Kirchlein auf Staufberg,<br />

und vom gegenüber liegenden Hügel grüsst hoheitsvoll<br />

das malerisch gelegene S c h 1 o s s<br />

Lenzburg. Ich habe Glück; jeweils am ersten<br />

Sonntag des Monats und jeden Mittwoch<br />

steht dies herrliche Schloss, das dem bekannten<br />

amerikanischen Forscher Lincoln Ellsworth gehört,<br />

dem Besucher zur teilweisen Besichtigung<br />

offen und vermittelt ihm interessante und historische<br />

Einblicke.<br />

Zum Abschluss meiner heutigen Tour habe<br />

ich mir das Schönste aufgespart: Die B u r g<br />

Wild egg. Diese wurde im Jahre 1912 von der<br />

letzten Erbin ihres Geschlechtes, Fräulein Julie<br />

von Effinger, geb. 1837, gest. 1912, samt den zugehörigen<br />

Liegenschaften sowie sämtlichen<br />

Kunst- und Altertumsüegenständen zum Andenken<br />

an ihre Familie der Eidgenossenschaft als<br />

Geschenk vermacht. Heute .steht sie jedermann<br />

zur Besichtigung offen. Es ist beglückend und<br />

bereichernd zugleich, ein so gut erhaltenes<br />

Schloss und die herrlichen Gartenanlagen ganz<br />

frei und ungezwungen zu durchstreifen. Ueber<br />

den geräumigen Vorplatz lenke ich meine<br />

Schritte dem efeubewachsenen Torbogen zu.<br />

Nachdem ich das kunstvolle Schmiedeisentor genügend<br />

bewundert habe, trete ich in den Burghof<br />

ein. Leuchtende Blumenbeete umsäumen ihn<br />

und sagen dem Besucher herzlichen Willkomm.<br />

Eine überwältigende Fülle köstlichster Sehenswürdigkeiten<br />

empfängt mich. Da ich nicht weiss,<br />

wo ich meine Entdeckungsreise beginnen soll,<br />

setze ich mich zuerst auf den Rand des fröhlich<br />

plätschernden Brunnens, den eine im Jahre 1735<br />

anlässlich der Geburt von Albrecht Nikiaus von<br />

Effinger gepflanzte Linde so wohltuend überschattet.<br />

Von hier geniesst man eine reizende<br />

Aussicht" auf die Täler der Bünz und der Aa. Im<br />

Vordergrund liegt das Dorf Möriken und weiter<br />

hinten das anmutig gelegene Städtchen Lenzburg,<br />

während sich der Hintergrund allmählich<br />

in die Höhe baut von dem langgestreckten Rükken<br />

des Hasen- und Heiterberges zwischen Reuss<br />

und Limmat bis zu den Schneegipfeln der Glarner,<br />

Urner und Unterwaldner Alpen. Unweit<br />

von mir führt eine Freitreppe auf die schöne,<br />

mit Bäumen bepflanzte Terrasse und hinab in<br />

die gepflegten Gärten. Die Treppe findet ihren<br />

Schlossehen Auenstein<br />

Eingangstor zum Schloss Wildegg<br />

Anfang in einem herrlichen, offenen Torbogen,<br />

der das Wappen der Effinger, den doppelten<br />

Dreiberg, schmückt. Während weisse Tauben zutraulich<br />

neben mir ihr Futter suchen, tauchen<br />

in mir Bilder der Geschichte dieser romantischen<br />

Festung auf.<br />

In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts<br />

wurde Wildegg von den Grafen von Habsburg<br />

erbaut und von ihren Schenken und Truchsessen<br />

als Burgmannen bewohnt. Später kam die<br />

Burg in den Besitz des Hauses von Hallwil und<br />

im Jahre 1437 an Peter von Gryffensee (aus<br />

dem Sarganserland), der auch im Besitze der<br />

Habsburg war. Noch vor dem Ausgang des Jährhunderts<br />

verarmte jedoch dieses Geschlecht, und<br />

die Burg ging für kurze Zeit an die Herren von<br />

Ballmoos über. Im Jahre 1484 erwarb sich Johann<br />

Kaspar Effinger das Schloss, und es verblieb<br />

bis im Jahre 1912 im Besitze seiner Nachkommen.<br />

Bei der Eroberung des Aargau durch<br />

die Berner im Jahre 1415 wurde die Burg belagert,<br />

aber nicht erobert. 1552 brannte sie infolge<br />

Blitzschlages vollständig nieder, wurde jedoch<br />

wieder neu aufgebaut und befestigt. 1683<br />

erfuhren die Fassaden der Burg einen teilweisen<br />

Umbau. Damit erhielt das alte Schloss sein heutiges<br />

Aussehen mit den hohen Volutengiebeln<br />

und anderem Zierat, wie ihn die Barockkunst<br />

liebte. Viel Hesse sich erzählen von sorglosen<br />

Tagen, wo fürstliche Gelage und herrliche Jagden<br />

stattfanden usw., von illustren Gästen, die<br />

für kürzere oder längere Zeit hier Unterkunft<br />

oder Zuflucht fanden. Aber auch von schwerem<br />

Leid, denn dieses edle Geschlecht musste durch<br />

den Tod vieler junger und hoffnungsvoller<br />

Nachkommen bittere Tribute zahlen.<br />

Jetzt wende ich mich nach dem Burghof<br />

und steige über die breite, halbkreisförmige<br />

Steintreppe nach der Brücke zum Schloss hinauf.<br />

Bedächtig durchwandle ich Zimmer um<br />

Zimmer und freue mich an den antiken Sehenswürdigkeiten.<br />

Einmal sind es die farbenprächtigen<br />

Wappenscheiben in den Fenstern, dann<br />

wieder kunstvolle Ahnenbilder, die meine Aufmerksamkeit<br />

erregen. Hier steht ein grosser, bemalter<br />

Turmofen und dort ein geschnitztes Himmelbett.<br />

Feine, alte Stiche und handbemaltes<br />

Porzellan aus Nyon, Maisson und Ludwigsburg<br />

erfreuen den Kenner; Panzerhemden, alte Rüstungen<br />

und Waffen sind zu finden, und es<br />

scheint, als strahlten die Räume immer noch<br />

den vornehmen Geist der früheren Besitzer aus.<br />

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Schloss Wildegg<br />

Schloss Lenzburg von Süden

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