E_1948_Zeitung_Nr.039
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V nlTO-Mtmi Nr. 39<br />
Die Autostrasse von Kopenhagen nach Hälsingör, entlang dem<br />
Meer; Badeorte, Cottages und recht viel Verkehr!<br />
Schwedisch-dänische Autofähre im Verkehr von Halsingör<br />
nach Häliingborg. Fassungsraum xirka 80—120 Fahrzeug«.<br />
Schweden baut Autostrassen: Zweigeteilte Autostrasse 30 km<br />
ousserhalb von Stockholm. Noch sind die Bankette nur Projekt.<br />
Mit dem Auto durch Dänemark<br />
und Schweden<br />
Fortsetzung von Seite IV<br />
Fast ist dieser Speisesalon für Dänemark<br />
typisch. Zu welcher Zeit man auch immer diese<br />
Fähre besteigt, diese zwei Stunden werden fast<br />
nur dem Essen gewidmet. Vom Aengstlichen, um<br />
die kleinen Anzeichen der Seekrankheit leichter<br />
zu bekämpfen, dem Durchschnittspassagier,<br />
weil das Zusehen Hunger macht, dem Expresstransittouristen<br />
aber, um Zeit zu gewinnen. Ich<br />
würde zwar diesen letzteren doch noch anraten,<br />
ein wenig Appetit für den Besuch eines ganz<br />
grossen Restaurants in Kopenhagen — ohne<br />
Uebernachten in der Hauptstadt dürfte es wohl<br />
nicht abgehen — aufzuheben. Denn mit dem<br />
Augenblick, da ich wieder mit meinem Adler<br />
auf der festen Erde der letzten Insel, Seeland,<br />
stand, waren es nur noch 100 Kilometer oder<br />
fünf Viertelstunden Fahrt auf schnurgerader<br />
Autostrasse über Ringsted nach der Hauptstadt<br />
Dänemarks, auf einer Strasse, die mit breiten<br />
getrennten Fahrbahnen während des letzten<br />
Drittels und mit getrennten Banketten für Fussgänger<br />
und Radfahrer wirklich jeden Vergleich<br />
mit einer Autobahn aufnimmt.<br />
Für eine schnelle Besichtigung Kopenhagens,<br />
die wohl niemand versäumen darf, lässt man<br />
den Wagen angesichts der vielen Einbahnstrassen<br />
und Parkplatznot der Altstadt am besten am<br />
Radhusplats (Rathausplatz) stehen. Nicht weit<br />
ist es von hier bis hinüber zum königlichen<br />
Schloss mit den Gardisten in alten Uniformen<br />
und Waffen, zum Glockenturm mit einem weitreichenden<br />
Ausblick über Stadt und grüne Umgebung<br />
von königlichen Schlossparks, zu den<br />
Banken und Hotels, dem Fischmarkt oder dem<br />
Nyhavn mit seinen Matrosenkneipen, oder gar<br />
dem Overgarden mit seinen mittelalterlichen<br />
Häuschen und Kirchen. Vor allem sind es aber<br />
nur wenige Schritte zum Tivoli, dem wohl jeder<br />
Fremde zumindest einen Abend widmen wird.<br />
Denn hier findet er nicht nur auf einem Platz<br />
zusammengedrängt Freilufttheater, Restaurant,<br />
Kabarett, Tanzhalle und jede Art Belustigung,<br />
sondern auch die beste Gelegenheit zu einer Bekanntschaft<br />
mit dem dänischen ultrademokratischen<br />
Volkscharakter.<br />
Nur noch 45 Kilometer sind es dann noch<br />
von Kopenhagen nach der Schwedenfähre zwischen<br />
Hälsingör und Hälsingborg — doch diese<br />
45 Kilometer sind nicht etwa eine halbe Stunde<br />
Fahrt, wie man nach den bisherigen Erfahrungen<br />
mit dänischen Landstrassen gerne angenommen<br />
hätte — sondern mindestens das Doppelte,<br />
wenn nicht das Dreifache! — Villen, Paläste,<br />
Hotels und Restaurants. Pensionen und Servicestations<br />
flankieren die kurvenreichen Strassen,<br />
die dem Sund entlang nach Norden führt, ein<br />
Badeort schliesst sich an den anderen und lassen<br />
dazwischen nur noch einigen modernisierten<br />
Fischerdörfern ihr Recht. Auf dem schmalen<br />
Asphalt (2 bis 3 Kolonnen breit) hindern immer<br />
wieder Geschwindiekeitseinschränkuneen.<br />
Radfahrerschwärme, Längststriche und zottelige<br />
Familienfahrer das Vorwärtskommen und mancher<br />
Tourist hat schliesslich, in Hälsingör angelangt,<br />
die Fähre versäumt. Kein Unglück zwar,<br />
denn bereits 2 bis 3 Stunden später fährt die<br />
nächste nach der skandinavischen Halbinsel und<br />
ausserdem lädt während der Tagesstunden das<br />
nahe Schloss Kronböre, zu einem interessanten<br />
kurzen Besuch ein. Den Rest der Zeit nehmen<br />
Pass- und Zollformalitäten in Anspruch, die nötigenfalls<br />
auch auf der Fähre vorgenommen werden.<br />
Mit einer Flut von Formularen, Visunifragebogen,<br />
Geldvormerkscheinen wird der Tourist<br />
überschüttet, der internationale Führerschein<br />
ist ebenso wichtig wie der internationale<br />
Zulassungsschein für den Wagen, und schliesslich<br />
ertappt man doch noch so manchen ohne<br />
die « grenn Card », den schwedischen Versicherungsnachweis.<br />
Hat er sie nicht, heisst es 2 Kronen<br />
pro Aufenthaltstag für eine eigene Versicherung<br />
vorauszahlen. Vom schwedischen Gesichtspunkt<br />
aus hat diese Versicherung immerhin ihre<br />
besondere Notwendigkeit. Denn viele der europäischen<br />
Touristen können sich doch nicht so<br />
schnell vom Rechts- zum Linksfahren umstellen<br />
und haben schon manchen unnötigen Unfall hervorgerufen.<br />
Denn zu allem Ueberfluss ist die<br />
Autostrasse von Hälsingborg nach Stockholm<br />
zirka "600 Kilometer lang, bei weitem nicht so<br />
gut wie im Vergleich zu europäischen oder dänischen<br />
und schliesslich insbesondere im südlichen<br />
Teil so wenig befahren, dass man leicht durch<br />
ein plötzlich auftauchendes Fahrzeug erschreckt<br />
auf die falsche Strassenseite ausweichen könnte.<br />
Bereits nach wenigen Kilometern hat der anfängliche<br />
Asphalt ein Ende und erscheint nur<br />
noch für manche Stunden, während für den<br />
Rest der Fahrt Reifen und Federn durch Kies,<br />
Teermakadam Kleinstein und tausend Wellen<br />
und Löcher weicher Erdstrassen mitgenommen<br />
werden. Doch das ist auch nur eine von den<br />
zwei grössten und unangenehmen Ueberraschungen,<br />
die dem — immerhin seltenen — Nordlandfahrer<br />
des Jahres 48 beschieden sind. Die zweite<br />
bringt der erste Besuch einer der zahlreichen<br />
Servicestations zur traurigen Gewissheit. Der<br />
Benzinpreis, bei uns fälschlich mit 28 Oere angegeben,<br />
beträgt in Wirklichkeit bis zu 75 Oere,<br />
also noch mehr als der immerhin nicht billige<br />
schweizerische Treibstoff! Es ist auch nicht frei<br />
und die Marken für 50 Liter, die jeder Auslandstourist<br />
in Hälsingborg beim Ausschiffen<br />
aus der Fähre von einem rührigen Beamten des<br />
Königlich schwedischen Automobilklubs erhält,<br />
reichen für einen grösseren Wagen nur bis zur<br />
Halbwegsstadt Jönköpping, deren Polizei dann<br />
aber gerne weiterhilft, bis schliesslich der<br />
• Koako », der königliche Automobilklub in<br />
Schweden, den Rest der Maximalration von<br />
300 Liter ausgibt. Nicht sehr angenehm überraschend<br />
sind leider auch die Preise in allen<br />
Gaststätten und Hotels. Die Restaurants bringen<br />
ein überreichliches Essen meist nicht unter<br />
6 Kronen — in Stockholm bis zu 14 — das billigste<br />
Zimmer in einem besseren Hotel Stockholms<br />
kostet angesichts einer seltenen Quartiernot<br />
in den grösseren Städten bis zu 9 schwedische<br />
Kronen (Fr. 8.50)f.<br />
Doch nur ein unverbesserlicher Pessimist<br />
würde sich durch die Teuerung die Stimmung<br />
verderben lassen. Denn noch gibt es für alles<br />
und jedes ein angenehmes Gegenteil. Für den<br />
einen ist es vielleicht der Ueberfluss an Milch<br />
und Butter, die nicht nur billig, sondern auch<br />
reichlich in den «Mjölkbars >, in jeder Form<br />
zu haben ist, für den anderen die Landschaft,<br />
die wohl nicht mit hohen Bergen oder Fjords<br />
wie in Norwegen aufwartet, aber immerhin mit<br />
recht viel Wald, grünen Weiden und da und dort<br />
mit blauen Seen, eingerahmt von Schilf und<br />
Weiden. Ruinen von Burgen und Schlössern an<br />
ihren Ufern erzählen dann von der gewaltigen<br />
Geschichte Schwedens. Die Kleinstädte, in Abständen<br />
von 50 bis 70 Kilometern auftauchend,<br />
sind nicht minder schmuck und reinlich als in<br />
Dänemark. Es zeigt sich, dass der schwedische<br />
Farmer, der die grosse Mehrheit der Bevölkerung<br />
bildet, nicht in geschlossenen Ortschaften<br />
lebt. Wo man entlang der Landstrasse oder auch<br />
abseits hinsieht, ja selbst im dichten Nadelwald,<br />
der noch einen guten Teil Mittelschwedens bedeckt,<br />
findet man verborgen hinter einigen<br />
hohen Bäumen die Umrisse des Daches eines<br />
hölzernen' Farmhauses, das insbesondere im<br />
mittleren Schweden eine seltsame gewölbte<br />
Form und den typischen dunkelroten Anstrich<br />
amerikanischer Farmhäuser besitzt. Welche Rolle<br />
Auto und Fahrrad eingenommen haben, beweisen<br />
nicht nur die Veloschwärme, die auch im<br />
Flachland und in den Provinzorten nicht geringer<br />
werden, sondern auch eine Statistik, nach<br />
der heute Schweden mit 250 000 Autos und<br />
gegen 4 Millionen Velos auf 6 Millionen Einwohner<br />
eine relativ grössere Zahl derselben besitzt,<br />
als irgendein anderes skandinavisches Land<br />
und mit den Velos sogar noch vor Holland rangiert<br />
Von der Viertelmillion Autos bekommt<br />
man zwar auf den Landstrassen noch nicht den<br />
richtigen Eindruck, man bemerkt lediglich, dass<br />
neuerdings grösste Anstrengungen behördlicherseits<br />
getroffen werden, einer weiteren Zunahme<br />
des motorisierten Verkehrs — sobald die Treibstoffschwierigkeiten<br />
überwunden sein sollten —<br />
durch Verbesserung des Strassennetzes vorzuarbeiten.<br />
Beim Zurücklegen der 600 Kilometer<br />
langen Strecke Hälsingborg—Stockholm ist es<br />
ratsam noch eine Nachtstation in einem der<br />
Touristhotelet von Jönköping oder Nyköping<br />
einzuschieben, schon um sich die unangenehme<br />
Ueberraschung zu ersparen, in Stockholm oder<br />
Göteborg umsonst nach einem Quartier zu<br />
suchen. Denn die freien Hotelzimmer sind eine<br />
ganz unglaubliche Seltenheit geworden, seitdem<br />
die Einwohnerzahl dieser Städte im ständigen<br />
Wachsen begriffen ist und auch gegenwärtig<br />
stets noch Flüchtlingsschwärme aus dem Osten<br />
eintreffen.<br />
Abgesehen davon, dass der Wohnstandard der<br />
Einheimischen noch immer weit über dem mitteleuropäischen<br />
Mass steht. Doch wozu gibt es<br />
schon im Heimatlande Ericsons ein Telephon,<br />
das nicht allzu teuer und erstklassig funktioniert,<br />
und wozu hat auch der brave «Koako»-<br />
Beamte von Hälsingborg jedem Touristen ein<br />
Hotelverzeichnis in die Hand gedrückt? Mit<br />
etwas Ausdauer und einigen Vorausanrufen wird<br />
sich schliesslich doch noch ein Unterschlupf<br />
finden! Natürlich die gedruckten Preise in den<br />
Prospekten sind nicht mehr wahr und stets<br />
überholt! Man tröste sich mit der Erfahrung,<br />
dass auch die Schweden selbst über ihre eigenen<br />
teuren Preise ungehalten sind — und dabei<br />
haben sie wohl zumindest noch den Nutzgenuss<br />
all der schönen menschenfreundlichen Einrichtungen,<br />
wie Spitäler und andere kommunale<br />
Bauten, Sportstadien und Volksparks, die aus<br />
dem Steuererlös der hoch mit Taxen belegten<br />
Artikel erbaut wurden, und für jeden schwedischen<br />
Bürger zugänglich sind.<br />
Erstaunlich für den Fremden wirkt, dass<br />
sämtliche Benzinstationen, mit seltenen Ausnahmen,<br />
um 5 Uhr schliessen und ebenso die Verksteds<br />
(Werkstätten) am Abend, des Nachts und<br />
schon gar von Freitag bis Montag « stängt» (geschlossen)<br />
sind. Die Fahrt am Mälarwägen entlang,<br />
flankiert von Villenpalästen in allen Farben<br />
des Spektrums und Blumenbeeten, wird zu<br />
einem einzigartigen Genuss, der seine Krönung<br />
in dem Anblick des Rathauses und der Monstergebäude<br />
auf der Ritterhusinsel findet. Mittelalter<br />
und Neuzeit, Prachtgebäude aus dem letzten<br />
Dezennium und Barock und Gotik aus der<br />
Hochzeit des 16. und 18. Jahrhunderts reichen<br />
sich hier die Hand, um Stockholm zu einem<br />
Juwel Europas zu machen, das wohl seinen Platz<br />
neben Paris verdient, trotzdem es mit kaum<br />
800 000 Einwohnern noch eine der bevölkerungsärmsten<br />
der Großstädte und Metropolen der<br />
Alten Welt darstellt.<br />
Doch diese Tatsache mag man nur allzugern<br />
vergessen angesichts eines modernen Großstadtverkehrs,<br />
der in mancher Beziehung noch Paris<br />
überbietet. Nervöse Fahrer sollten wohl lieber<br />
jetzt ihre Wagen zwischen 8 und 10 und 4 und<br />
6 Uhr schön brav in der Garage lassen (falls<br />
sie eine solche fanden) und nur in der verkehrsärmeren<br />
Zeit den Kampf mit den mit auffallend<br />
viel Gold behangenen Polizisten aufnehmen.<br />
Nun ist aber zum Unterschied von Kopenhagen<br />
in Stockholm die Benützung seines Wagens<br />
für den Fremden bei einer Stadtbesichtigung<br />
neben der Teilnahme eines Einheimischen<br />
ein riesiger Vorteil — ja eine Notwendigkeit —,<br />
wenn er auch noch die nähere und weitere Umgebung<br />
einbeziehen will, dem Meer und den<br />
vorgelagerten Inseln ebenso landschaftlich hervorsticht<br />
wie die zahlreichen historischen Sehenswürdigkeiten<br />
jedes Interesse für sich einnehmen.<br />
Niemand wird am Rathaus, am Königsschloss<br />
oder an der Staatsoper vorbeigehen noch<br />
an den winkeligen schmalen Gässchen der alten<br />
Fischerstadt. Doch dann wartet noch die Neustadt<br />
mit ihren Geschäften und Kaufhäusern<br />
rings um die Kungsgatan, da will noch der<br />
Hafen besucht werden und die Villen am Vallhallewägen,<br />
und schliesslich nimmt allein Skagen<br />
noch mehrere Stunden in Anspruch. Es ist<br />
dies ein ganz eigenartiges naturhistorisches und<br />
volkskundliches Museum im Freien, das ebensowenig<br />
im Programm der schwedischen Schul-r<br />
kinder fehlt, die klassenweise mit ihrem Skolabus<br />
jährlich einmal nach der Hauptstadt gebracht<br />
werden, noch in der Zeiteinteilung des<br />
noch so geschäftlich eingestellten Touristen. Ein<br />
Zoo, weit auseinandergezogen, zeigt vor allem<br />
die Tiere Skandinaviens, daneben, in einem<br />
grossen Park verstreut, veranschaulichen Hütten,<br />
Kirchen und Gehöfte, Zelte und Bauernhäuser<br />
die Bauweise und das Volksleben insbesondere<br />
der Nordprovinzen und deren Bewohner,<br />
die hier in ihren Trachten hausen und<br />
nicht nur Andenken verkaufen, sondern daneben<br />
auch Volkstänze ausführen.<br />
Natürlich sei es einem jeden Besucher des<br />
schönen Schweden wärmstens ans Herz gelegt,<br />
die Rückfahrt von der Hauptstadt nicht auf derselben<br />
Strasse, sondern entweder über Göteborg<br />
oder über Malmö zu legen, und womöglich vorher<br />
noch das nur 70 Kilometer entfernte Upsala<br />
zu besuchen, falls er nicht die Zeit zu einer<br />
Fahrt nach dem landschaftlich und volkskundlich<br />
überreichlichen Norden aufbringen kann. In<br />
jedem Fall wird er des Landes zweites Gesicht<br />
jetzt kennenlernen, sein Meer und jene verträumten<br />
Fischerbadeorte, die neben allem Komfort<br />
doch noch nicht die ländliche Note verloren<br />
haben, die wie Marstrand oder Svo alljährlich<br />
nicht nur die zehntausend reichsten und<br />
vornehmsten Familien Schwedens, sondern auch<br />
Yachtbesitzer der ganzen Welt zu Gaste sehen,<br />
er wird jahrhundertealte Schlösser und Burgen<br />
kennenlernen, die ein Kapitel europäischer Geschichte<br />
erläutern.<br />
Im Hafen von Stockholm. Im Hinterarund Alt-Stockholm mit der Ridderhuskirche