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einSteiger 2018

Regionaljournal einSteiger 2018, LAG Südlicher Steigerwald e.V.

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Unter Noten verbirgt sich<br />

der Steinway-Flügel des Komponisten<br />

Hans-Günther Allers.<br />

Jahrhunderte vorher hatte es Richard Wagner<br />

nach Franken verschlagen.<br />

Brigitta Allers hat ihn porträtiert.<br />

Tex und Fotos: Oliver Hug<br />

Durch Probenbesuche<br />

bei den Bayreuther<br />

Festspielen hatten<br />

Hans-Günther Allers<br />

und seine Frau Brigitta in den<br />

Siebzigerjahren Franken kennengelernt<br />

und auf der Durchreise zurück<br />

in den hohen Norden Burghaslach<br />

für sich entdeckt. Siebzehn Jahre<br />

machten sie dort Urlaub. Es war<br />

inzwischen jedes Mal fast wie ein<br />

Heimkommen. So brauchte es für<br />

den damaligen Bürgermeister Iftner<br />

auch nur wenig Überredungskünste,<br />

als er den beiden vorschlug,<br />

ihren Lebensmittelpunkt nach<br />

dem Marktflecken in Franken zu<br />

verlegen. Er hatte sogar schon ein<br />

Grundstück im neuen Baugebiet<br />

für sie im Auge. 1992 fuhr der<br />

Umzugswagen im Norden Hamburgs<br />

los und entlud seine Fracht<br />

über 600 Kilometer weiter südlich<br />

im neu gebauten Haus, fernab jeder<br />

Küste. Vorgezeichnet war dieser<br />

Weg nicht. Auch nicht die Karriere<br />

Allers’ als Komponist.<br />

1935 kam Hans-Günther Allers<br />

in Hamburg zur Welt. Fast jeder in<br />

der Familie hatte etwas mit Schiffen<br />

zu tun, einige fuhren zur See. Sein<br />

Vater war Schiffbauer in Finkenwerder,<br />

der Arbeitsplatz in der Werft<br />

war nicht weit von der Wohnung<br />

entfernt. In seiner Freizeit spielte<br />

das Familienoberhaupt Akkordeon<br />

– „Schifferklavier” – und brachte so<br />

seinem Sohn die Musik nahe. Im<br />

Krieg wurde der Vater erst sehr spät<br />

eingezogen und doch viel zu früh,<br />

denn er kehrte nicht aus Russland<br />

zurück. Der Sohn sollte ihm später<br />

seine Rhapsodie op. 63 widmen,<br />

die 1994 anlässlich eines musikalischen<br />

Friedensfestes von sowjetischen<br />

Musikern in Minsk uraufgeführt<br />

und mehrmals dargeboten<br />

wurde.<br />

Hans-Günther hatte seine Liebe<br />

zur Musik schon als Kind entdeckt<br />

und seine Mutter unterstützte diese<br />

Neigung sowie später auch die<br />

teure Ausbildung so gut sie konnte,<br />

obwohl sie einen anderen beruflichen<br />

Werdegang sicher bevorzugt<br />

hätte. Auch für ihn war das Akkordeon<br />

das logische erste Instrument.<br />

Ein eigenes, teures Klavier schien<br />

nach dem Krieg eigentlich unerreichbar.<br />

Doch der Schwarzmarkt<br />

eröffnete Chancen, die ein Onkel<br />

zu nutzen wusste. So stand statt des<br />

DKW-Motorrads des verschollenen<br />

Vaters im Hof des Hauses eines Tages<br />

ein Klavier für den Jungen im<br />

Wohnzimmer. Mit zwölf, dreizehn<br />

Jahren hatte das Tastenspiel sein<br />

Interesse am Fußballspielen schon<br />

verdrängt. Eine lebenslange Leidenschaft<br />

für die Musik hatte begonnen,<br />

die sich, je intensiver er sich mit<br />

dem Werk der klassischen Komponisten<br />

befasste, noch verstärkte.<br />

Das erste Geld verdiente sich der<br />

junge Hans-Günther Allers nebenher<br />

– nicht mit klassischer Musik<br />

aber ganz „klassisch“ – als Straßenmusiker<br />

mit dem Akkordeon. Bei<br />

einem Job in einem Musikgeschäft<br />

stellte sein Chef fest, dass er das absolute<br />

Gehör hat. Die professionelle<br />

Laufbahn als Musiker begann mit<br />

dem Musiklehrer-Studium Mitte<br />

der Fünfzigerjahre in Trossingen.<br />

An das Examen schloss er noch ein<br />

Klavier- und Kompositionsstudium<br />

in seiner Heimatstadt Hamburg an,<br />

bevor er über viele Jahre hinweg<br />

zunächst an der Staatlichen Musikschule<br />

in Hamburg und später an<br />

der Musikschule in Segeberg als<br />

Lehrer tätig war. Daneben trat er<br />

bald schon erfolgeich als Komponist<br />

in Erscheinung. Ein erster Höhepunkt<br />

war die Uraufführung seines<br />

Konzertes für Klavier und Orchester<br />

in der Musikhalle Hamburg im Jahr<br />

1960, bei der er selbst am Instrument<br />

saß. Eine Karriere als Interpret<br />

schloss er für sich aus. Zumindest<br />

in jungen Jahren war die Scheu,<br />

vor großem Publikum aufzutreten,<br />

zu groß. Zudem sah und sieht er<br />

die Erfüllung seiner Kreativität<br />

im Schaffen eigener Werke. Neid<br />

auf die große Popularität mancher<br />

Instrumentalisten, an die zeitgenössische<br />

Komponisten heute niemals<br />

heran reichen, kommt bei ihm nicht<br />

auf. Er strahlt Zufriedenheit aus, im<br />

Leben genau das gemacht haben zu<br />

können, was er bis heute am liebsten<br />

tut: komponieren.<br />

Als wir ihn am Vorabend seines<br />

83. Geburtstags besuchen, unterbrechen<br />

wir ihn bei dieser Leidenschaft.<br />

Ein eigentliches Wohnzimmer<br />

gibt es nicht (mehr) im Hause<br />

Allers. Der größte Raum im Erdgeschoss<br />

ist in erster Linie sein<br />

Arbeitszimmer. Den Steinway-<br />

Flügel sieht man zunächst nicht<br />

unter der Hülle und Fülle von<br />

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