Titel © PeskyMonkey – istockphoto.com heul doch! MÄRZ 2018 --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 20 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- www.heilbronn.ihk.de
Ein Wort macht bei zahlreichen Politikern, Unternehmens- und Wirtschaftsvertretern mehr und mehr die Runde, sorgt für Angst und Schrecken: der Fachkräftemangel. Doch es gibt auch kritische Stimmen. Von Matthias Marquart Das im Rahmen der neuesten IHK-Konjunkturumfrage (siehe Seite XY) am häufigsten genannte Geschäftsrisiko ist der Mangel an Fachkräften. Als Grund hierfür wird häufig auf die demografische Entwicklung verwiesen, die den Fachkräftemangel ebenso befeuere, wie die Tendenz vieler Schüler lieber ein Studium zu beginnen, statt eine Ausbildung zu absolvieren. Und auch die erhoffte Erholung durch tausende Flüchtlinge, die dem Arbeitsmarkt zugeführt werden sollten, hat sich bisher nicht in dem Ausmaß eingestellt, wie erwartet. Doch trifft dies alles auch wirklich zu? Ist der vermeintliche Mangel vielleicht nicht ein teilweise selbstgemachtes Problem zahlreicher Unternehmen? So kommt die Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit ebenso wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zu der Einschätzung, dass es, abgesehen von einigen „Mangelberufen“ wie beispielsweise in der IT-Branche, im Handwerk, der Gastronomie oder Pflege, derzeit keinen flächendeckenden Fachkräftemangel in Deutschland gibt. Wer natürlich noch in alten Zeiten schwelgt, in denen sich Arbeitgeber vor Bewerbern nicht retten konnten, und immer noch nach qualitativ gut ausgebildeten Bewerbern mit bestenfalls zehn- bis fünfzehnjähriger Berufserfahrung sucht, aber keine angemessenen und zeitgemäßen Gehälter zahlen will, darf sich nicht wundern kein Personal zu finden. Denn auch hier gilt immer noch das alte Gesetz von Angebot und Nachfrage, das den Preis – in diesem Fall den Lohn – bestimmt. Angemessene und gestiegene Reallöhne in Handwerk, Gastronomie oder Pflege – eben jenen nachweislich größten Sorgenkindern des Fachkräftemangels – sind allerdings mit Ausnahme der IT-Branche – Fehlanzeige. Torpedieren viele Unternehmen ihre expansiven Einstellungspläne also selbst? Gemeinsam gegensteuern Das ist in zahlreichen Fällen sicher ein berechtigter Einwand, andererseits jedoch kommen Studien von Forschungsinstituten wie Prognos oder dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) tatsächlich auf düstere Prognosen im Hinblick auf den Mangel an Fachkräften. So errechnete Prognos im Sommer vergangenen Jahres, dass bis 2030 drei Millionen Fachkräfte fehlen werden, und aus dem Mint-Report des IW (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) geht hervor, dass bereits aktuell in den genannten Bereichen 237.500 Fachkräfte, insbesondere IT-Experten, fehlen. Die „Wahrheit“ liegt wohl auch hier wie immer in der Mitte. Zwar können bereits jetzt, vor allem auch in ländlichen Regionen, zahlreiche Ausbildungsplätze und Stellen nicht oder nur schwer besetzt werden, doch mit Kreativität und der Erkenntnis auch neue Wege einschlagen zu müssen, lässt sich vielen Problemen, die aus dem zunehmenden Fachkräftemangel resultieren und die in Zukunft auch das derzeit florierende Wirtschaftswachstum drücken könnten, entgegensteuern. So gilt es für zahlreiche Unternehmen, ihr Ausbildungsmarketing und ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu verbessern. Viele Unternehmen haben, was ein Blick auf die IHK-Bildungsmesse immer wieder eindrücklich beweist, dies bereits erkannt und locken jungen Nachwuchs mit attraktiven Angeboten auch in den Bereichen Vereinbarkeit von Beruf und Familie, flexible Arbeitszeit, angemessene Entlohnung und Weiterbildungsmöglichkeiten. Und auch die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, die es den Unternehmen ermöglicht, flexibel und effektiv mit den aus dem Fachkräftemangel resultierenden Problemen umzugehen. Gerade in den Bereichen der (Weiter-)Beschäftigung älterer Arbeitnehmer, von Frauen, An- und Ungelernten, außerregionalen und ausländischen Fachkräften sowie Studierenden beziehungsweise Studienabbrechern ist noch viel Luft nach oben. Politik und Wirtschaft sind also gleichermaßen gefragt, wenn es darum geht, dem sich verschärfenden Fachkräftemangel Abhilfe zu schaffen. www.heilbronn.ihk.de ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 21 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- MÄRZ 2018