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Fachwerk 2018

Das Magazin der Denkmalpflege des Kantons Bern

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40 BERICHTE | RAPPORTS<br />

BERICHTE | RAPPORTS 41<br />

01 Blick auf die Westfassade: Der Speicher hat über die Jahrhunderte<br />

hin seine ursprüngliche Gestalt trotz Veränderungen in der<br />

Um gebung und dem nachträglichen Anbau erhalten können.<br />

02 Innenansicht mit Blick an die Westfassade. Die Zwischendecke<br />

neigt sich aufgrund der schadhaften Balkenlage und ihrem hohen<br />

Eigengewicht (Mörtelstrich unter Bodenbrettern) einseitig stark herab.<br />

03 Traufdetail des kunstvoll gehauenen Tuffsteinfrieses mit Hohlkehle<br />

und den knapp darüber liegenden Biberschwanzziegeln.<br />

01 02 03<br />

Heidenstöcke in Niederönz<br />

In Niederönz stehen gleich zwei einzigartige steinerne Speicher, die wohl aus dem<br />

15. Jahrhundert stammen. Beim kleineren der beiden steht die Sanierung bevor.<br />

Der Weg von Herzogenbuchsee nach Niederönz führt der<br />

Mühlestrasse entlang geradewegs durch ein Einfamilienhausquartier.<br />

An der Strassenkrümmung werden erste Gebäude<br />

der Mühlegruppe sichtbar, eine für Niederönz als<br />

traditioneller Gewerbestandort bedeutsame Baugruppe.<br />

Am Bachübergang wird der Blick auf den sich ausweitenden<br />

Landschaftsraum frei. Hier verschränkt sich der Siedlungsrand<br />

mit dem von Bäumen besetzten Schwemmland<br />

und der sich darin sanft windenden Önz.<br />

Grosser und kleiner Bruder<br />

Sobald man an der Dörflistrasse ankommt, ist der am<br />

rechten Strassenrand aufragende steinerne Speicher<br />

(Dörflistrasse 4) nicht zu übersehen. Dieser innerhalb der<br />

Region fast gar fremd anmutende Bau ist ein prominenter<br />

Vertreter der weithin als «Heidenstöcke» bekannten Speicher.<br />

Die Strasse führt daraufhin scharf nach Westen, wo<br />

auf linker Seite zwischen Ökonomiegebäude und Hocheinfahrt<br />

der kleine Bruder des grossen Heidenstocks steht.<br />

Die Sicht auf diesen Speicher war lange Zeit durch das vorangestellte<br />

Silo verdeckt. In der Zwischenzeit hat der Bauherr<br />

dem Speicher durch Abbruch des Silos und Entrümpelung<br />

rundherum etwas Luft verschafft. Das Gebäude<br />

besitzt eine annähernd quadratische Grundfläche. Es ist<br />

unterkellert und weist im Innern zwei Lagerböden auf.<br />

Seine Aussenwände sind ungefähr einen halben Meter<br />

stark und wurden mit Bruch- und Lesesteinen gemauert.<br />

An den Gebäudeecken sind einzelne, unbehauene Quadersteine<br />

zu sehen. Was einst verputzt nobel wirken sollte,<br />

erscheint heute durch Witterungseinflüsse etwas grob. Mit<br />

Blick nach oben wiederum erkennt man den kunstvoll gehauenen<br />

Mauerabschluss aus Tuffsteinen. Das knapp da­<br />

rüber hinaus ragende, leicht geknickte Satteldach mit<br />

handgemachten Ziegeln unterstreicht den Anspruch dieses<br />

Kleinods auf eine vornehme Erscheinung.<br />

Vermutungen zur Geschichte<br />

Zur Geschichte des kleineren Speichers ist kaum etwas<br />

bekannt, anders als dies beim grösseren der Fall ist. Der<br />

kleine Speicher ist bislang nicht datiert, seine Errichtung<br />

wird im 15. Jahrhundert vermutet. Die im Türsturz eingekerbte<br />

Jahreszahl 1615 wurde nachträglich angebracht.<br />

Seit geraumer Zeit wird über den Zweck und die Herkunft<br />

dieser Bauten sinniert. So wurde vor rund 70 Jahren angenommen,<br />

die gemauerten Speicher mit Giebeldach dienten<br />

mittelalterlichen Grundherren aus klösterlichen oder<br />

weltlichen Kreisen als Lagerhäuser. Abgesehen vom architektonischen<br />

Ausdruck dieser Gebäude, welcher durchaus<br />

an Sakralbauten erinnert, wurde die Verbindung zur Obrigkeit<br />

durch die jüngere Forschung nur ansatzweise bestätigt.<br />

Es darf davon ausgegangen werden, dass ein grosser<br />

Teil der steinernen Speicher keinen solchen Hintergrund<br />

hat, sondern vielmehr einer regionalen Steinbautradition<br />

entsprungen ist.<br />

Weitgehend original erhaltener Zeitzeuge<br />

Die Gebäudeaufnahme und erste bauarchäologische Untersuchungen<br />

2016 haben aufgezeigt, dass der Speicher<br />

bis auf wenige Veränderungen weitgehend in seiner ursprünglichen<br />

Gestalt erhalten geblieben ist. Den zweiten<br />

Keller hat man nachträglich ausserhalb des Kerngebäudes<br />

erstellt. Der Speicher wurde im Verlauf der Zeit sprichwörtlich<br />

eingegraben, da sich das Umgebungsniveau sukzessive<br />

erhöhte. Dies ist im Bereich der Hocheinfahrt gut ersichtlich<br />

und führt zu einer hohen Grundfeuchtigkeit im<br />

Mauerwerk mit entsprechenden Schäden. Die wenigen<br />

aus Holz gebauten Teile befinden sich heute zum Teil in<br />

schlechtem Zustand. Insbesondere im Bereich des Dachstuhls<br />

drängen sich kurzfristig Sanierungsarbeiten auf. Die<br />

Denkmalpflege steht in engem Kontakt mit der Bauherrschaft<br />

und den Restauratoren. Trotz der grösstmöglichen<br />

finanziellen Unterstützung durch öffentliche Gelder ist die<br />

Sanierung derzeit nicht gesichert. Es ist daher zu hoffen,<br />

dass weitere finanzielle Mittel gefunden werden können.<br />

Im Hinblick auf künftige Nutzungen stehen verschiedene<br />

Möglichkeiten zur Diskussion.<br />

Niederönz, Dörflistrasse 9a<br />

Massnahmen: Gesamtsanierung<br />

Bauherrschaft: Walter Brand<br />

Restauratoren: Nussli Restauratoren AG, Patrick Dietz, Bern<br />

Denkmalpflege: Nicolas de Wurstemberger<br />

Nicolas de Wurstenberger

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