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Fachwerk 2018

Das Magazin der Denkmalpflege des Kantons Bern

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61<br />

Verlorene Bauten<br />

Mister Bauernhausforschung<br />

Einblicke in die langjährige Forscherkarriere des Heinrich Christoph Affolter<br />

HERZOGENBUCHSEE, SOLOTHURNSTRASSE 22<br />

Bauernhaus, wohl 18. Jh.<br />

Das als schützenswert eingestufte<br />

Taunerhaus befand sich in einem<br />

schlechten Zustand, originale Sub ­<br />

stanz fehlte fast vollständig. Die<br />

Denkmalpflege stimmte nach sorgfältigen<br />

Abwägungen einem Abbruch<br />

zu. In einer ausführlichen Dokumentation<br />

mit Plänen, Fotos und Materialangaben<br />

wurden vor dem Abriss<br />

alle Informationen zum Gebäude<br />

festgehalten.<br />

Keiner kennt den vielseitigen Bauernhausbestand<br />

im Kanton Bern so gut wie er: H.C. Affolter, seit 1982<br />

kantonaler Bauernhausforscher. Mit seiner Arbeit hat<br />

er wertvolles Wissen über die architektonische Tradition<br />

der ländlichen Baukultur sichtbar gemacht. Ende<br />

Januar <strong>2018</strong> ging er in Pension.<br />

Den Anstoss für seine langjährige Karriere hat H.C. Affolter<br />

auf einer Exkursion während des Studiums erhalten: «Wir<br />

besuchten die 'Hulleren' im Oberfrittenbach. Dieser Besuch<br />

machte mir grossen Eindruck. Jeder Hof ist eine Welt<br />

für sich, mit einer spezifischen Geschichte und Entwicklung.<br />

Es ist faszinierend, diese Welten zu erkunden. Der<br />

Kanton Bern mit seiner Ausdehnung vom Alpenkamm bis<br />

zum Jura hat eine aussergewöhnlich breite Palette an Bauten<br />

zu bieten. Diese Vielfalt, auch wenn es um Konstruktionsarten,<br />

Baumaterialien oder Dekorformen geht, fasziniert<br />

mich nach wie vor. Wir haben einen grossartigen<br />

bäuerlichen Baubestand.»<br />

1982 wurde Affolter von der damaligen Landwirtschaftsdirektion<br />

angestellt, um den ersten Bauernhaus-Band des<br />

Kantons Bern zu überarbeiten. Schnell war aber klar, dass<br />

er diesen komplett neu schreiben musste. So fing es an<br />

und über die Jahre folgten drei weitere Bände. Immer wieder<br />

betont Affolter, wie wichtig dabei Teamarbeit und<br />

Grundlagenforschung waren: «Ich sah mich als Vertreter<br />

eines Teams. Es ist ein Geben und Nehmen. Die Zusammenarbeit<br />

innerhalb der Denkmalpflege ist wichtig, etwa<br />

der intensive Austausch mit der Bauberatung und dem<br />

Kunstdenkmälerwerk. Die Bauernhausforschung kann sich<br />

auf wichtige Instrumente der Denkmalpflege abstützen<br />

wie das Bauinventar und den reichen Foto- und Planbestand.»<br />

Den Strukturwandel in der Landwirtschaft stellt auch<br />

Affolter fest: «Praktisch täglich verschwinden Bauernhöfe,<br />

der Verlust ist gewaltig. Geeignete Umnutzungen sind auf<br />

jeden Fall sinnvoll. Wenn ein Bauernhaus weiterhin eine<br />

Funktion hat und genutzt wird, ist das der beste Schutz für<br />

das Baudenkmal», betont er.<br />

Der vierte Band der Reihe «Bauernhäuser des Kantons<br />

Bern» über den Berner Jura, das Seeland und das Bipperamt<br />

(entstanden in Zusammenarbeit mit Isabelle Roland)<br />

ist gleichzeitig auch der letzte. Der Bestand des ganzen<br />

Kantons ist nun bearbeitet, die Stelle Affolters wird nicht<br />

mehr besetzt. Sobald auch die Legenden und der Anhang<br />

zu seinem letzten Band fertiggestellt sind, will Affolter<br />

schauen, was es ausser Bauernhäusern sonst noch gibt.<br />

DOS<br />

HABKERN, UNTEREM BORT N.N.<br />

Lombachbrücke, wohl 1936 – 1939<br />

HASLE BEI BURGDORF, BIEMBACHSTRASSE 3<br />

Ehemalige Mühle von 1814<br />

WICHTRACH, SEILEREISTRASSE 19D<br />

Seilerei, wohl gegen Ende 19. Jh.<br />

Der Kanton liess die Eisenbeton-<br />

Bogenbrücke über den Lombach aus<br />

Sicherheitsgründen zurückbauen.<br />

Sie war baufällig geworden und hätte<br />

einem allfälligen Hochwasser und<br />

dem Druck der Erdmassen irgendwann<br />

nicht mehr standhalten<br />

können.<br />

Die stillgelegte Mühle am Biembach<br />

wurde im Frühling Opfer eines Brandes.<br />

Der Holzbau und die Innenausstattung<br />

sind komplett zerstört, nur<br />

das Sockelgeschoss aus Sandstein<br />

blieb erhalten. Ein Wiederaufbau ist<br />

wegen des grossen Substanzverlustes<br />

unverhältnismässig, die Brandruine<br />

wird deshalb abgebrochen.<br />

Die Seilerei, ein markantes Gebäude<br />

in freier Landschaft, stellte eine<br />

industrie- und architekturgeschichtliche<br />

Seltenheit dar, sie war schweizweit<br />

eine der letzten ihrer Art. Anfang<br />

Januar <strong>2018</strong> fiel sie dem Sturm<br />

«Burglind» zum Opfer. Ein Wiederaufbau<br />

machte wegen der massiven<br />

Beschädigungen keinen Sinn.<br />

Die schweizerische Bauernhausforschung<br />

befasst sich mit der Erfassung<br />

und Publikation von ländlichen<br />

Bauten und Siedlungen, der historischen<br />

Bewirtschaftung sowie des<br />

Alltags. Es gibt sie seit den 1930er<br />

Jahren. Im Kanton Bern kam es 1978<br />

zur immer noch laufenden Zusammenarbeit<br />

zwischen dem Kanton und<br />

der Gesellschaft für Volkskunde.<br />

Heute ist die Bauernhausforschung<br />

der kantonalen Denkmalpflege angegliedert.<br />

Für das Forschungsprojekt<br />

«Bauernhäuser der Schweiz» erarbeitete<br />

H.C. Affolter die Bände für<br />

den Kanton Bern.

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