Vergabe von eigenjagdrevieren „Zellerin Schüttäler“ - Tiroler ...
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Fachartikel<br />
Der „Senseler“<br />
Im Winter vor zwei Jahren erzählte mir<br />
ein Berufsjäger aus dem Karwendel<br />
<strong>von</strong> einem Gamsbock, den er auf weite<br />
Entfernung mit einem Spektiv beobachtet<br />
hatte. Da er vermutete, dass dieser einen<br />
gebrochenen Lauf hatte, sollte ich ihn mir<br />
genauer ansehen. Doch sooft ich in der Gegend<br />
war und nach dem Bock Ausschau<br />
hielt, war er weit und breit nicht zu finden.<br />
In den vergangenen zwei Jahren wurde er<br />
zwar hin und wieder <strong>von</strong> Almhirten und<br />
Jägern gesichtet, mir jedoch begegnete er<br />
in der gesamten Zeit nicht ein einziges Mal.<br />
Bei den Versuchen der Jäger, den Bock zu<br />
erlegen, war das Glück stets auf seiner Seite<br />
und es gelang ihm immer wieder, sich<br />
im letzten Augenblick in ausgedehnte Latschenfelder<br />
zu retten.<br />
Im letzten Spätherbst wanderte ich in der<br />
obersten Latschenregion eines Bergrückens<br />
entlang, als ich einen Gamsbock blädern<br />
hörte. Vorsichtig schlich ich mich zur nächsten<br />
Kuppe und erwiderte das Blädern – so<br />
gut es mir als Nicht-Gamsbock eben möglich<br />
war. Doch es tat auch so seine Wirkung<br />
und der Bock kam auf drei Läufen hüpfend<br />
aus einem Graben heraus auf mich zu. Sein<br />
rechter Vorderlauf war im Bereich des Carpalgelenkes<br />
gebrochen und seitlich rechtwinklig<br />
wieder angewachsen, sodass es den<br />
Eindruck erweckte, als würde er mit dem<br />
abstehenden Lauf wie mit einer Sense alles,<br />
was ihm in die Quere kommt, abmähen.<br />
Nachdem er bemerkte, dass ich doch kein<br />
Nebenbuhler war, machte er kehrt und gesellte<br />
sich – eifrig werbend – wieder jenseits<br />
des Grabens zu einem Trupp Geißen mit<br />
ihren Kitzen. In der heutigen Zeit wäre es<br />
ein Leichtes gewesen, mit dem Handy den<br />
Berufsjäger zu verständigen und mit hoher<br />
Wahrscheinlichkeit wäre der Gamsbock innerhalb<br />
einer Stunde erlegt gewesen. Aber<br />
nachdem ich ihm eine Zeit lang bei seinem<br />
Treiben zugeschaut und ihn fotografiert hatte,<br />
machte er keinerlei gequälten Eindruck<br />
auf mich und ich wäre mir wie ein Verräter<br />
vorgekommen, wenn ich sofort zum Handy<br />
gegriffen hätte.<br />
Die Zeit des großen Schmerzes und des<br />
Versteckens, die Zeit des Hungerns sowie<br />
die Gefahr, Wundfieber zu bekommen, das<br />
alles ist Vergangenheit und längst schon<br />
überstanden. Geblieben ist ihm eine Behinderung,<br />
ein Anhängsel eines verkrüppelten<br />
Laufes, mit dem er aber zu Leben gelernt<br />
hat. Wie er sein Schicksal meistert, das hat<br />
mir sehr imponiert. Wenn man bedenkt,<br />
wie brutal sich Gamsböcke in der Brunft<br />
gegenseitig nachjagen, so gehört schon großer<br />
Wagemut dazu, in seinem Zustand mitzubrunften.<br />
Und wenn man sich vor Augen<br />
hält, dass dieser Bock bereits zwei Winter<br />
Dieser Bock hat bereits zwei Winter überstanden,<br />
ohne die Möglichkeit, Nahrung<br />
aus dem tiefen Schnee auszuschlagen.<br />
überstanden hat, ohne die Möglichkeit Nahrung<br />
aus dem tiefen Schnee auszuschlagen,<br />
so muss er gute Plätze wissen und sich gegenüber<br />
anderen behaupten können.<br />
Dieser Gamsbock ist einer der „Harten“,<br />
einer der „ganz Zachen“ – wie man<br />
bei uns sagt, also ein genetisch wertvoller,<br />
der es versteht, sich durchzuschlagen und<br />
durchzusetzen. Und wenn ich im Frühjahr<br />
wieder in seine Gegend hinaufkomme, und<br />
den Geißen mit den frisch gesetzten Kitzen<br />
zusehe, so weiß ich jetzt schon, dass sich<br />
meine Gedanken darum drehen werden, ob<br />
nicht das eine oder andere Kitz vom „Senseler“<br />
ist. ■<br />
Mag. Christian Messner<br />
Wenn man bedenkt,<br />
wie brutal sich<br />
Gamsböcke in der<br />
Brunft gegenseitig<br />
nachjagen, so gehört<br />
schon großer<br />
Wagemut dazu,<br />
in seinem Zustand<br />
mitzubrunften.<br />
18 JAgd in Tirol 04/2009