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Z21/22 ReformaFiktion 5.5 vorab

Die Aufgabe im Produktions-Prozess 65 Seiten von voraussichtlich 120 Seiten

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Z-aktuell<br />

men: Wir wollen gerade keine niederschwellige<br />

Kopie der Welt produzieren, sondern das glatte<br />

Gegenteil, denn nur das Echte erfüllt die tiefsten<br />

Sehnsüchte der Menschen.<br />

Johannes Hartl ist sich sicher, dass das Evangelium<br />

nichts an Kraft verloren hat; seiner Meinung<br />

nach wird es nur zu selten verkündigt und dort,<br />

wo es verkündigt wird, steht das Gesagte oft in<br />

krassem Gegensatz zu dem, was der Hörer erlebt.<br />

Laut Hartl schreit diese Generation: „Wir wollen<br />

das Reich Gottes erleben, nicht in Worten, sondern<br />

in Kraft – wie damals bei den ersten Christen!“<br />

Die Welt sehnt sich nicht nach Kirche, sehr<br />

wohl aber nach dem Reich Gottes; Hartl zitiert<br />

aus dem Römerbrief: Die ganze Schöpfung wartet<br />

darauf, sehnt sich danach, dass die Söhne Gottes,<br />

die sein Reich verkörpern, sichtbar werden. 1<br />

Die Teilnehmer des CCD fordert er heraus zu<br />

überlegen: Wie wäre es, wenn wir dem Herrn sagten,<br />

dass wir dem, was er an Neuem tut, nicht im<br />

Wege stehen wollen?<br />

Was Gewinn schien,<br />

als Verlust verbuchen<br />

Frau Prof. Mihamm Kim-Rauchholz doziert<br />

an der Internationalen Hochschule Bad Liebenzell.<br />

Sie wirft zwei Themen ins Feld; damit hat<br />

das Neue Testament immer schon für Zündstoff<br />

gesorgt: Tischgemeinschaft und Heidenmission –<br />

oder: Die Öffnung des Evangeliums über nationale<br />

Grenzen hinweg. An den aktuellen Schlagwörtern<br />

Außengrenzen, Obergrenzen, ausgrenzen und<br />

eingrenzen haben sich schon hochrangige Nachfolger<br />

Jesu der ersten Stunde wundgerieben.<br />

Prof. Kim-Rauchholz hatte entdeckt, dass von<br />

allen neutestamentlichen Autoren besonders Paulus<br />

über die Kulturen und Grenzen hinweg das<br />

Evangelium brachte, von Syrien bis nach Italien,<br />

vielleicht sogar bis nach Spanien. Das faszinierte<br />

sie; aber warum ausgerechnet Paulus? Warum er,<br />

der nach eigenen Angaben so überzeugt war von<br />

seiner eigenen Religion, seinem eigenen Volk und<br />

seinen eigenen Werten , dass er sogar bereit war,<br />

andere dafür zu töten?<br />

Prof. Kim-Rauchholz sieht verschiedene Gründe<br />

dafür; eine entscheidende Voraussetzung hat die<br />

Theologin in ihrer Radikalität immer wieder fasziniert<br />

– Paulus formuliert sie in einem Brief über<br />

sich selbst so: „Alles, was mir Gewinn war,<br />

habe ich als Schaden erachtet, als Kot, damit<br />

ich Christus gewinne; ja wirklich, ich erachte<br />

alles als Verlust um der unübertrefflichen<br />

Größe willen der Erkenntnis Jesu Christi,<br />

meines Herrn.“ 2<br />

Faszinierend für Frau Kim-Rauchholz ist: Paulus<br />

verwirft nicht seine schlechten Eigenschaften,<br />

seine Sünden; nein, er verwirft das, was uns<br />

erstrebenswert scheint, was uns in dieser Welt<br />

Vorsprung verschafft: unsere Bildung, unser Titel,<br />

unsere Position, unsere Prägung, unsere Traditionen,<br />

unsere Werte und Tugenden. Alles, was<br />

unsere Identität ausmacht.<br />

Wenn sich jemand etwas einbilden könnte auf<br />

seinen Status, dann Paulus: eindeutige Abstammung<br />

aus dem Volk Israel, ein Oberpharisäer,<br />

nach dem Gesetz fehlerlos. 3<br />

Titel, Positionen, Tradition: „Was mir Gewinn<br />

war“, erachtet Paulus als Dreck – diese radikale<br />

Botschaft hörten Bischöfe, Priester, Pastoren<br />

und Leiter der koptischen, orthodoxen, römischkatholischen,<br />

lutherischen, evangelikalen und<br />

Pfingst-Kirche aus dem Munde einer Frau, die<br />

einen Kopf kleiner ist als viele von ihnen.<br />

Das Statement von Paulus fordert die Entscheidung,<br />

Christus über alles zu stellen. Ihn, Paulus,<br />

hatte es jedenfalls alles gekostet: seine Kultur,<br />

seine Karriere in der religiösen Oberschicht, sein<br />

Ansehen, seine Identität und am Ende auch das<br />

Leben. Aber das gab ihm die Kraft, als einst glühender<br />

Verfechter seiner eigenen Religion und<br />

Nationalität die berühmten Worte an die Galater zu<br />

schreiben: „Hier ist nicht Katholik, noch Lutheraner,<br />

nicht Evangelikaler noch Pfingstler, auch nicht<br />

Toilettenputzer noch Bischof, hier ist auch nicht<br />

Mann noch Frau, denn ihr seid allesamt einer in<br />

Jesus Christus.“ 4 (Alle linksliberal-gegenderten Illusionen<br />

in so manchen Kirchen könnten dadurch mit<br />

einem Schlag wirksam beantwortet werden.)<br />

Mit ruhiger Stimme unterstreicht Prof. Kim-<br />

Rauchholz: „Mit weniger als dem, was Paulus hier<br />

schreibt, nämlich der radikalen Fokussierung auf<br />

Jesus Christus, können wir den Herausforderungen<br />

unserer Zeit nichts Substanzielles entgegenstellen.“<br />

Es geht um unsere Identität in Christus.<br />

Mihamm Kim-Rauchholz<br />

ist eine koreanische Theologin<br />

mit einem Lehrstuhl für Neues<br />

Testament und Griechisch an<br />

der Internationalen Hochschule<br />

Liebenzell (IHL)<br />

Titel, Positionen,<br />

Tradition: „Was<br />

mir Gewinn war“,<br />

als Verlust erachten<br />

– diese radikale<br />

Botschaft<br />

hörten Bischöfe,<br />

Priester, Pastoren<br />

auf dem CCD –<br />

um die Identität<br />

in Christus zu<br />

finden.<br />

Z für Zukunft<br />

35

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