ADAC-Motorwelt - 7-8-2018
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
MEINE REGION<br />
Einfach abgefahren<br />
Das Theaterkollektiv „Rimini Protokoll“ nimmt sein Publikum wortwörtlich mit auf eine<br />
Reise: Mitten durch die Straßen der Großstadt – in einem fahrenden Lkw<br />
Ein kurzer Prolog, der Vorhang geht<br />
auf. Plötzlich rüttelt und vibriert es<br />
im Zuschauerraum. Die gesamte Tribüne<br />
setzt sich in Bewegung, und die Straße<br />
wird kurzerhand zur Bühne des Theaterprojekts<br />
„Do’s & Don’ts: Eine Fahrt nach<br />
allen Regeln der Stadt“.<br />
Von ihren Sitzen im Lkw blicken die<br />
Zuschauer durch eine von außen verspiegelte,<br />
gläserne Seitenwand auf das pure<br />
Großstadtleben. Passanten, Autofahrer<br />
und Anwohner werden zu unfreiwilligen<br />
Mitwirkenden des Stücks. Für ihr außergewöhnliches<br />
Kunstprojekt baute das<br />
mehrfach ausgezeichnete Theaterkollektiv<br />
„Rimini Protokoll“ rund um die Regis-<br />
seure Helgard Haug, Jörg Karrenbauer<br />
und den Dramaturgen Aljoscha Begrich<br />
einen ehemaligen Kühltransporter zum<br />
mobilen Zuschauerraum um.<br />
Die Straßen der Großstadt liefern<br />
die besten Geschichten<br />
Wo früher tote Schweinekadaver von der<br />
Decke hingen, bringen die drei Berliner<br />
nun Menschen zum Staunen. Neben Audio-<br />
und Videotechnik bietet das Innere<br />
des Lastwagens Platz für drei Sitzreihen.<br />
„Wir wollten die Realität ungefiltert zum<br />
Stück selbst machen. Dafür war der Lkw<br />
einfach perfekt“, erklärt Begrich – auch<br />
wenn für die Nutzung und den Umbau<br />
Sondergenehmigungen eingeholt werden<br />
mussten. Doch die Mühe hat sich gelohnt,<br />
denn schließlich liefern die Straßen<br />
der Großstadt die besten Geschichten.<br />
Vor allem dann, wenn es um die Frage<br />
geht: „Wie frei ist die Stadt wirklich?“<br />
Für die Macher war Berlin der ideale<br />
Schauplatz für die ersten Aufführungen.<br />
Eine freie, zwanglose und vielseitige<br />
Stadt – zumindest auf den ersten Blick.<br />
Vom Theater „HAU Hebbel am Ufer“ in<br />
Kreuzberg rollte der Lkw im Mai auf seine<br />
erste Exkursion mit Publikum, begleitet<br />
von Fahrer Rudi und Dido, die die Fahrt<br />
als zwei der insgesamt drei Schauspieler<br />
aus dem Führerhäuschen lenkten.<br />
Rollende Bühne in Berlin: Die Zuschauer im Innern des teilverglasten Kühllasters sind aufgefordert, sich Gedanken zur Freiheit in ihrer Stadt zu machen<br />
88 <strong>ADAC</strong> motorwelt 7/<strong>2018</strong>