08.08.2018 Aufrufe

ADAC-Motorwelt - 7-8-2018

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

MEINE REGION<br />

Aus der Luft, in die Luft<br />

Dieselfahrverbote sind die eine, Hardware-Nachrüstungen die bessere<br />

Alternative. Die weltgrößte Produktionsstätte für AdBlue liegt ganz im Norden.<br />

Wir haben dort mal vorbeigeschaut<br />

Büttel, am südwestlichen Ende<br />

Schleswig-Holsteins. Das Marschland<br />

ist flach, auf saftigen Weiden grasen<br />

schwarz-weiß gefleckte Kühe, und wo der<br />

Nord-Ostsee-Kanal auf die Elbe trifft, ragt<br />

das Zentrum der chemischen Industrie<br />

über den Deich. Dutzende Windräder stehen<br />

in unmittelbarer Nähe zum Atommeiler,<br />

so als habe die Energiewende ausgerechnet<br />

an diesem Ort ein markantes<br />

Zeichen setzen wollen.<br />

Hier synthetisiert die norwegische<br />

Firma Yara Harnstoff. Und damit auch<br />

AdBlue, jenes Additiv, das die NO X -Emissionen<br />

der Dieselmotoren nachweislich<br />

um bis zu 90 Prozent senkt. Weil das so<br />

ist und viele Menschen gern mal tief<br />

durchatmen, steigt die Nachfrage überall<br />

auf der Welt an. Grund genug für die Norweger,<br />

28 Millionen Euro in die Hand zu<br />

nehmen, und an der Elbe zu investieren –<br />

und gleich mal einen neuen Tiefwasseranleger<br />

mit errichten zu lassen.<br />

„Die Hälfte der europäischen<br />

Nachfrage könnten wir bedienen“<br />

„Diese Anlage“, sagt Geschäftsführerin<br />

Julia Lindland, „ist nicht irgendeine,<br />

sondern die größte weltweit. Mit unserer<br />

jährlichen Kapazität von 1,1 Millionen<br />

Tonnen könnte man die gesamte Dieselflotte<br />

von Deutschland, Österreich und<br />

der Schweiz mit dem Zusatzstoff ausrüsten,<br />

Pkw wie Lkw. Oder, um es noch deutlicher<br />

auszudrücken: Wir können von<br />

hier aus die Hälfte der europäischen<br />

Nachfrage bedienen.“<br />

Ein energieintensiver Vorgang: Yara<br />

zweigt mit seiner Anlage in Büttel annähernd<br />

ein Prozent des deutschen Erdgasverbrauchs<br />

ab. Und dennoch hat das Unternehmen<br />

in den vergangenen Jahren<br />

Der Stoff, der NO X minimieren kann: Nach<br />

der Synthese wird das Harnstoffgranulat mit<br />

demineralisiertem Wasser zu AdBlue gemischt<br />

Julia Lindland, Yara-Geschäftsführerin, Büttel<br />

„Diese Anlage ist nicht<br />

irgendeine, sondern die<br />

größte weltweit“<br />

den Abgasausstoß bei der Produktion um<br />

eine halbe Million Tonnen senken können.<br />

Was am Ende im Zusatztank des<br />

Selbstzünders landet, beginnt an der frischen<br />

Luft. Aus ihr holen sich die Techniker<br />

den Stickstoff, den sie benötigen. Sie<br />

tun das mithilfe einer mehrfamilienhaushohen<br />

Anlage, in weit verzweigten<br />

Rohrsystemen unterschiedlicher Stärke.<br />

„Der ganze Prozess ist relativ simpel –<br />

Ammoniak plus CO₂ ergibt Harnstoff plus<br />

Wasser“, erläutert Lindland. Dieser Harnstoff,<br />

ein weißes Granulat, wird mit hochreinem<br />

Wasser zu AdBlue herunterverdünnt.<br />

Das fließt dann über eine Pipeline<br />

in die Schiffstanks im wenige hundert<br />

Meter entfernt angelegten Tiefwasserhafen<br />

und von dort aus in alle Welt.<br />

Die Lkw nehmen rund um die<br />

Uhr Ladung auf<br />

Oder wird direkt mitgenommen: Aus einem<br />

voll digitalen, 17.500 Kubikmeter<br />

fassenden Speicherturm lassen sich Lkw-<br />

Tanks mit 1200 Litern pro Minute befüllen.<br />

Rund um die Uhr bedienen sich die<br />

Speditionen hier und vermeiden so Stoßzeiten.<br />

Den Harnstoffgehalt der Lösung<br />

kann der Fahrer über die Computersteuerung<br />

selbst bestimmen. In Tüten abgefüllt,<br />

ist das Endprodukt dann im Handel<br />

zu erwerben. Und sorgt beim Diesel für<br />

sauberere Abgase.<br />

Denn dass diese Hardware-Nachrüstungen<br />

funktionieren, hat ein Langzeittest<br />

des <strong>ADAC</strong> bewiesen. Fahrverbote hingegen<br />

verlagern die Stickoxide lediglich<br />

in andere Straßenzüge. Und auch dort<br />

wohnen Menschen, die gern mal tief<br />

durchatmen.<br />

Text: Ulf Evert<br />

Fotos: PR, Ulf Evert<br />

90 <strong>ADAC</strong> motorwelt 7/<strong>2018</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!