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102410_Leseprobe

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2,5 s nach Durchgang durch 850 °C wird bei einer Temperatur von 685 °C das Gebiet der Ferritumwandlung (F)<br />

erreicht. Beim weiteren Abkühlen unter die eingezeichnete Umwandlungslinie beginnt die Ferritumwandlung. Diese<br />

wird bei 6,7 s und einer Temperatur von 600 °C abgeschlossen (das Ende der Ferritumwandlung wurde hier<br />

gestrichelt eingezeichnet, da in diesem Fall dilatometrisch der Übergang von der Ferrit- zur Zwischenstufenumwandlung<br />

nur annähernd bestimmt werden konnte). Die gebildete Ferritmenge beträgt 37 %, das heißt, dass bei<br />

600°C neben 37 % F noch 63 % bisher nicht umgewandelter unterkühlter Austenit vorliegt. Die Zwischenstufenumwandlung<br />

(Zw) folgt unmittelbar auf die Ferritumwandlung und ist bei 7,6 s und 570 °C abgeschlossen. Die<br />

gebildete Zwischenstufenmenge ist rechts neben der Abkühlungskurve mit 43 % angegeben. Beim weiteren<br />

Abkühlen können infolge der gesunkenen Temperatur Diffusionsvorgänge nur noch unvollkommen ablaufen,<br />

sodass keine nennenswerten Umwandlungsvorgänge gemessen werden können. Erst beim Erreichen der M s -Linie<br />

nach 10,2 s wird bei 460 °C die thermodynamische Triebkraft infolge der wachsenden Differenz der freien<br />

Enthalpie (entsprechend der Unterkühlung unter die Gleichgewichtstemperatur) so groß, dass die martensitische<br />

Umwandlung ablaufen kann. Die Martensitumwandlung (M) geht unterhalb der M s -Linie vonstatten. Der bei M s<br />

noch vorliegende Austenitanteil wandelt unterhalb M s bis Zimmertemperatur vollkommen martensitisch um, wenn in<br />

den Schaubildern keine Restaustenitgehalte angegeben sind. Zum Beispiel werden in den Schaubildern von M 10<br />

bis M 12 Restaustenitanteile (RA) von 5 oder 10 % angegeben. Für den vorliegenden Stahl R 1 ergeben sich für<br />

die vierte Abkühlungskurve 37 % Ferrit, 43 % Zwischenstufe und 20 % Martensit. Die für diese Gefügekomposition<br />

gemessene Härte wird mit 206 HV 30 abgelesen.<br />

In gleicher Weise erhält man für alle anderen Abkühlungskurven in jedem Schweiß-ZTU-Schaubild entsprechende<br />

Angaben. Die Diagramme der mechanisch-technologischen Gütewerte sind in Abhängigkeit von der Abkühlzeit t A<br />

im Temperaturintervall von 850 bis 500 °C aufgestellt. Für die als Beispiel betrachtete Abkühlungskurve des<br />

Schaubildes R 1 ergibt sich beim Schnitt der 500 °C-Isotherme eine Abkühlzeit t A = 9,2 s.<br />

Für die vorliegende Gefügezusammensetzung ergeben sich bei t A = 9,2 s aus dem Diagramm der mechanischtechnologischen<br />

Gütewerte für R 1 die zugehörigen Eigenschaften Härte (206 HV 30), Zugfestigkeit (635 N/mm²),<br />

0,2-Dehngrenze (425 N/mm²), Bruchdehnung (18 %), Brucheinschnürung (43 %) und Kerbschlagarbeit (17,5 J).<br />

Die einfache Zuordnung zwischen Gefüge und mechanisch-technologischen Gütewerten wird an Bild 2-7 demonstriert.<br />

Für alle untersuchten Stahlmarken wurden metallografische Untersuchungen durchgeführt. Eine Auswahl<br />

charakteristischer Gefügebilder (einschließlich des Ausgangszustandes) ergänzt die Schweiß-ZTU-Schaubilder.<br />

Die Schliffe wurden mit 3 %-iger Salpetersäure (HNO 3 ) geätzt und mit 500-facher Vergrößerung aufgenommen.<br />

Die zugehörigen Abkühlzeiten sind aus den Schliffbildern ersichtlich.<br />

2.6 Ermittlung der Abkühlzeit<br />

2.6.1 Allgemeines<br />

Für die Anwendung von Schweiß-ZTU-Schaubildern ist die Kenntnis von Abkühlzeiten erforderlich. Diese stellen<br />

den Bezug zwischen der Schweißtechnologie und der Konstruktion auf der einen Seite und dem Werkstoff auf der<br />

anderen Seite her. Schweißverfahren, Schweißdaten, eine eventuelle Vorwärmung als technologische Haupteinflussfaktoren<br />

sowie Nahtart und -form, Werkstückdicke und damit wärmeableitender Querschnitt als konstruktive<br />

Haupteinflussfaktoren bestimmen Abkühlgeschwindigkeit und Abkühlzeit. Über die Abkühlzeit ergeben sich Zuordnungen<br />

zwischen Technologie und Konstruktion und den im Werkstoff der Schweißverbindung vorhandenen<br />

Gefügen und der dadurch bestimmten Eigenschaftsdegradationen der mechanisch-technologischen Gütewerte.<br />

Nur durch diese Abhängigkeitskette wird die Anwendung des sogenannten Abkühlzeitkonzeptes sinnvoll.<br />

Als Abkühlzeit wird die während des Abkühlverlaufes aus der Schweißhitze zum Durchlaufen eines bestimmten<br />

Temperaturintervalls benötigte Zeit bezeichnet. Prinzipiell können zur Charakterisierung des Abkühlverlaufes<br />

beliebige Temperaturintervalle herangezogen werden. Üblich sind jedoch in der Schweißpraxis Temperaturintervalle,<br />

in denen der Austenitzerfall vonstattengeht und die damit auch im Umwandlungsschaubild direkt abgelesen<br />

werden können. Da eine sinnvolle obere Temperaturgrenze mit der A 3 -Temperatur gegeben ist und diese für<br />

die schweißgeeigneten Stähle im Bereich um 850 °C liegt, wird zur Charakterisierung des Abkühlverlaufes im<br />

Schweiß-ZTU-Schaubild häufig die Abkühlzeit zwischen 850 und 500 °C (t A ) herangezogen. Diese Abkühlzeit wird<br />

von den Autoren bevorzugt, da sich durch neuere Stahlentwicklungen in Richtung auf perlitarme Stähle die A 3 -<br />

Temperatur zu höheren Temperaturen verschiebt. Jedoch sind auch andere Temperaturintervalle üblich und zur<br />

Charakterisierung des Abkühlverlaufes und zur Zuordnung von technologischen Schweißparametern und Gefügen<br />

in Schweiß-ZTU-Schaubildern bzw. mechanisch-technologischen Gütewerten in den Eigenschaftsdiagrammen<br />

geeignet. So wird häufig die Abkühlzeit t 8/5 als Abkühlzeit zwischen 800 und 500 °C verwendet oder auch als<br />

untere Temperaturgrenze des Abkühlzeitintervalls 300 °C benutzt. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Frage der<br />

Wasserstoffdiffusion ein relevantes Beurteilungskriterium ist.<br />

Da die Abkühlzeiten neben den genannten Faktoren durch eine Vielzahl miteinander korrelierender Größen beeinflusst<br />

werden [26 bis 29], ist eine exakte Ermittlung der Abkühlzeit nur dann möglich, wenn alle wirkenden<br />

Einflussfaktoren mit ihren absoluten Werten bekannt sind. Das ist aber nur in den seltensten Fällen möglich.<br />

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