Wildpark-West Herbst 2018
Heimatzeitschrift von Bürgern für Bürger in Wildpark-West und Umgebung gemacht.
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Der Sommer des Jahres 1949 brachte mit über 30 Grad und wochenlang<br />
kaum Regen eine Dürre. Wenige Meter von der Schweizer Straße entfernt<br />
begann an einem heißen Sonnentag, vermutlich Ende Juli, das Feuer.<br />
Die Siedlung brennt<br />
VON ARIANNA VON KLINSKIWETEL<br />
Die Monate Juni und Juli<br />
des Jahres 1948 waren mit<br />
Temperaturen um 30 bis<br />
32 Grad Celsius schon sehr<br />
heiß gewesen. Aber einige kräftige<br />
Niederschläge sorgten zum Glück<br />
dafür, dass keine Dürre entstehen<br />
konnte. Der Sommer des Jahres 1949<br />
dagegen brachte vom 10. bis zum<br />
17. Juli gut 31 Grad Celsius und es<br />
gab wochenlang kaum Regen. Die<br />
Potsdamer Wetteraufzeichnung registrierte<br />
allein für den Juli 1949<br />
mindestens 227 Sonnenstunden.<br />
Das Feuer begann<br />
Meine Erinnerungen und die<br />
meines Bruders Hans Georg an den<br />
Sommer 1949, als die Waldfläche<br />
am Schulweg brannte, sind unvergessen<br />
geblieben. Das Feuer begann<br />
an einem heißen Sonnentag, vermutlich<br />
Ende Juli, wenige Meter von der<br />
Schweizer Straße entfernt. Es reichte<br />
nördlich des gesamten Schulweges<br />
entlang bis zu den heutigen 20iger<br />
Hausnummern. Wir hörten in der<br />
Hitze des Nachmittags plötzlich die<br />
Sirenen heulen, die in Kriegszeiten<br />
vor den Bombern mit der tödlichen<br />
Fracht gewarnt hatten und die nur<br />
vier Jahre zuvor die Katastrophe ankündigten.<br />
Die Sirenen waren immer<br />
noch für uns Kinder der unvergessliche<br />
Schrecken.<br />
Der Geruch des trockenen hohen,<br />
nun brennenden Grases, der brennenden<br />
Büsche von Brombeeren und<br />
Himbeeren, des brennenden Unterholzes,<br />
der kleinen Kiefern und Birken,<br />
der vielen Kienäpfel – dieser Geruch<br />
hat sich eingeprägt.<br />
Groe Angst und Verzweiung<br />
Mein Bruder und ich wohnten<br />
mit drei weiteren Geschwistern und<br />
unseren Eltern zu dieser Zeit in zwei<br />
hölzernen Behelfsheimen im Amselweg<br />
Nr. 10 und Nr. 12. Unsere Häuschen<br />
lagen ganz in der Nähe des Feuers<br />
im Schulweg. Nur der Schulweg,<br />
ein schmaler Sandweg zu dieser Zeit,<br />
und der unbebaute Waldstreifen, der<br />
an unsere Grundstücke angrenzte,<br />
trennten uns von dem Waldbrand.<br />
Ich sehe in der Erinnerung die hohen<br />
Flammen aus dem Gras aufschießen<br />
und sich bei leichtem <strong>West</strong>wind in<br />
Richtung der russischen Kuhweiden<br />
durch den Wald fressen. Mit Eimern<br />
und Schläuchen strömten die<br />
Menschen aus der Siedlung herbei,<br />
und sie schlugen mit Laubästen in<br />
die Flammen. Es herrschte ein unglaubliches<br />
Chaos, große Angst und<br />
Verzweiflung. Und dann kamen die<br />
Löschwagen der sowjetischen Armee<br />
aus der Kaserne im <strong>Wildpark</strong>. Den<br />
Soldaten gelang es tatsächlich, den<br />
Brand unter Kontrolle bringen.<br />
Mit Eimern und<br />
Schläuchen strömten<br />
die Menschen aus<br />
der Siedlung herbei,<br />
und sie schlugen<br />
mit Laubästen in<br />
die Flammen<br />
Die Siedlung war, von 1945 bis<br />
1950 Sperrgebiet der sowjetischen<br />
Armee, voll mit Menschen. In den<br />
mehr als 60 massiven Eigenheimen<br />
der Villensiedlung <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />
wohnten seit dem Sommer 1945<br />
die Familien sowjetischer Oziere.<br />
In den mehr als 70 Behelfsheimen<br />
(Holzhäuschen) lebten etwa 400 bis<br />
500 Personen aus dem alten <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>,<br />
aus Potsdam und Berlin.<br />
Wie schnell wären unsere Häuschen<br />
in Flammen aufgegangen, mit dem<br />
Wenigen, was wir noch besaßen.<br />
Der Waldbrand konnte zum Glück<br />
in gemeinsamer Anstrengung gelöscht<br />
werden. Eine große schwarze<br />
und noch tagelang rauchende Fläche<br />
blieb zurück. Noch lange Zeit danach<br />
zog der Geruch von Verbranntem<br />
durch die Siedlung. An dieses Ereignis,<br />
an diesen Geruch erinnern wir<br />
uns immer wieder, mein Bruder und<br />
ich, wenn es hier im Wald nach brennender<br />
Kiefer und Tanne riecht.<br />
<strong>2018</strong> versus 1540<br />
Der diesjährige Sommer begann<br />
eigentlich schon im März und ist bis<br />
weit in die Augusttage erhalten geblieben.<br />
Die Meteorologen sprechen<br />
heute von „blockierenden Hochdrucklagen“.<br />
Einen solchen Jahrhundertsommer<br />
gab es bereits zur Zeit<br />
von Martin Luther im Jahr 1540, über<br />
den verschiedenste Berichte überliefert<br />
sind: „Von November 1539 bis<br />
November 1540 soll jeder Monat in<br />
großen Teilen Europas so trocken gewesen<br />
sein wie der trockenste Monat<br />
seit Beginn der Wetterbeobachtungen<br />
im 19. Jahrhundert.“ Am 20. Juli<br />
1540 schrieb Luther an seine Ehefrau<br />
Katharina: „Es ist allhier solche Hitze<br />
und Dürre, dass unsäglich und unträglich<br />
ist Tag und Nacht. Komm, lieber<br />
jüngster Tag, Amen.“ Spätestens<br />
seit dem Februar 1540 hing zwischen<br />
Andalusien, Südengland, Dänemark<br />
und Tschechien jene warme, trockene<br />
Luft fest. Die brachte, gespeist<br />
von einem Azorenhoch, kaum Regen<br />
und Jahrhundertwärme.<br />
Waldbrände zogen<br />
über den Kontinent<br />
Rund vierzig Millionen Menschen<br />
lebten damals in <strong>West</strong>europa. Rund<br />
Foto: Palecki/Archiv Marianna von Klinski-Wetzel<br />
76 WIESE GALLIN WILDPARK WEST HERBST <strong>2018</strong>