art - Ensuite
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SZENE<br />
im klub<br />
Von Benedikt S<strong>art</strong>orius<br />
■ Nachdem in den neunziger Jahren Bands und<br />
Projekte wie The Prodigy, The Chemical Brothers<br />
oder Daft Punk Massstäbe in massentauglicher<br />
elektronischer Musik setzten, dauerte es eine<br />
ganze Weile, bis der letzte Schrei wieder einmal<br />
im Computer-Lager gefunden wurde. 2007 ist<br />
nun dieser Moment, in dem eigentliche Undergroundphänomene<br />
wie das französische Label Ed<br />
Banger mit Produzentenduos wie Justice auch in<br />
der Tagespresse eine breite Plattform erhalten.<br />
Als Katalysator dienen zudem junge Rockbands,<br />
die elektronische Spurenelemente einsetzen und<br />
so den leuchtstäbeschwenkenden New Rave erfanden.<br />
New Rave soll Lifestyle sein, bei dem der Mut<br />
zur Hässlichkeit in Sachen Modefragen für Aussenstehende<br />
als treibende Kraft erscheint. Und<br />
es ist lustig, dass in diesem Kontext ein Abend<br />
des traditionellen Dampfzentrale-Sommerfoyers<br />
die zu Kindheitszeiten heissgeliebten Nintendo-<br />
Compüterli und andere trashige Arcade-Games<br />
aus der Versenkung holt: Die Teamtendo-Band aus<br />
Paris wird am 12. August zur Pixeljagd aufspielen,<br />
hofi ert von den omnipräsenten Round Table<br />
Knights.<br />
Neben der Berne-Beats-Eröffnungsnacht mit<br />
der fast kompletten städtischen DJ-Prominenz<br />
treten im Sommerfoyer auch minimale Techno-<br />
Produzenten wie Agnès auf. Überraschend dürfte<br />
auch der Abend mit Kalabreses Rumpelorchester<br />
werden. Der Zürcher Produzent, Clubbetreiber<br />
und Schlagzeuger Sacha Winkler alias Kalabrese<br />
wird sein vielgelobtes Album «Rumpelzirkus»<br />
(Stattmusik) mit Liveband umsetzen. Die Platte<br />
ist eine sorgfältig aufgebaute und geschlossene<br />
Liedersammlung, einsetzbar für die unterschiedlichsten<br />
(Club-)Stimmungen: Hier der klamaukige<br />
Beginn von «Öisi Zuekunft», der unmerklich<br />
in organischen Minimal-House-Funk umschlägt<br />
über das karge introvertierte «He<strong>art</strong>break Hotel»<br />
bis hin zum ausgelassenen Bläsersatz von «Auf<br />
dem Hof». Kalabrese funktioniert Alltagsinstrumente<br />
zu Klangquellen um, zelebriert mit seinem<br />
Stimmeinsatz seine nicht vorhandenen Qualitäten<br />
als Sänger und zeigt, dass er sich selbst nicht zu<br />
ernst nimmt, wie auch der Track «Aufm Klo» unterstreicht.<br />
Der kontrolliert verspielte «Rumpelzirkus»<br />
des Kalabrese kommt ohne billige Effekthascherei,<br />
ohne grosse Gesten und ohne kurzlebige<br />
Trendhörigkeit aus – ein sehr cooles Album.<br />
Dampfzentrale: Sommerfoyer 9.8. – 18.8, u. a. mit<br />
Teamtendo (10.8.), Marco Repetto (15.8.) Agnès<br />
(16.8.), Kalabreses Rumpelorchester (17.8). Komplettes<br />
Programm: www.dampfzentrale.ch<br />
Sommerclubbing bietet auch das Wasserwerk<br />
mit Summer In The City bis am 18.8. Programm auf<br />
www.wasserwerkclub.ch<br />
veranstaltungen<br />
FILOSOFENECKE<br />
Von Alther&Zingg<br />
«WIE SEHR WIR AUCH ALS NATUR-<br />
UND KULTURWESEN IN DIE UNAB-<br />
SEHBAREN PROZESSE DER WIRK-<br />
LICHKEIT EINGEBUNDEN SIND: WIR<br />
HABEN DARIN DANN UNSERE FREI-<br />
HEIT, WANN IMMER WIR ETWAS VON<br />
SELBST ANFANGEN.»<br />
Volker Gerhardt, 1999<br />
■ Die Wirklichkeit: Ein Begriff, der uns Menschen<br />
begleitet, defi niert wird, revolutioniert wird, neu<br />
besetzt wird. Ob wir uns nun als Geschöpfe oder<br />
als Schöpfer verstehen und begreifen, die Wirklichkeit<br />
bleibt letztendlich vage und eine Frage<br />
des Moments, der Kultur und der eigenen Wahrnehmung.<br />
Ihretwillen sind Kriege geführt, Köpfe<br />
gerollt und Menschen in ihren elementaren Bedürfnissen<br />
eingeschränkt worden. Aber auch die<br />
Freiheit, die viel gelobte, zeigt sich in verschiedenen<br />
Facetten. Sei’s als Lebensgefühl der Unabhängigen,<br />
sei’s als politisches Gut der französisch<br />
oder sonst wie revolutionierten Gesellschaften.<br />
Filosofen setzen sich mit der Frage auseinander,<br />
was die Wirklichkeit und die Freiheit ausmachen,<br />
wie sie defi niert werden. In der Meinung Gerhardts<br />
stellt die Wirklichkeit den Rahmen unseres Daseins<br />
dar. Die Freiheit hingegen ist das Produkt unserer<br />
selbst initiierten Handlungen. Dadurch werden wir<br />
zu freien Radikalen innerhalb des Rahmens Wirklichkeit,<br />
werden selbsterkennend über das Selbstbewusstsein<br />
zur Selbstverwirklichung fi nden.<br />
«Das Ich ist der Souverän seiner eigenen Akte»,<br />
schreibt Gerhardt. Vernunftbegabung als Fetisch<br />
des modernen Menschen, kann man denken. Oder<br />
doch eher ein Appell an jeden Einzelnen von uns,<br />
sich seine Freiheiten, seine Wirklichkeit selber zu<br />
schaffen, sich aus der Umklammerung der Ideen,<br />
Instinkte und Triebe zu lösen? Was macht die individualisierte<br />
Gesellschaft aus? Gibt es Kategorien<br />
des Individualismus, beispielweise eine materielle,<br />
spirituelle oder intellektuelle? Fragen im Spannungsfeld<br />
von Wirklichkeit und Freiheit. Etwas anfangen<br />
heisst auch, Bestehendes und Bekanntes<br />
hinter sich zu lassen oder neu zu ordnen. Dies als<br />
Preis für die Freiheit. Die Selbstverwirklichung zu<br />
akzeptieren fällt nicht immer leicht, das Resultat<br />
der eigenen Selbstanfänge liegt oft im Dunkeln.<br />
Aber so kommt der Mensch als Individuum weiter<br />
im Leben, erfährt sein Selbst und seine Umwelt<br />
neu.<br />
In diesem Sinne: Nehmen Sie sich die Freiheit,<br />
fangen Sie etwas von selbst an und teilen Sie uns<br />
Ihre Gedanken zum Thema doch gleich mit! Sie<br />
können dies am Mittwoch, 29. August ab 19:00<br />
Uhr im Tonus Musiklabor an der Kramgasse 10<br />
tun. Alther&Zingg freuen sich auf Sie.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 56 | August 07 13