art - Ensuite
art - Ensuite
art - Ensuite
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Kunst im Buch<br />
Albtraum<br />
■ Angst und Schrecken, wenn nicht<br />
sogar schiere Panik scheint Hieronymus<br />
Bosch verbreiten zu wollen.<br />
Pessimistisch und auf Furcht erregende<br />
Art und Weise hielt Bosch (um<br />
1450-1516) seinen Zeitgenossen – und<br />
ebenso uns Gegenwärtigen – ihre<br />
Sünden vor Augen, prangert diese<br />
an und verweist vor allem mit ungewöhnlicher<br />
Ausdrucks- und Schöpferkraft<br />
auf die Folgen eines sündigen<br />
Lebens: Detailreich zeigt Bosch<br />
qualvolle Folterungen der sündigen<br />
Seelen in Hölle und Vorhölle, dass<br />
dem Betrachter Hören und vor allem<br />
Sehen vergeht. Immer wieder sind es<br />
Torheit und die Angst vor dem Teufel<br />
und der Hölle, die thematisiert sind.<br />
Sicher ist darin ein Zeichen der Zeit<br />
zu sehen, denn gerade am Ende des<br />
15. Jahrhunderts schienen Dämonen,<br />
Teufel und Hexen äusserst real und<br />
greifbar – so entstand der berüchtigte<br />
«Hexenhammer» mit dem die<br />
Hexenverfolgung einen Höhepunkt<br />
erreichte.<br />
Kaum mehr als drei Dutzend<br />
Gemälde und eine handvoll Zeichnungen<br />
sind von Hieronymus Bosch<br />
überliefert. Nichtsdestotrotz ist er einer<br />
der bekanntes und beliebtesten<br />
Künstler der gesamten westlichen<br />
Kunstgeschichte. Seine Bildwelten<br />
und vor allem seine Fantasie gerade<br />
in der Erschaffung von Dämonen,<br />
Monstern und teuflischen Wesen fasziniert<br />
auch heute noch. Und sie werfen<br />
die Frage auf: Wieso? Wie konnte<br />
er eine der<strong>art</strong>ig beunruhigende Welt<br />
erschaffen?<br />
Larry Silver (Professor für Kunstgeschichte<br />
an der Universität von<br />
Pennsylvania) führt kenntnisreich<br />
durch Boschs Werk: ausgehend vom<br />
wohl bekanntesten Gemälde Boschs,<br />
dem «G<strong>art</strong>en der Lüste», über seine<br />
Wurzeln bis hin zu Nachfolgern des<br />
Künstlers wie Joachim Patinier oder<br />
Pieter Bruegel. Der vierhundert Seiten<br />
starke Wälzer besticht durch die zahlreichen<br />
hervorragenden Abbildungen,<br />
eine grosser Teil davon Details, wie<br />
sie gerade bei Bosch ungemein hilfreich<br />
sind. (di)<br />
Larry Silver, Hieronymus Bosch, Hirmer,<br />
2006, 424 Seiten, Fr. 214.00.<br />
<strong>art</strong>ensuite August 08 | 07<br />
Bumblebee<br />
■ Bunt und mehr chaotisch als überschaubar<br />
kommen die Arbeiten von<br />
Christine Streuli daher. Schicht um<br />
Schicht baut sie ihre dichten Werke<br />
auf: in Acrylfarbe und Pinsel, mit<br />
Spray und Lack, im Abklatschverfahren<br />
oder mit Schablonen. Oberflächlicher<br />
Kitsch? Nur dekoratives Ornament?<br />
So einfach kann man Streulis<br />
Malerei nicht abhandeln (schliesslich<br />
bespielt sie momentan gemeinsam<br />
mit Ives Netzhammer den Schweizer<br />
Pavillon an der Biennale in Venedig).<br />
«Sampling» könnte man Streulis Methode<br />
nennen. Denn was sie benutzt,<br />
kennt man: Es sind mittelalterliche<br />
Teppiche, Arabesken, Ornamente,<br />
Teppichstoffe, Blumenmuster, Rosetten,<br />
Rorschachtests, die einfallen.<br />
Nichts Neues! Aber Streuli verbindet<br />
Nichtzusammengehörendes auf geschickte<br />
Art und Weise und kreiert so<br />
ihre Bildwelten, die nicht so einfach<br />
in aktuelle Malereirichtungen einzuordnen<br />
sind. Irgendwo zwischen Abstraktion<br />
und Figuration schweben<br />
Streulis Werke. Es sind zwar allenthalben<br />
Figuren, Schmetterlinge, Blumen<br />
und Arabesken auszumachen,<br />
aber sie sind immer Täuschung, sind<br />
Konstruktion. Passend dazu entstehen<br />
die Arbeiten intuitiv und spontan:<br />
«So empfinde ich jedenfalls,<br />
wenn ich Farbtuben, Papier, K<strong>art</strong>on,<br />
Spraydosen, Holz oder Sonstiges um<br />
mich herumstehen sehe: Alles schreit<br />
nach Einsatz, nach Aktion oder Reaktion,<br />
nach Bewegung.»<br />
Die erste umfassende Publikation<br />
zu Streulis Werk, sehr passend «bumblebee»<br />
(Hummel) betitelt, w<strong>art</strong>et mit<br />
kurzen Texten zu Themen wie Symmetrie<br />
oder Stillleben auf und gibt einen<br />
guten Einblick in Streulis ausgesprochen<br />
sinnliche Reizüberflutung.<br />
«Nichts ist tiefer als die Oberfläche»,<br />
wie es Karl Kraus treffend ausdrückte.<br />
(di)<br />
Christine Streuli. bumblebee, Verlag<br />
für moderne Kunst, 2006, 112 Seiten,<br />
Fr. 43.90.<br />
Hitliste<br />
■ Von A wie «Annabelle» über B wie<br />
«Bilanz» bis zu C wie «Capital», alle<br />
publizieren sie meist kurz vor dem<br />
St<strong>art</strong> der Art Basel ihre Kunst-Hitlisten:<br />
Welches sind die besten Künstler<br />
und Künstlerinnen? Welches sind<br />
die wichtigsten Kunstschaffenden auf<br />
dem globalen Kunstmarkt oder in der<br />
Schweiz? Welches sind Auf- und AbsteigerInnen<br />
dieses Jahres?<br />
Wie alles andere auf dieser Welt<br />
– vom Buchmarkt, über die Filmindustrie<br />
bis zur Musikbranche – wird<br />
bereits seit Jahr und Tag gelistet und<br />
juriert was das Zeug hält; es wird<br />
gemessen, berechnet, befragt und<br />
ermittelt, alles in Zahlen umgerechnet<br />
und mundgerecht in kleine gut<br />
verdauliche Bissen zugeschnitten,<br />
die als Fastfood in Sekundenschnelle<br />
verzehrt werden können. Und wie<br />
ist das in der Kunstszene? Ist diese<br />
messbar? Kann Kreativität berechnet<br />
werden?<br />
In einem schmalen Büchlein von<br />
Jörg Becher sind nun auch «Die 50<br />
wichtigsten Künstler der Schweiz»<br />
(wo bleiben die Künstlerinnen?) festgehalten.<br />
Bechers Hitliste beruht auf<br />
einer Anfang 2007 von «Bilanz» ausgeführten<br />
Umfrage unter 51 Kunstsachverständigen.<br />
Im Vergleich zu dieser<br />
Methode erarbeitet das Magazin «Capital»<br />
seit 1970 seinen Kunstkompass<br />
anhand von Ausstellungs- und Publikationserfolgen.<br />
Wer ausstellt, muss<br />
gut oder zumindest wichtig sein!<br />
Zu jedem der 50 Kunstschaffenden<br />
gibt es in Bechers Publikation einen<br />
kurzen Text, ein Werkbeispiel und<br />
ein Porträtfoto. Gerade die Fotos von<br />
Tom Haller vermögen zu überzeugen.<br />
Jedes Porträt ist anders und dem<br />
Künstler angepasst. Die Texte sind etwas<br />
kurz, so erlauben sie nur einen<br />
kleinen Einblick in das Werk der verschiedenen<br />
Künstler von Emmanuelle<br />
Antille bis Andro Wekua. (di)<br />
Jörg Becher, Die 50 wichtigsten Künstler<br />
der Schweiz, Echtzeit Verlag, 2007,<br />
224 Seiten, Fr. 38.00.<br />
37<br />
<strong>art</strong>ensuite