art - Ensuite
art - Ensuite
art - Ensuite
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
fokus<br />
KULTUR & GESELLSCHAFT<br />
mode in afrika<br />
Von Sonja Hugentobler Foto: Sonja Hugentobler<br />
■ Im Rahmen des «Festival de la Mode Africaine»<br />
zeigt eine Ausstellung in den Räumen der Firma<br />
Zürcher und Stalder AG in Lyssach-Schachen BE,<br />
was die Mode über Afrikas Kultur erzählt.<br />
Der afrikanische Kostümfundus der deutschen<br />
Ethnologin Ilsemargret Luttmann öffnet dem Besucher<br />
ein Fenster zum sonnigen Afrika und gibt<br />
eine Vorahnung auf das sinnliche Erlebnis, das der<br />
Besuch eines afrikanischen Marktes unserem Auge<br />
bescheren kann. Bunte Stoffe in fröhlichen Farben<br />
wie wir sie aus Afrikareportagen oder dem eigenen<br />
Urlaub kennen, sprechen vom sonnigen Gemüt der<br />
Bewohner des schwarzen Kontinents und stehen<br />
ganz im Gegensatz zu den negativen und traurigen<br />
Nachrichten, die uns von dort meist erreichen.<br />
Die dreissig Damen- und fünf Männergewänder<br />
geben einen Überblick über die westafrikanische<br />
Mode der letzten dreissig Jahre, während derer sich<br />
als postkoloniales Produkt ein richtiger Modeboom<br />
entwickelt hat. Die Kleider zeigen, dass afrikanische<br />
Mode mühelos westliche Impulse aufsaugt, gleichzeitig<br />
aber der Tradition verbunden bleibt. Das<br />
Kleidungsstück hat eine Bedeutung für die Identität<br />
und die Kultur eines Menschen, während es im<br />
Westen zu einem reinen Konsum<strong>art</strong>ikel geworden<br />
ist, der ersetzt wird, sobald der nächste Modetrend<br />
kommt.<br />
Da die Demokratisierung der Mode in unserem<br />
Sinn noch nicht stattgefunden hat, gibt Bekleidung<br />
Aufschluss über soziale Hierarchien, Zivil- oder Besitzstand.<br />
Anders als in der westlichen Welt, wo eine<br />
mittellose Studentin in der Kopie eines Gucci-Kleides<br />
von Zara für 60 Franken vornehmer aussehen kann<br />
als die arrivierte Dame im Original für mehrere<br />
tausend Franken, lässt Bekleidung in Afrika genuin<br />
Rückschlüsse auf den sozialen Status zu. Man trägt,<br />
was einem zusteht und greift nicht zu Mimikry und<br />
irreführenden Signalen. Trotzdem widerspiegelt die<br />
Mode kulturelle Phänomene. Statt wie bei uns die<br />
Statusangst, bringen AfrikanerInnen ihre Wunschträume<br />
zum Ausdruck. So wechseln die Moden von<br />
Druckdessins mit den soziokulturellen Werten, die<br />
sich heute auf technologische Errungenschaften wie<br />
Handys, Generatoren oder Ventilatoren konzentrieren.<br />
Für weniger Privilegierte sind sogar Petrollampen<br />
noch Objekte der Begierde. Da die Vermittlung<br />
von Mode nicht durch Werbung und Markennamen<br />
erfolgt, ist deren Inszenierung durch den eigenen<br />
Körper ein «Akt der Selbstvergewisserung und der<br />
Identitätskonstruktion, die in spannungsvollem Verhältnis<br />
zu der politischen Ohnmacht im öffentlichen<br />
Raum und zur wirtschaftlichen Misere steht», wie<br />
Dr. Luttmann in ihrem Aussstellungsprospekt ausführt.<br />
Traditionellerweise wird der Stoff für ein afrikanisches<br />
Gewand auf dem Markt gekauft und beim<br />
Schneider angefertigt. So entstehen handgefertig-<br />
6<br />
te Einzelstücke. Fremde Einfl üsse werden integriert<br />
und zu afrikanischen Modellen umgearbeitet. Die<br />
afrikanische Antwort auf den westlichen Business-<br />
Anzug zum Beispiel nennt sich abacost (Wortschöpfung<br />
aus à bas le costume, nieder mit dem Anzug),<br />
eine Art Hemdjacke zur Hose. Ebenso ist das afrikanische<br />
Damenkostüm taille-basse mit Wickelrock<br />
und genähter Bluse im viktorianischen Stil, mit ausgestelltem<br />
Schösschen zur Betonung der Hüften,<br />
eine Mischung aus traditionellen und westlichen<br />
Elementen. Wenn die Frau verheiratet ist, trägt sie<br />
das Kostüm als Dreiteiler, mit einem zusätzlich um<br />
die Hüften geschlungenen Tuch, meist ein Batik-<br />
Druck.<br />
Die berühmten Batikstoffe, die unser Afrikabild<br />
so nachhaltig prägen, haben ihren Ursprung jedoch<br />
nicht in Afrika, sondern in Indonesien. Im 19. Jahrhundert<br />
haben Indonesiens holländische Kolonialherren<br />
damit begonnen, Kopien der balinesichen<br />
und javanischen Woodblock(Holzstempel)-Drucke in<br />
Holland industriell herzustellen. Die holländischen<br />
Drucke der Firma Vlisco aus Helmond kamen jedoch<br />
bei der indonesischen Bevölkerung nicht an. Durch<br />
westafrikanische Soldaten, die auf der Insel stationiert<br />
waren, um Aufstände in der Kolonie zu kontrollieren,<br />
brachten sie die Ware nach Ghana, Togo,<br />
in die Elfenbeinküste und Nigeria, wo sie reissenden<br />
Absatz fand und wo Vlisco heute noch eine Monopolstellung<br />
geniesst. Den «wax hollandais» können<br />
sich jedoch nur die reichen Afrikaner, vor allem<br />
Städter leisten. Es existieren heute sogennanten<br />
«fancies», billige Imitationen, die in afrikanischen<br />
Fabriken mit hohem ausländischem Kapitalanteil<br />
produziert werden, so dass der Profi t auch hier leider<br />
nicht in afrikanische Taschen fl iesst, wenn es<br />
nicht sogar chinesische und indische Billigprodukte<br />
sind, die mittlerweile die afrikanischen konkurrenzieren.<br />
Westliche Designer inspirieren sich von afrikanischer<br />
Kultur Kaum eine europäische Kunstsp<strong>art</strong>e<br />
hat sich noch nicht von Afrika inspirieren<br />
lassen. Neben der bildenden Kunst und der Musik<br />
gilt das auch für die Modewelt. Wir sind angetan von<br />
der grafi schen Sprache Afrikas, der Farbpalette der<br />
Savanne und den Motiven der afrikanischen Fauna<br />
und Flora. Ganz selbstverständlich umgeben wir<br />
uns mit Accessoires aus Holzkugeln, Basttaschen,<br />
Glasperlen, Sisalgürteln, und wir tragen mit regelmässig<br />
wiederkommenden Modetrends Stoffe, die<br />
von afrikanischen Mustern inspiriert sind.<br />
Ein afrikanischer Designer macht europäische<br />
Mode Der in Paris ansässige, malinesische Designer<br />
Lamine Kouyaté, ist seit Jahren international erfolgreich<br />
mit seinem Label Xuly Bët, das er in Paris<br />
präsentiert. Von der französischen Modemarke<br />
Naf Naf wurde Koujaté für deren nächste Winterkollektion<br />
verpfl ichtet. Kouyaté möchte nicht mit<br />
afrikanischer Ethno-Mode in Verbindung gebracht<br />
werden und produziert einen farbenfrohen Street-<br />
Style im Grunge-Look, mit nach aussen gekehrten<br />
Nähten. Ein Look, der an jenes Recycling erinnert,<br />
wie er es jahrelang in seinem Heimatland erlebt hat,<br />
wenn sich Camionladungen von europäischen Altkleidern<br />
über die Marktstände ergossen, wo lokale<br />
Schneider die besten Stücke auswählten und sie auf<br />
afrikanische Bedürfnisse umfunktionierten.<br />
Recycling Einen Orden für echtes Recycling<br />
verdienen die Handwerkskünstler von Madagaskar.<br />
Dort ist Recycling kein Marketing-Gag, sondern eine<br />
aus der Not entstandene Tugend. Aus Mangel an<br />
Ressourcen greifen die Madegassen auf industrielles<br />
Verpackungsmaterial zurück und produzieren mit<br />
Fingerfertigkeit und Fantasie die unglaublichsten<br />
Accessoires wie Auto-Miniaturen und Aktenkoffer<br />
aus Milchpulverbüchsen, Hutschachteln und Überseekoffern<br />
aus Metall-Benzinkanistern oder Handtaschen<br />
aus Orangensaft-Tetrapak.<br />
Öffnungszeiten<br />
Mo-Sa 14:00–17:00 h oder für Schulklassen nach<br />
Voranmeldung 034 448 42 42<br />
jeden Mittwoch 19:00 h Filmvorführung<br />
Mi 8.8. Vortrag Dr. Bernhard Gardi , Leiter Wissensch.<br />
Abtl. Afrika, Museum der Kulturen, Basel<br />
So 2.9., 14:00-17:00 h Führung, Finissage und Verkauf<br />
von Stoffen, Postk<strong>art</strong>en, Büchern etc.<br />
Wo man afrikanische Mode fi ndet<br />
■ In jeder grösseren Schweizer Stadt fi nden sich<br />
Afrika-Shops, die unter anderem Stoffe, Kleider<br />
und Schmuck verkaufen. Wir stellen vier vor:<br />
Bei La Perla fi ndet die anspruchsvolle Schmuckliebhaberin<br />
authentisches afrikanisches Kunsthandwerk,<br />
vom Besitzer Robert Bruderer direkt<br />
aus Ostafrika importiert. www.ethnoschmuck.ch<br />
La Perla, Metzgergasse 12, 9000 St. Gallen<br />
Lea Kray verkauft in ihrer Boutique Joy Jewel<br />
Damenmode aus afrikanischen Stoffen in modischen,<br />
westlichen Schnitten, die sie in ghanesischen<br />
Schneiderateliers in Kleinserien anfertigen<br />
lässt. www.joyjewels.com<br />
Joy Jewel, St. Peterhofstadt 3, 8002 Zürich<br />
Boutique Mambo ist ein afrikanischer Kuriositätenladen,<br />
wo die Kongolesin Baheta Ba Sita<br />
nebst Nahrungsmitteln und touristischen Artikel<br />
auch Kleider und Metragen in authentischen Bogolanstoffen<br />
anbietet.<br />
Boutique Mambo, Chemin du Bourg 20, 2502 Biel<br />
Afro Shop Basel ist ein afrikanischer Kuriositätenladen.<br />
Man fi ndet von Haar- und Kosmetikprodukten<br />
über CD bis zu Nahraungsmitteln alles,<br />
was das Herz begehrt. www.afro-shop.ch<br />
Afro Shop Basel, Gasstrasse 14, 4056 Basel<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 56 | August 07