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42<br />

<strong>art</strong>ensuite<br />

Peter Fischli / David Weiss,<br />

Mick Jagger und Brian<br />

Jones befriedigt auf dem<br />

Heimweg, nachdem sie ‚I<br />

Can‘t Get No Satisfaction‘<br />

komponiert haben, aus<br />

der Serie «Plötzlich diese<br />

Übersicht», 1981,<br />

Ungebrannter Ton.<br />

© 2007 Peter Fischli /<br />

David Weiss<br />

Peter Fischli<br />

und David<br />

Weiss. Fragen &<br />

Blumen<br />

Kunsthaus Zürich,<br />

Heimplatz 1.<br />

Geöffnet Dienstag<br />

bis Donnerstag,<br />

10:00-21:00<br />

h, Freitag bis<br />

Sonntag 10:00-<br />

17:00 h. Bis 9.<br />

September.<br />

Fragen und Entdecken<br />

um des Spielens willen<br />

■ Sie sind die Meister des skurrilen,<br />

ironischen Humors, der kunstgewordenen<br />

Banalität und poetischen Geste<br />

mit Fragezeichen – und dies schon<br />

seit 1979. Damals entschlossen sich<br />

Peter Fischli und David Weiss von<br />

nun an zu zweit ihre weitere künstlerische<br />

Karriere zu verfolgen. Was<br />

sie mit grossem Erfolg tun: Beliebt<br />

bei Kunstkritik wie Publikum sind<br />

Sylvia Rüttimann<br />

ihre Werke in vielen wichtigen Ausstellungen<br />

zu sehen, nicht zuletzt an<br />

der Biennale Venedig und der documenta<br />

in Kassel, wo ihr Film «Der Lauf<br />

der Dinge» 1987 grosse Aufmerksamkeit<br />

erregte, die beiden an die Spitze<br />

der Schweizer Kunst der Gegenw<strong>art</strong><br />

katapultierte und international bekannt<br />

machte.<br />

Fast dreissig Jahre Arbeit, da ist<br />

schon einiges zusammengekommen.<br />

Zeit für eine Retrospektive. Und so<br />

ist es nun also auch geschehen: Kuratoren<br />

Bice Curiger und Vicente Todoli<br />

haben zusammen mit den Künstlern<br />

eine Schau eingerichtet, die zuerst in<br />

der Londoner Tate Modern und noch<br />

bis September dieses Jahres im Zürcher<br />

Kunsthaus zu sehen ist. Es ist ein<br />

Werk, dessen Einzelteile reichlich bekannt<br />

sind, von dem man aber auch<br />

nach mehrmaliger Betrachtung immer<br />

wieder von neuem begeistert ist.<br />

Nur schon «Der Lauf der Dinge».<br />

Berechtigterweise ist er in die Geschichte<br />

erfolgreicher Künstlerfilme<br />

eingegangen. Einerseits unverschämt<br />

einfach, kommt er doch mit fast keinen<br />

Filmschnitten und kleinstmöglicher<br />

Handlung aus – Ursache und<br />

Wirkung –, fesselt er trotzdem durch<br />

seine Komplexität (immerhin geht es<br />

nach Wikipedia um die «Ausnutzung<br />

der Schwerkraft, der Zentripetalkraft,<br />

des Trägheitsmoments, des 3. Axioms,<br />

des Hebelgesetzes u. a.») und<br />

unbezahlbare Komik. Faszinierend<br />

wie Fischli/Weiss es schafften, mit<br />

unglaublicher Unpräzision die Dinge<br />

ins Rollen zu bringen. So ungeschickt<br />

und tölpelhaft und doch genau und<br />

wirkungsvoll hat kaum jemand alte<br />

Reifen, Flaschen, Kübel, Leitern, Müllsäcke<br />

und ähnliche Alltagsgegenstände<br />

in Bewegung gebracht, so dass der<br />

eine den anderen wiederum in Fahrt<br />

bringt. Um was genau auszudrücken?<br />

Man weiss es nicht so genau, sicherlich<br />

kann das Ganze philosophisch<br />

aufgeladen werden, aber das Wichtigste<br />

ist und bleibt der Humor, der<br />

Spass am physikalischen Ernst. Der<br />

Film kann noch so oft angesehen<br />

werden, das Schmunzeln bleibt eigentlich<br />

nie aus. Das zeigen auch die<br />

Reaktionen der immer sehr zahlreich<br />

vor der grossformatigen Projektion<br />

sitzenden Zuschauer im Kunsthaus.<br />

Einen «childlike spirit of discovery»<br />

hat die Tate den beiden denn auch<br />

attestiert. Was die Vorgehensweise<br />

der Künstler tatsächlich ganz gut beschreibt.<br />

Schon die frühe «Wurstserie»,<br />

aber auch die Filme «Der geringste<br />

Widerstand» und «Der rechte Weg»<br />

waren diesem Konzept verpflichtet,<br />

und hier wiederum spielt der Weg<br />

eine wichtige Rolle: Die Künstler treten<br />

verkleidet in den bizarren Rollen<br />

als Ratte und Bär auf und begeben<br />

sich auf eine Reise zum Leben, machen<br />

Entdeckungen und erleben<br />

Enttäuschungen, untersuchen überkommene<br />

Sicherheiten, versuchen<br />

die Welt zu erklären, ein Modell zu<br />

finden, und finden sich öfters im<br />

Scheitern. Als einen Versuch enzyklopädischer<br />

Welterfassung, gespickt<br />

mit Humor und Bastlertrieb, erweist<br />

sich die mehrteilige Arbeit aus ungebranntem<br />

Ton «Und plötzlich diese<br />

Übersicht». Liebenswerte und wortspielerische<br />

Szenen, die die Zuschauer<br />

einmal grinsen, dann lauthals lachen<br />

lassen.<br />

Und so kann man sich durch die<br />

Abteilungen des Bürkli-Saales seinen<br />

Weg entlang dem Fischli/Weiss‘schen<br />

Universum medialer Vielfältigkeit<br />

bahnen, vorbei an den spektakulär<br />

unspektakulären Flughäfen, Blumen,<br />

Würsten, Fragen, Tonfiguren, Videos<br />

und Skulpturen, die manchmal so<br />

aussehen als wären sie gar keine.<br />

Baumstämme liegen da rum, ein Lederhocker,<br />

auf den man sich besser<br />

nicht setzen sollte, da er ein aus Polyuhrethan<br />

abgeformtes Kunstwerk ist.<br />

Sogar ihr eigenes Atelier haben die<br />

Künstler so gefälscht und ins Kunsthaus<br />

geschafft, samt leerer Pizzaverpackung.<br />

Das ist lustig, aber auch<br />

ein wenig befremdend, ging es doch<br />

den beiden Künstlern eigentlich nie<br />

um die eigene Person des Künstlers.<br />

Selbstironie?<br />

<strong>art</strong>ensuite August 08 | 07

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