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Hinz&Kunzt 307 September 2018

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Happy Birthday, Veddel!<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>307</strong>/SEPTEMBER <strong>2018</strong><br />

Bülent die fünfte Klasse wiederholt –<br />

und es war nicht das letzte Mal, dass er<br />

wiederholt hat“, sagt er selbstironisch.<br />

In der 9. Klasse wieder dasselbe.<br />

Sein Klassenlehrer fand, er soll doch<br />

lieber eine Lehre machen, das Abi<br />

würde er doch nie schaffen. „Da überlegst<br />

du schon: ‚Vielleicht hat dein Lehrer<br />

recht.‘“ Der Vater ist geschockt, dass<br />

Bedo die Schule schmeißen wollte und<br />

„Meine Eltern<br />

wollten, dass ich<br />

weiterkomme.“ BEDO<br />

Bedo zeigt Chefredakteurin Birgit Müller sein Viertel. „Was willst du von einem<br />

Stadtteil erwarten, der seine letzte Apotheke aufgegeben hat und noch nicht mal<br />

eine eigene Bank hat? Wir haben nur noch einen Obst- und Gemüseladen, einen Penny.“<br />

Richtig hart wurde es für ihn auf dem<br />

Gymnasium. Er hatte Schwierigkeiten<br />

mitzukommen. Dass er überhaupt auf<br />

eine weiterführende Schule ging, war<br />

und ist für ein Veddeler Kind ungewöhnlich<br />

(siehe Zahlen Seite 30). Nach der<br />

fünften Klasse wollte seine Klassenlehrerin,<br />

dass er die Schule verlässt. Ausgerechnet<br />

seine Mutter mit ihrem gebrochenen<br />

Deutsch hat sich dagegen<br />

gesperrt. „Sie ging eine Woche lang<br />

jeden Tag in die Schule und hat klar<br />

gemacht: ‚Der Junge bleibt auf dieser<br />

Schule!‘“, sagt Bedo stolz. „Also hat der<br />

sein Bruder richtig sauer. „Dann kriegst<br />

du richtig Ärger!“ Dabei ging der selbst<br />

nicht aufs Gymnasium, sondern machte<br />

eine Ausbildung. „Aber er sagte: ‚Ja,<br />

weil ich keine andere Möglichkeit habe,<br />

du Holzkopf.‘“ Der Spruch hat gesessen.<br />

„Bei mir hat es sofort Klick gemacht“,<br />

sagt er. „Da habe ich erst realisiert:<br />

Meine Eltern wollten, dass ich<br />

weiterkomme.“<br />

Er selbst war 14 Monate alt, als er<br />

nach Hamburg kam. Sein Bruder und<br />

seine Schwester sind erst mit 12 und 13<br />

Jahren nach Deutschland gekommen,<br />

konnten kein Wort Deutsch. Sein Vater<br />

Leben auf engstem Raum<br />

Ist die Veddel ein Problemstadtteil? „Es gibt hier viele Familien, denen es<br />

gut geht, deren Kinder studieren – und die sich ärgern, wenn die Veddel<br />

als Armutsstadtteil dargestellt wird“, sagt Francine Lammar, die Geschäftsführerin<br />

des Vereins Veddel aktiv.<br />

Als Sozialarbeiterin kennt sie aber auch die Alltagsnöte im Quartier.<br />

Die meisten Leute kämen wegen Wohnungsnot zu ihr, sagt sie: „Ich habe<br />

gerade mit einer Familie zu tun, die lebt bald zu fünft in einer<br />

40-Quadratmeter- Wohnung.“ Kein Einzelfall, wie sie weiß. Doch viele<br />

nähmen die Enge in Kauf, um nicht aus dem Stadtteil wegziehen zu<br />

müssen.<br />

Die Veddel zu verlassen, kostet Geld. Selbst die Fahrt nach Wilhelmsburg<br />

können sich manche Veddeler nicht leisten, sagt Lammar. Auch Geburtstagsfeste<br />

oder Kinobesuche sind für viele schlicht zu teuer. Ihr Verein<br />

hält dagegen – mit Bastelnachmittagen, Ausflügen, Sportangeboten und<br />

der Stadtteilbücherei. Oder mit Treffpunkten für Eltern und Kinder.<br />

Damit in Zukunft mehr Menschen auf der Veddel gut leben. ATW<br />

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