Berliner Kurier 06.11.2018
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*<br />
POLITIK<br />
Prüfung für die<br />
US-Demokratie<br />
Amerika am Scheideweg:<br />
Wann zuletzt war<br />
eine Zwischenwahl –gewählt<br />
werden Repräsentantenhaus<br />
und ein Drittel<br />
des Senats –sowichtig?<br />
Während man den Sieg<br />
Trumps vor zwei Jahren<br />
noch als Unfall entschuldigen<br />
kann, weil ein Teil der<br />
liberalen Wählerschaft<br />
schlicht geschlafen hat,<br />
scheint heute jedermann in<br />
Amerika zu wissen, worauf<br />
es ankommt. Wer derzeit<br />
die USA besucht, kann es<br />
mit Händen greifen: Diese<br />
Wahl elektrisiert ein ansonsten<br />
politisch eher<br />
schlafwandelndes Land.<br />
Wenn es die auf Trump-<br />
Kurs gebürsteten Republikaner<br />
tatsächlich schaffen,<br />
ihren Vorsprung in Senat<br />
und Repräsentantenhaus<br />
zu halten oder gar auszubauen,<br />
dann ist sie tatsächlich<br />
angekommen: die nationalkonservative<br />
Revolution.<br />
Die heutigen Zwischenwahlen<br />
sind die letzte Gelegenheit,<br />
der auf Spaltung,<br />
Hass und nationale Alleingänge<br />
zielenden Politik eines<br />
wie entfesselt agierenden<br />
Präsidenten Einhalt zu<br />
gebieten. Und es gibt Zeichen<br />
der Hoffnung, dass<br />
Amerikas Demokratie diese<br />
Prüfung besteht.<br />
Gérard Collomb<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
MANN DES TAGES<br />
Der frühere französische<br />
Innenminister Gérard Collomb<br />
ist wieder Bürgermeister<br />
der Großstadt Lyon.<br />
Der<br />
Stadtrat<br />
wählte<br />
den 71-<br />
Jährigen<br />
gestern<br />
mit großer<br />
Mehrheit<br />
in<br />
das Amt,<br />
das er bis<br />
2017 bereits 16 Jahre innehatte.<br />
Der Rücktritt Collombs<br />
als Innenminister<br />
hatte die Regierung von<br />
Präsident Emmanuel Macron<br />
nach der Sommerpause<br />
in eine Krise gestürzt.<br />
Foto: dpa<br />
Von<br />
Harald<br />
Stutte<br />
Foto: dpa<br />
Der Minister<br />
und sein neuer<br />
Maas-Anzug<br />
Eine Stil-Kritik von<br />
Marcus Weingärtner<br />
Berlin – Heiko Maas gilt als<br />
Politiker neuer Prägung, der<br />
Außenminister macht auf dem<br />
internationalen Parkett zumeist<br />
eine gute Figur, ist alert<br />
und –für einen deutschen Politiker<br />
seit Gerhard Schröder<br />
eher ungewöhnlich – immer<br />
bemerkenswert gut angezogen.<br />
Maas’ Anzüge sitzen, seine<br />
Krawatten zeugen von Stilbewusstsein.<br />
Und wer einmal<br />
Gerhard Schröder in einer Badehose<br />
gesehen hat, der weiß,<br />
wie wichtig ein gut geschnittener<br />
Anzug für die Außenwahrnehmung<br />
sein kann.<br />
Was war passiert? Der Außenminister<br />
kam zur Präsidiumssitzung<br />
der SPD in die Parteizentrale<br />
der Partei im Willy-<br />
Brandt-Haus. Der Termin hatte<br />
Maas offenbar daheim auf<br />
Washington – Immer mehr Künstler protestieren<br />
dagegen, dass ihre Songs im<br />
Wahlkampf der Republikaner für die heutigen<br />
Zwischenwahlen eingesetzt werden.<br />
Dazu gehören Superstar Rihanna und Musiker<br />
Pharrell Williams und auch Steven<br />
Tyler von Aerosmith oder Sänger Elton<br />
John.<br />
Zuvor hatte Guns-N’-Roses-Frontmann<br />
Axl Rose getwittert, es gebe jemanden im<br />
Weißen Haus, der wenig Achtung vor der<br />
Wahrheit, Moral oder Empathie jeder Art<br />
habe. In einer Reihe weiterer Tweets ließ<br />
der Sänger seinem Frust freien Lauf, weil<br />
die Republikaner Schlupflöcher suchten,<br />
um ohne Genehmigung Musik der Gruppe<br />
dem Sofa überrascht. Der Fahrer<br />
wartete wohl schon, da<br />
wirft man halt so über, was an<br />
der Garderobe hängt. Im Falle<br />
des Außenministers waren das<br />
eine Lederjacke, ein sogenannter<br />
Herrenschal und ein paar<br />
Sneaker zu einer dunklen<br />
Jeans. Kann man machen.<br />
Bei Heiko Maas ergeben sich<br />
nur zwei Probleme. Erstens ist<br />
der Mann der Außenminister<br />
dieses Landes, man möchte ihn<br />
aus dem einen oder anderen<br />
Grund nicht in seiner Privatkleidung<br />
sehen. Auch Guido<br />
Westerwelle ließ sich in legerer<br />
Kleidung ablichten, doch<br />
diese bestand zumeist aus der<br />
zwar biederen aber durchaus<br />
seriös daherkommenden Kombination<br />
Chino, Hemd und<br />
Pullover. Womit wir beim<br />
zweiten Problem wären: Maas’<br />
Lederjacke sieht billig aus,<br />
nach Massenproduktion vom<br />
schwedischen Oberbekleidungsdiscounter,<br />
dessen zu<br />
glänzendes Leder, gar Kunstleder,<br />
knittrig am Arm hängt und<br />
dort auch noch eine Idee zu<br />
lang ist. Das Schälchen des Außenministers<br />
dient offenbar<br />
der reinen Zierde, vor rund<br />
zehn Jahren war diese Art von<br />
Tuch en vogue, warum, das<br />
weiß heute kein Mensch mehr.<br />
Als ob das nicht schlimm genug<br />
wäre, trägt Maas dazu ein paar<br />
Hightop-Sneaker, die ihm in<br />
der Gesamterscheinung etwas<br />
von einem sympathischen<br />
Käng uru verleihen. Das ist<br />
ganz süß. Wenn man 15 ist.<br />
All das kann man abtun und<br />
für irrelevant erklären, Maas<br />
Rockstars gegen Trump<br />
tagabend. Nicht<br />
mal in schwarzem<br />
Knitterleder.<br />
auf politischen Veranstaltungen<br />
zu spielen. Und: Es seischon eine<br />
ArtIronie, dass Trump-Unterstüt-<br />
zer der „Anti-Trump-Musikhörten, spottete Rose. „Ich kann<br />
zumir<br />
nicht vorstellen,dass viele<br />
von ihnen das verste-<br />
hen oder sich darum<br />
scheren.“ Rose hatte<br />
zudem aufgerufen,<br />
für die Demokraten zu<br />
stimmen.<br />
Auch „Don’t Stop The Music“ von<br />
Rihanna wurde offenbar ohne Ein-<br />
bei Trump<br />
willigung der Künstlerin<br />
gespielt.<br />
ist eben nicht mehr jene Art Politiker,<br />
die in Zeiten nach dem<br />
Krieg und später im Kalten<br />
Krieg den Anzug wie eine Rüstung<br />
trug. Bei manchen Politikern<br />
dieser Zeiten hatte man<br />
das Gefühl, sie würden darin<br />
schlafen, so wenig konnte man<br />
sich Edmund Stoiber, Helmut<br />
Kohl oder Helmut Schmidt in<br />
sogenannter Leisure Wear,<br />
Freizeitkleidung, vorstellen.<br />
Aber will man das denn überhaupt?<br />
Eines muss man Maas<br />
allerdings lassen –sograuenhaft<br />
bekleidet wie sein Kollege<br />
von der CSU, Alexander Dobrindt,<br />
ist der Außenminister<br />
nicht mal am Sonn-<br />
Guns-N’-Roses-Sänger<br />
Axl Rose ist stinksauer<br />
auf Präsident Donald<br />
Trump.<br />
Foto: maxppp