Essays zu egalitärer Vielfalt
Im Rahmen der Lehrveranstaltung Bildung: Egalitäre Vielfalt und Differenz. SCHRIFTEN ZU DISABILITY & DIVERSITY | Vol. 3 | 09/2018
Im Rahmen der Lehrveranstaltung Bildung: Egalitäre Vielfalt und Differenz.
SCHRIFTEN ZU DISABILITY & DIVERSITY | Vol. 3 | 09/2018
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Bildungserfolg und soziale Herkunft<br />
„Zeig mir deine Eltern und ich sage dir, was aus dir wird.“<br />
Beatrice Gangl<br />
Das österreichische Bildungssystem durchlief viele Veränderungen und Reformen, jede neue Reform sollte Lücken schließen und<br />
Chancengleichheit sowie Bildungsgerechtigkeit eröffnen. Nach wie vor konnte aber die (Aus-)Bildungsungleichheit nicht minimiert<br />
werden: Schüler*innen werden noch immer aufgrund ihrer Herkunft, persönlichen Situation, ihres Migrationshintergrundes<br />
oder Einschränkungen beurteilt und benachteiligt. Warum fällt es einem „Einwandererkind“ viel schwerer seinen Traum <strong>zu</strong> erfüllen<br />
und beispielswiese Arzt <strong>zu</strong> werden als einem Kind der österreichischen Mittel- oder Oberschicht? Ist eine inklusive Bildung, durch<br />
die alle Schüler*innen, unabhängig von obgenannten Faktoren, die Möglichkeit haben eine gleichwertige Ausbildung <strong>zu</strong> erhalten,<br />
die Lösung all dieser Probleme? Kann es gelingen durch inklusive Bildung Ungleichheiten <strong>zu</strong> minimieren?<br />
Ein Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Erfolg in der Schule ist eindeutig und kann aufgrund diverser Untersuchungen<br />
belegt werden. Zu Beginn der 1. Republik sollte allen Kindern eine einheitliche optimale Ausbildung ermöglicht werden. Oft entscheiden<br />
Lehrkräfte, meist gemeinsam mit den Eltern, über den weiteren schulischen Weg des Kindes. Dies führt da<strong>zu</strong>, dass Schüler*innen<br />
aus sozial schwächeren Familien schlechtere Chancen haben eine höherbildende Schule ab<strong>zu</strong>schließen, als Schüler*innen<br />
aus Akademikerfamilien. Kinder aus sozial schwächeren Familien und Schüler*innen mit Migrationshintergrund müssen sich<br />
viel mehr beweisen, auch wenn sich kein Niveauunterschied der schulischen Leistungen erkennen lässt. Die Wahrscheinlichkeit,<br />
die Schule ohne Abschluss <strong>zu</strong> verlassen, ist bei Schüler*innen aus sozial schwächeren Verhältnissen wesentlichen höher als bei<br />
Schüler*innen der Mittel- oder Oberschicht. Gründe hierfür liegen <strong>zu</strong>m einen darin, dass Lehrer*innen selbst Angehörige der Mittel-<br />
und Oberschicht sind. Hier wirkt die soziale Nähe <strong>zu</strong> Kindern aus gut situierten Elternhäusern, denn sie weisen einen ähnlichen<br />
Habitus auf wie ihre Lehrer*innen, auch wehren sich Eltern mittlerer und oberer Sozialmilieus heftiger gegen den sozialen Abstieg<br />
ihrer Kinder. Zum anderen sind Menschen mit körperlichen und/oder kognitiven Einschränkungen ebenso von Schwierigkeiten betroffen<br />
(Dahrendorf, 1988, S. 3ff).<br />
Ein erster Fortschritt vollzog sich im österreichischen Bildungssystem Anfang der 90er Jahre: Für Schüler*innen mit Behinderungen<br />
wird die integrative Ausbildung eingeführt. Seitdem ist im Bereich der schulischen Integration viel passiert und das Konzept<br />
der Integration wird nach und nach vom Konzept der Inklusion abgelöst. Was bedeutet jedoch dieser vielverwendete Begriff „Inklusive<br />
Bildung“? Die Mehrheit aller Schüler*innen geht in gemeinsame Schulen, Kinder mit und ohne Einschränkungen besuchen die<br />
gleiche Schule. Jede*r bekommt die notwendige Betreuung um in der gleichen Klasse <strong>zu</strong> lernen. Sonderschulen sollen <strong>zu</strong> Gunsten<br />
inklusiver Schulen schließen. Sonderschullehrkräfte an inklusiven Schulen unterrichten gemeinsam mit anderen Lehrer*innen,<br />
sonderpädagogische Zentren wandelten sich in pädagogische Zentren, die alle Schulen nutzen. Die Frage ist, ob inklusive Bildung<br />
als Lösung für Chancenungleichheit fungieren kann oder ob dies eine Utopie bleibt. Inklusive Bildung kann, wenn sie gut umgesetzt<br />
und angeleitet ist, <strong>zu</strong> besseren sozialen, gesundheitlichen, akademischen und wirtschaftlichen Ergebnissen führen. Kein oder<br />
eingeschränkter Zugang <strong>zu</strong> Schulbildung bedeutet womöglich nicht richtig lesen und schreiben <strong>zu</strong> können, keine Möglichkeit <strong>zu</strong><br />
haben um Freund*innen <strong>zu</strong> finden oder auch später schlechtere Berufschancen. Außerdem fördert inklusive Bildung Wertschät<strong>zu</strong>ng<br />
von Diversität in unserer Gesellschaft (BMBWF, 2018; Licht für die Welt 2018).<br />
Zusammenfassend ist es wichtig <strong>zu</strong> erwähnen, dass es in Österreich viele positive Veränderungen in Be<strong>zu</strong>g auf die schulische Bildung<br />
gegeben hat. Reformen haben da<strong>zu</strong> geführt, dass Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam beschult werden. Inklusion<br />
in der Bildung ist ein Konzept, welches sich aber noch im Prozess der praktischen Umset<strong>zu</strong>ng befindet und nicht vollständig in den<br />
Schulen und der Gesellschaft angekommen ist. Spricht man von inklusiver Bildung, dann meint man die gemeinsame Beschulung<br />
aller Kinder, unabhängig von Herkunft, Benachteiligungen, Erkrankungen, Behinderungen etc. Es bedarf weiterer Schritte in Richtung<br />
Chancengleichheit, gesellschaftliche Sensibilisierung und Offenheit für diesen Themenbereich.<br />
Quellen:<br />
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (06.04.2018). Geschichte des österreichischen Schulwesens. Zugriff am 12.06.2018 unter https://<br />
bildung.bmbwf.gv.at/schulen/bw/ueberblick/sw_oest.html<br />
Dahrendorf, Ralf (1988). Pfade aus Utopia: Arbeiten <strong>zu</strong>r Theorie und Methode der Soziologie. München: Piper Verlag.<br />
Licht für die Welt- Light for the world (2018). Warum inklusive Bildung. Zugriff am 24.07.2018 unter https://www.licht-fuer-die-welt.at/warum-inklusive-bildung<br />
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