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Essays zu egalitärer Vielfalt

Im Rahmen der Lehrveranstaltung Bildung: Egalitäre Vielfalt und Differenz. SCHRIFTEN ZU DISABILITY & DIVERSITY | Vol. 3 | 09/2018

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SCHRIFTEN ZU DISABILITY & DIVERSITY | Vol. 3 | 09/2018

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Mädchen in der Schulbildung<br />

Romana Christina Huber<br />

Mit Beginn der Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens war der Besuch einer Schreiberschule im institutionellen Sinne für<br />

junge Frauen nicht erstrebenswert. Der Bevölkerung <strong>zu</strong>folge war das Erlernen der Schrift für die <strong>zu</strong>künftigen „Hausfrauen“ nicht<br />

relevant (Liedtke, 1992, S. 63f). Die Vorstellung von geschlechtsbezogenen Dimensionen hat sich im Laufe der Zeit jedoch gewandelt<br />

– oder nicht?<br />

Ende der 1960er Jahre wurden erstmals Schulbücher untersucht, um die diskriminierende geschlechtsstereotypische Darstellung<br />

von Frauen <strong>zu</strong> erforschen. Weitere Forschungen <strong>zu</strong>r Vertretung von Mädchen in verschiedenen Schultypen folgten. Wissenschaftliche<br />

Arbeiten <strong>zu</strong>m gemeinsamen und getrennten Unterricht von Mädchen und Jungen sorgen noch heute für Diskussionen (Hof,<br />

2005, S. 301f). Daher wird in diesem Essay die Frage „Wie kann es gelingen geschlechtsstereotypische Zuschreibungen im Unterricht<br />

<strong>zu</strong> überwinden?“ bearbeitet.<br />

Liedtke (1992) betont, dass Mädchen die Möglichkeit <strong>zu</strong>steht ihren Interessen im schulischen Alltag nachgehen <strong>zu</strong> können, ohne<br />

sich von gesellschaftlich konstruierten Geschlechterrollen unter Druck setzen <strong>zu</strong> lassen (Liedtke, 1992, S. 87). Diskriminierungen<br />

der Geschlechter in gesellschaftlichen Makrostrukturen müssen auf Mikroebenen und somit in täglichen Kommu¬nikationsvorgängen<br />

aufgelöst werden. Die Schule als Sozialisationsinstanz muss eine vollkommen nichtdiskriminierende Einrichtung sein, um<br />

als Wegweiser für junge Menschen <strong>zu</strong> dienen (Fuchs, 1992, S. 177). Um diesen Anforderungen gerecht <strong>zu</strong> werden, müssen Geschlechterhierarchien<br />

abgebaut werden und ein bewusster Umgang mit den Geschlechter¬verhältnissen vorherrschen. Dies ist<br />

unteranderem auch ein Ziel der reflexiven Koedukation (Hof, 2005, S. 304f).<br />

Vor allem <strong>zu</strong> Beginn der 1990er Jahre standen die Auswirkungen von koedukativen Schulklassen im Mittelpunkt der feministischen<br />

Schulforschung. Koedukativer Unterricht galt als Lehrstätte, die geschlechtstypische Rollen- und Macht<strong>zu</strong>weisungen einübt. Um<br />

dagegen vor<strong>zu</strong>gehen, fanden in den 1980er Jahren Projekte statt, die das naturwissenschaftlich-technische Interesse von jungen<br />

Frauen fördern sollte. In der gleichen Zeitperiode fanden ebenfalls Untersuchungen statt, die zeigten, dass weibliche Studierende<br />

der Naturwissenschaften und Technik vermehrt aus reinen Mädchenschulen kamen. Infolgedessen wurden verschiedene Formen<br />

des getrennten Unterrichts (z.B. Trennung in Schulstufen, einzelnen Fächern oder eigenständige Mädchenklassen) vorgeschlagen.<br />

Empirische Forschungen, die die Benachteiligung von Mädchen in koedukativen Schulklassen bestätigen, existieren wiederum<br />

nicht (Hof, 2005, S. 303f; Fuchs, 1992, S. 174).<br />

Werden Geschlechterverhältnisse neugestaltet, müssen Mädchen und Jungen gleichermaßen berücksichtigt werden. Damit die<br />

Aufhebung von Geschlechterrollen im Klassenzimmer gelingt, darf eben nicht nur an die weibliche Bildung gedacht werden. Alle<br />

Schüler*innen müssen bewusst wahrgenommen werden, ohne eine Personengruppe wegen ihres Geschlechts hervor<strong>zu</strong>heben.<br />

Dualistisches Denken im Sinne der Geschlechter kann sich nur auflösen, wenn Kinder oder Jugendliche als Individuen und nicht als<br />

Kollektiv wahrgenommen werden (Prengel, 1992, S. 149).<br />

Ein Konzept, um geschlechtsstereotypische Zuschreibungen im Unterricht <strong>zu</strong> überwinden nennt sich geschlechtergerechte Didaktik.<br />

Geschlechterverhältnisse werden demokratisiert, indem weder Jungen noch Mädchen im Unterreicht bevor<strong>zu</strong>gt werden.<br />

Alles, was mit dem Lernprozess <strong>zu</strong>sammenhängt, muss so gestaltet sein, dass sich keiner beim Lernen beeinträchtigt fühlt. Das<br />

betrifft neben Schüler*innen auch die Pädagog*innen (Hof, 2005, S. 307f). Damit Lehrkräfte die eben genannten Anforderungen<br />

umsetzen können, sollte Selbstreflexion über die eigene Position <strong>zu</strong> Geschlechterverhältnissen ein fixer Bestandteil der Lehrer*innenausbildung<br />

sein (Hof, 2005, S. 315).<br />

Die einzelnen Positionen <strong>zu</strong> diesem Thema variieren, denn „verschiedene Perspektiven ermöglichen verschiedene Deutungen der<br />

Welt der Geschlechter“ (Hof, 2005, S. 311). Deshalb ist es wichtig, so viele Facetten wie möglich <strong>zu</strong> berücksichtigen und diese in die<br />

eigene Meinung mitein<strong>zu</strong>bauen. Das Forschungsgebiet Bildung und Geschlecht wird auch in Zukunft kein abgeschlossener Bereich<br />

werden, wodurch sich neue Forschungsergebnisse ergeben werden.<br />

Quellen:<br />

Fuchs, Claudia (1992). Koedukation benachteiligt Mädchen. Koedukation benachteiligt Jungen. In: Glumpler, Edith (Hrsg.), Mädchenbildung, Frauenbildung. Bad Heilbrunn:<br />

Julius Klinkhardt, 171-177.<br />

Hof, Christiane (2005). Pädagogik. Das Geschlecht der Bildung: Gender in Pädagogik und Erziehungs-wissenschaft. In: Bußmann, Hadumod & Hof, Renate (Hrsg.), Genus.<br />

Geschlechterforschung/Gender Studies in den Kultur- und Sozialwissenschaften. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag, 296-327.<br />

Liedtke, Max (1992). Männersache Bildung. Der weite Schulweg der Mädchen – Historische Wurzeln einer Benachteiligung. In: Glumpler, Edith (Hrsg.), Mädchenbildung,<br />

Frauenbildung. Bad Heilbrunn: Ju¬lius Klinkhardt, 62-92.<br />

Prengel, Annedore (1992). Was will die Feministische Pädagogik? Zur Bedeutung eines demokratischen Differenzbegriffs für die Erziehung von Mädchen und Jungen. In:<br />

Glumpler, Edith (Hrsg.), Mädchenbildung, Frauenbildung. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt, 148-155.<br />

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