Essays zu egalitärer Vielfalt
Im Rahmen der Lehrveranstaltung Bildung: Egalitäre Vielfalt und Differenz. SCHRIFTEN ZU DISABILITY & DIVERSITY | Vol. 3 | 09/2018
Im Rahmen der Lehrveranstaltung Bildung: Egalitäre Vielfalt und Differenz.
SCHRIFTEN ZU DISABILITY & DIVERSITY | Vol. 3 | 09/2018
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Pädagogik und Einwanderung<br />
Christina Wigoschnig<br />
Dadurch, dass sich ausländische, überwiegend männliche Gastarbeiter in den 1970er Jahren dauerhaft in Österreich niederließen,<br />
wurde Inter- und Multikulturalität in Österreich wieder ein großes Thema. Mit dem Nachholen der Familien der Gastarbeiter steigerte<br />
sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und es stellte sich die Frage nach der Integration ins<br />
Schulbildungssystem (Bauer, 2008, S. 17). In diesem Essay wird daher folgender Fragestellung nachgegangen: Österreich ist ein<br />
Einwanderungsland und die Gesellschaft ist vielfältig – Welche Herausforderungen stellt dies an die Interkulturelle Pädagogik in<br />
Schulen?<br />
Die Schule ist eines der Subsysteme der Gesellschaft, damit ist sie von ethnisch-demographischen Veränderungsprozessen betroffen<br />
und muss auf die <strong>zu</strong>nehmende <strong>Vielfalt</strong> unter den Schüler*innen reagieren. In der Schule geht es nicht nur um das Lernen<br />
von Wissen, sondern genauso wichtig ist der Aufbau einer sozialen und verantwortungsvollen Lerngemeinschaft innerhalb einer<br />
vielfältigen Gesellschaft. Hinsichtlich der Heterogenitätsdimension „Sprache“ konnten beispielsweise bereits einige Erfolge erzielt<br />
werden. Im Integrationsbericht 2017 wurde die gezielte Sprachförderung in der Schule in Form von Sprachförderklassen, Sprachförderkursen<br />
und Sprachstartgruppen beschrieben (Integrationsbericht, 2017, S. 66).<br />
Damit beispielsweise „Muttersprachlicher Unterricht“ und „Deutsch als Zweitsprache (DaZ)-Unterricht“ nicht <strong>zu</strong> weiteren Segregationsmaßnahmen<br />
führen, ist eine Koordination zwischen ihnen mit nicht explizit sprachlichen Fächern erforderlich. Dabei spielt<br />
die „Interkulturelle Pädagogik“ mit dem Ziel der „Interkulturellen Kompetenz“ eine bedeutende Rolle. Die leitenden Motive der<br />
„Interkulturellen Pädagogik“ sind die Gleichheit ungeachtet der Herkunft, die Beziehung <strong>zu</strong>m „Anderen“, der Respekt für die Andersheit,<br />
das interkulturelle Verstehen und der interkulturelle Dialog. In der Weiterentwicklung der sogenannten „Ausländerpädagogik“<br />
in den 1980er Jahren fand ein Perspektivenwechsel statt und es ergab sich die Bezeichnung der „Interkulturellen Pädagogik“.<br />
Nicht mehr die Defizite der Kinder mit Migrationshintergrund standen im Mittelpunkt, nicht die Integration von Randgruppen<br />
war das Ziel, sondern die Befähigung aller <strong>zu</strong> einem Leben in und mit Heterogenität. Da<strong>zu</strong> ist der Blick auf Spannungsfelder, aber<br />
gleichzeitig auf die Ressourcen und Potenziale der Pluralität notwendig. Eine „Interkulturelle Schule“ ist eine Schule mit Beteiligten<br />
(Kinder, Eltern und Lehrkräfte) verschiedener kultureller und sprachlicher Herkunft und mit der pädagogischen Berücksichtigung<br />
und Nut<strong>zu</strong>ng des Vorhandenseins von Verschiedenheit (Gogolin & Krüger-Potratz, 2010, S. 143).<br />
Die Förderung „Interkultureller Kompetenz“ in der Aus- und Weiterbildung für die pädagogische Berufspraxis will eine sinnvolle<br />
Antwort auf die veränderte schulische und gesellschaftliche Wirklichkeit sein. Einerseits spielen die Fähigkeiten der Lehrer*innen<br />
auf der Ebene der Differenz zwischen Kulturen, Sprachen, sozialer und geschlechtsspezifischer Zugehörigkeit und andererseits<br />
spielen die persönlichkeitsbildenden Fähigkeiten auf der Ebene der Haltungen und Einstellungen rund um die Anerkennung der<br />
Pluralität eine Rolle. Auernheimer (2013) betont den Erwerb von Empathie, Reflexionsfähigkeit, Handlungsfähigkeit, sowie Achtung<br />
und Respekt der Menschenrechte und fremder Kulturen. Diese Kompetenzen sind Vorausset<strong>zu</strong>ng für offene, individualisierte<br />
Unterrichtsformen und die Freiarbeit im Unterricht, wo formelle und informelle Bildungsprozesse miteinander verknüpft werden<br />
können, ohne dass Schüler*innen unter- oder überfordert sind (Auernheimer, 2013, S. 258).<br />
Jedoch besteht hier auch die Gefahr der Stereotypisierung und Diskriminierung: Mecheril (2010) betont die „Kompetenzlosigkeitskompetenz“,<br />
die ethnozentrisches Wissen über die „Anderen“ vermeiden hilft und einen Dialog auf Augenhöhe erlaubt. Dies bedeutet,<br />
sich von einem instrumentellen Zugriff auf das „Wissen über Andere“ <strong>zu</strong> verabschieden. Mecheril (2010) hebt die Reflexion<br />
der Begriffe als eine wichtige Aufgabe professionellen Handelns in der Migrationsgesellschaft hervor (Mecheril, 2010, S. 93f).<br />
Die „Interkulturelle Kompetenz“ ist ein notwendiges Instrument im pädagogischen Alltag. Das Bemühen des kulturgebundenen<br />
Individuums auf Fremdes nicht nur mit Inklusion und Exklusion <strong>zu</strong> reagieren, sondern neue Erfahrungen auch über ethnisch-nationale<br />
Grenzen hinweg kreativ so <strong>zu</strong> verarbeiten, dass die Interessen der Beteiligten durch Abwägung aller Gesichtspunkte <strong>zu</strong> einem<br />
schonenden Ausgleich gebracht werden können. Dies geschieht auf der individuellen wie auf der institutionellen Ebene. Die Schule<br />
als Bildungsinstitution und das in ihr tätige Personal haben einen Bildungsauftrag <strong>zu</strong> erfüllen und junge, heranreifende Menschen<br />
in ihren Talenten <strong>zu</strong> fördern. Es gilt an<strong>zu</strong>erkennen, dass es sich bei „Interkultureller Kompetenz“ nicht um eine Arbeit mit oder um<br />
Maßnahmen für Kinder mit Migrationshintergrund und auch nicht um Isolation <strong>zu</strong>r verbesserten Förderung handelt, sondern um<br />
ein gemeinschaftliches Miteinander aller Kinder und Lehrenden in einem heterogenen Raum.<br />
Quellen:<br />
Auernheimer, Georg (2013). Interkulturelle Kompetenz und pädagogische Professionalität. 4. Auflage. Wiesbaden: Springer VS.<br />
Bauer, W. (2008). Zuwanderung nach Österreich. Wien: Österreichische Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung.<br />
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (06.04.2018). Bedeutung sprachlicher Bildung in der Schule. Zugriff am 01.06.2018 unter https://bildung.<br />
bmbwf.gv.at/ministerium/rs/2017_29.html<br />
Expertenrat für Integration (2017). Integrationsbericht 2017. Flüchtlingsintegration bilanzieren – Regelintegration wieder thematisieren. Wien: Expertenrat für Integration.<br />
Gogolin, Ingrid & Krüger-Potratz, Marianne (2010). Einführung in die Interkulturelle Pädagogik. Stuttgart: Verlag Barbara Budrich, Opladen & Farmington Hills.<br />
Mecheril, Paul & u.a. (2010). Migrationspädagogik. Bachelor, Master. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.<br />
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