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Essays zu egalitärer Vielfalt

Im Rahmen der Lehrveranstaltung Bildung: Egalitäre Vielfalt und Differenz. SCHRIFTEN ZU DISABILITY & DIVERSITY | Vol. 3 | 09/2018

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Integrationskraft der Erwerbsarbeit<br />

Richard Waditzer<br />

Erwerbsmarkt, Bildung und Migration sind Schlagwörter, die in politischen Diskussionen und in den Medien eine hohe Präsenz<br />

aufweisen. Deshalb soll in diesem Zusammenhang folgende Fragestellung diskutiert werden: Welche Integrationskraft besitzt Erwerbsarbeit<br />

und welche diesbezüglichen Perspektiven haben geflüchtete Menschen in Österreich?<br />

Artikel 23 (1) der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte besagt: „Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit […].“ Die außerordentliche<br />

Tragweite der Flüchtlingskrise ist wohl die größte Herausforderung, vor der das vereinte Europa in sechzig Jahren europäischer<br />

Integration je gestanden ist. Der österreichische Integrationsbericht 2017 gibt diesbezüglich nicht nur einen Überblick<br />

über bisherige Erfolge im Integrationsbereich, sondern macht auch deutlich, was noch getan werden muss. Aus den Daten des<br />

Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) geht hervor, dass Ende des Jahres 2016 rund 65,6 Millionen<br />

Menschen auf der Flucht waren. Zu keiner anderen Zeit sind mehr Menschen aufgrund von Verfolgung, kriegerischen Auseinanderset<strong>zu</strong>ngen<br />

oder allgemeinen Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ngen geflüchtet. Fast zwei Drittel dieser Menschen (40,3 Millionen) waren<br />

Binnenvertriebene, die innerhalb ihres eigenen Heimatlandes Unterschlupf fanden. 22,5 Millionen haben als Flüchtlinge in anderen<br />

Ländern Schutz erhalten und nahe<strong>zu</strong> 2,8 Millionen Menschen unter den 65,6 Millionen galten als Asylsuchende (Hammer 2017, S.<br />

5 Integrationsbericht, 2017 AEMR).<br />

Gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention, die im Juli 1951 von der Generalversammlung der UNO verabschiedet und von Österreich<br />

1955 ratifiziert wurde, hat sich Österreich da<strong>zu</strong> verpflichtet, verfolgten Menschen Schutz <strong>zu</strong> gewähren und Ihnen ein faires<br />

Asylverfahren ein<strong>zu</strong>räumen (Fürchtegott 2017, S. 1). Als Asylwerber*innen gelten jene Flüchtlinge, die in Österreich einen Asylantrag<br />

gestellt haben und deren Asylverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Asylwerber*innen dürfen grundsätzlich<br />

nicht beschäftigt werden (WKO 2018, S. 1).<br />

Flüchtlingen einen möglichst raschen Zugang <strong>zu</strong>r Erwerbswelt – und im gleichen Maße <strong>zu</strong> Schulbildung und Ausbildungsmöglichkeiten<br />

im Sinne der egalitären <strong>Vielfalt</strong> und Differenz – <strong>zu</strong> ermöglichen ist ein „Gebot der Stunde“. Denn die Erwerbsarbeit sowie<br />

formelle und informelle Bildung sind ausschlaggebende Faktoren für ein selbstbestimmtes Leben und die Teilhabe an unserer Gesellschaft.<br />

Sie macht nicht nur aus menschenrechtlicher, sondern auch aus volkswirtschaftlicher Sicht Sinn. Geflüchtete Menschen<br />

sind meist noch sehr jung, wollen sich hier eine neue Existenz aufbauen und bringen somit eine hohe Bereitschaft und Zielstrebigkeit<br />

mit. Damit diese Motivation aufrecht bleibt und nicht in Hoffnungslosigkeit umschlägt, ist es wichtig Asylwerber*innen mit<br />

einer hohen Wahrscheinlichkeit <strong>zu</strong>r Anerkennung ihres Asylstatus möglichst früh auf den Zugang <strong>zu</strong>m Arbeitsmarkt vor<strong>zu</strong>bereiten.<br />

Je schneller diese in den Arbeitsmarkt integriert werden, desto kürzer ist die Abhängigkeit von den staatlichen Transferleistungen<br />

(Hammer, 2017 S. 4).<br />

Aktuellen Daten zeigen, dass gerade dies nicht der Fall ist. Die durchschnittliche Dauer von Asylverfahren betrug <strong>zu</strong>letzt 12,9 Monate<br />

(Parlamentskorrespondenz Nr. 715, 2017). Einige Verfahren sind auch nach Jahren noch nicht abgeschlossen. Diese unklare<br />

Situation ist für die Betroffenen äußerst zermürbend, da sie oft jahrelang <strong>zu</strong>m Nichtstun gezwungen werden. Abgesehen von der<br />

psychischen Belastung für die betroffenen Asylwerber*innen, ist dies auch aus integrationspolitscher und finanzieller Sicht nicht<br />

sinnvoll (Hammer 2017, S. 10).<br />

Das oberste Ziel der Integrationspolitik muss jedoch die möglichst rasche Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit sein (Diakonie, 2017,<br />

S. 3). Ein sinnvolles Instrument <strong>zu</strong>r Begleitung ist das im Mai 2017 beschlossene Integrationsjahr. Es beinhaltet einen Integrationspfad<br />

mit Modulen wie Deutschkursen und Arbeitstraining, den anerkannte Flüchtlinge, die arbeitsfähig sind und nicht auf einen Arbeitsplatz<br />

vermittelt werden können, seit September 2017 absolvieren müssen. Seit 01.01.2018 können überdies auch Asylwerber*innen mit hoher<br />

Anerkennungswahrscheinlichkeit am Integrationsprogramm teilnehmen (Parlamentskorrespondenz Nr. 416, 2017).<br />

Erwerbsarbeit hat eine große Integrationskraft, denn sie ist für Teilhabe, Identifikation und den sozialen Zusammenhalt wichtig.<br />

Darüber hinaus gibt sie dem Alltag Struktur, ermöglicht Kommunikation und begründet Stolz, für das, was aus eigener Kraft geleistet<br />

wurde. Für die längerfristigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen der Flüchtlingsmigration wird entscheidend<br />

sein, wie schnell Geflüchtete in den Erwerbsmarkt integriert werden können.<br />

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